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105 Startplätze nach hinten – die McLaren-Piloten Fernando Alonso und Jenson Button nehmen die Rekordstrafe mit Ironie auf.

Spa-Francorchamps - Zwölf Mal lebenslang, 180 Jahre Gefängnis. So alt wird kein Mensch, natürlich nicht; schließlich soll das Strafmaß lediglich die Schwere der Schuld verdeutlichen. Manische Massenmörder, gewaltliebende Psychopathen oder irrwitzige Milliarden-Finanzbetrüger werden mit diesen utopischen Urteilen weggesperrt. Fernando Alonso und Jenson Button haben mit diesen Spezies nichts zu schaffen, trotzdem wurden sie ähnlich irreal bestraft. Da sie ihre Vergehen im Reich von Formel-1-Absolutist Bernie Ecclestone begangen haben, lautete das Strafmaß beim Grand Prix in Belgien nicht zwölf Mal lebenslang, sondern: Rückversetzung in der Startaufstellung um 55 (Alonso) und 50 Plätze (Button).

Da muss einiges zusammenkommen an Untaten. Ihre Vergehen für Motorsport-Laien aufzuschlüsseln, das wäre, als wolle man einem gelehrigen Hund das Radfahren beibringen. Ziemlich kompliziert, mitunter unmöglich. Im Urteil stehen Kürzel aus dem Fach-Kauderwelsch wie ICE, TC, MGU–H und MGU–K garniert mit Zahlen zwischen 6 und 8. Um es verständlich zu machen: McLaren hat von den Antriebseinheiten Verbrennungsmotor (ICE), Turbolader (TC), Energiegewinnung aus Abwärme (MGU-H) und aus Bremsvorgängen (MGU-K) mehr Teile eingebaut als erlaubt, was in Summe zur unglaublichen Gesamtstrafe führt, 105 Startplätzen nach hinten befördert zu werden.

Da blieb den Verurteilten nur Ironie, um das schwer Fassbare zu kommentieren „Wir sollten einen Kuchen bekommen. Ich glaube, das ist ein Weltrekord“, sagte Alonso, und sein nur unwesentlich besser weggekommener Teamkollege Button meinte vor dem Rennen: „Die anderen Autos werden wir wohl erst sehen, wenn sie uns überrunden.“

55 und 50 Plätze nach hinten geht gar nicht, oder hätten die beiden auf der 500 Meter entfernten Hauptstraße von Francorchamps ins Rennen gehen sollen? Wer in der Formel 1 ganz hinten steht, fährt für gewöhnlich von den Rängen 19 und 20 los. Alonso und Button, die Bengel aus der letzten Reihe. Was bei diesem heftig anmutenden Strafmaß umso erstaunlicher ist: Mit dem Großen Preis von Belgien ist die Geschichte ausgestanden, die nicht angetretene Rückversetzung mangels Teilnehmer verfällt – in 14 Tagen in Monza sind Alonso und Button wieder voll resozialisiert und gelten in der Formel 1 nicht einmal als vorbestraft. Gnade geht vor Recht.

Diese Gesetzeslage nutzt McLaren aus, es spielt keine Rolle, ob die Fahrer von den Positionen 15 und 17 starten oder von 19 und 20. So kann Antriebspartner Honda den Großen Preis als Test unter Wettbewerbsbedingungen nutzen – der Rückkehrer ist völlig unterlegen und hat enormen Nachholbedarf. „Wir haben am Freitag zwei neue Motoren benutzt, die haben wir wieder ausgebaut und erneut frische Aggregate installiert“, sagte Technikchef Jonathan Neale, „Strafen hatten wir sowieso schon, daher kam es darauf nicht an.“ Ist nur die Frage, wie Alonso und Button mit ihrer Rolle als Hinterbänkler umgehen, immerhin kommen sie gemeinsam auf drei WM-Titel, 47 Grand-Prix-Siege und 519 Formel-1-Stars. Das Frustpotenzial steigt von Rennen zu Rennen – in Spa kamen nur die Manor-Fahrer hinter den beiden Ex-Weltmeistern ins Ziel.

Vielleicht müssen Button und Alonso auf der Strecke ja noch härter arbeiten und 150 Prozent geben. Obwohl: Das mit 150 Prozent ist so wie 180 Jahre Gefängnis. Utopisch.