Dunkle Wolken über Sebastian Vettel: In Spa lief es bei dem Ferrari-Piloten alles andere als rund Foto: dpa

Mercedes wetzt die Scharte von Ungarn beim Großen Preis von Belgien blitzsauber aus, feiert mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg den siebten Doppelsieg der Saison. Aber nicht deshalb zeigt sich Ferrari-Star Sebastian Vettel nach seinem 150. Formel-1-Rennen fuchsteufelswild.

Spa-Francorchamps - Der Technische Delegierte des Automobil-Weltverbandes Fia, Jo Bauer, wartete vergeblich. Sebastian Vettel erschien nach dem Rennen nicht zum obligatorischen Wiegen, obwohl er explizit dazu aufgefordert worden war. Um 16.11 Uhr verschickte Bauer schließlich hoch offiziell die Information, dass Vettel gegen Artikel 26.1b verstoßen habe – mit dem Hinweis, das Vergehen selbstverständlich den Rennkommissaren zu melden. Dem Heppenheimer, der nicht bestraft wurde, wäre eine Disqualifikation indes schnuppe gewesen, er dachte kurz nach dem Großen Preis von Belgien an viel – nur ganz bestimmt nicht ans Wiegen.

Sebastian Vettel sah Rot, was überhaupt nichts mit der Farbe seines Ferrari zu tun hatte. Der viermalige Champion war in der vorletzten Runde auf Rang drei liegend ausgefallen, kurz nach der Vollgas-Kurve Eau Rouge war an seinem Auto bei weit über 200 km/h plötzlich der rechte Hinterreifen geplatzt – dass er dadurch 15 WM-Punkte und einen Podiumsplatz verloren hatte, war ärgerlich. Dass ihm nach dem Reifen auch der Kragen platzte, hatte allerdings einen anderen Grund. „Ich bin entsetzt“, wetterte der 28-Jährige, „wenn das ein paar Meter vorher passiert wäre, würde ich nicht hier stehen, sondern irgendwo in der Eau Rouge hängen. Die Qualität der Reifen ist miserabel, das geht jetzt schon seit Jahren so.“

Seiner Einschätzung ist wenig entgegenzuhalten, der Reifendefekt ereignete sich an einer – wenn man so sagen kann – günstigen Stelle: Die Straße führt bergauf, ist schnurgerade und recht breit. Vettel hatte tatsächlich großes Glück. Doch Paul Hembery konnte und wollte diese deutliche Anschuldigung nicht einfach hinunter schlucken. Die Reaktion des Pirelli-Motorsportdirektors ließ nicht lange auf sich warten. „Es war ein Zwei- oder Drei-Stopp-Rennen und kein Ein-Stopp-Rennen“, wehrte sich der Brite, „Vettel und Ferrari haben es versucht, aber dieses Risiko hat sich nicht ausgezahlt. Der Reifen war einfach am Ende. Manchmal funktionieren diese Sachen – in diesem Fall sind sie leider etwas zu weit gegangen.“ Vettel hatte den fraglichen Pneu nach 15 von 43 Runden aufziehen lassen, 27 Umläufe à 7,003 Kilometer waren eben zu viel. Die letzte Runde absolvierte der Deutsche dann wieder auf neuen Reifen, ihm blieb Platz zwölf.

Niki Lauda schlug sich auf die Seite des Reifenherstellers. „Ich finde es absolut unfair, wenn Sebastian Vettel Pirelli die Schuld gibt“, kritisierte die Formel-1-Legende, äußerte aber durchaus Verständnis für die Ferrari-Strategie: „Das Team wollte ein Risiko eingehen. Die Rechnung ging halt nicht auf.“ Schließlich versuchten die übrigen Beteiligten, die Wogen zu glätten. „Unglücklicherweise ist dieses Problem am Ende passiert. So ist Motorsport“, sagte Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene, „das gehört zum Wettbewerb.“ Selbst der heftigst attackierte Pirelli-Mann fand versöhnliche Worte. „Es ist völlig normal, dass Vettel so emotional reagiert“, sagte Paul Hembery, „dafür kann ich ihn nicht kritisieren.“ In der Sache aber schon. So endete der 900. Grand Prix der Scuderia und das 150. Formel-1-Rennen Vettels mit unterschwelligen Dissonanzen.

Bei Mercedes ist die Welt dagegen wieder heil. Nach dem Tiefschlag in Ungarn mit den Plätzen sechs und acht, standen die Silberpfeil-Piloten oben auf dem Podium – siebter Doppelsieg der Saison, Lewis Hamilton vor Nico Rosberg. „Ein fantastisches Wochenende“, freute sich der Brite, „Nico hat versucht, mir Druck zu machen, aber ich hatte immer eine Antwort.“ Was der gebürtige Wiesbadener auch anstellt, sein Kollege bleibt, bis auf wenige Ausnahmen, uner-reichbar. „Ich habe alles gegeben, doch es war nicht genug“, sagte Rosberg. Ein Satz, den er seit März 2014 schon oft benutzt hat. „Ich habe gekämpft wie wild, aber ich bin nicht nah genug an Lewis herangekommen.“ Für den Weltmeister war es ein weiterer Schritt hin zur Titelverteidigung. „Davon zu sprechen, wäre aber zu früh“, meinte Hamilton. Viele Experten sind anderer Meinung.