Hedi Hezel mit ihren Egli-Figuren Fotos: Schmidtke Foto: Schwarzwälder-Bote

Bei genauem Hinsehen entpuppt sich die ehemalige Pfarrhaushälterin als Künstlerin / Sie will noch die Alpen überqueren

Von Karin Schmidtke

Fluorn-Winzeln. "In der Stunde, in der ich in der Kirche bin, sag’ ich immer: Da gehört der Herrgott mir. Da ist er nicht evangelisch und nicht katholisch", erklärt Hedi Hezel aus Winzeln. In ihrem Arbeitsleben "schaffte" die heute 72-Jährige in der Metzgerei ihres Mannes.

Bei genauerem Hinsehen entdeckt man eine Künstlerin. Zu Hause wird genäht, gebastelt und Ikebana gesteckt. Figuren, ausgesägt aus Holzplatten und bemalt, zieren den Eingang. Keramiken finden sich überall. Eine begonnene Strickarbeit liegt auf dem Tisch im Wohnzimmer. Die Stuhlkissen sind aus Stoffen mit Seidenmalerei bezogen.

"Die Kunst mochte ich immer. Und ich war handwerklich geschickt. Als Kind wollte ich lieber dem Vater helfen schweißen, als der Mutter die Küche putzen", erklärt Hezel schmunzelnd. Mangels eigenem Brennofen hat, tobt sich Hedi Hezel in Kursen mit dem Töpfern aus. Die kunstvoll gearbeiteten Schalen und Vasen findet man im ganzen Haus. Viele davon hat sie verschenkt.

Ihr Glaube findet in der Kunst Ausdruck. "Mutter und Oma haben in Fluorn die Kirche gerichtet. Dass mir diese Aufgabe in Winzeln an die Nase schnappt, das hätte ich nie geglaubt", schüttelt die Protestantin den Kopf. Zehn Jahre war sie Pfarrhaushälterin. Ab und zu fragte sie sogar der katholische Pfarrer nach ihrer Ansicht. "Manchmal wurde es mir zu katholisch. Dann zog es mich wieder in das Einfache der evangelischen Kirche", gesteht Hedi Hezel, gebürtige Fluornerin.

Das ist wohl gelebte Ökumene. Seit rund 20 Jahren richtet Hedi Hezel in der katholischen Kirche den Blumenschmuck. Ihr Mann ist katholisch und die Kinder auch, so kam der Bezug zur Kirche in Winzeln. Dort hängt der Jesus nicht mit den Händen am Kreuz, sondern hält sie segnend ausgestreckt. In der Woche vor Ostern steigt Hedi Hezel die Leiter hoch, um den Jesus abzudecken. "Dann stehe ich auf der Leiter, hadere und sage dem Herrgott meine Meinung: Ich bin schon wieder da. Ein Jahr ist vorbei: Du hast überhaupt nichts geändert. Der gleiche Mist ist immer noch."

An Karfreitag wird der Herrgott wieder aufgedeckt. So will es der Brauch und das Leben dreht sich weiter. An vier Stationen in der Kirche richtet die Künstlerin den Blumenschmuck nach Ikebana aus. "Am liebsten mag ich die gelbe Blumen. Königskerzen oder Sonnenblumen. Die leuchten so schön. Wenn ich keine Blumen habe, dann stecke ich eben nur grün", erklärt Hedi Hezel. Neulich bestand ein beeindruckender Schmuck aus jungem Mais.

Ein Stück weit ist das Blumenstecken auch Therapie. "Mit Ikebana kann ich mich austoben, bin danach wieder ruhig. Und ich bekomme positive Rückmeldungen", freut sich die Künstlerin. Plötzlich wirkt eine einzeln arrangierte Blume völlig neu und anders, als in einem großen Strauß.

Angenehm kühl ist es in der Kirche. Gedämpft dringt das Sonnenlicht durch die bunten Scheiben. "Wenn ich Ikebana nicht mehr machen kann, bin ich krank", sagt Hedi Hezel da und freut sich schon auf die Dahlien im Herbst. Die sind dankbar. "Oder im Winter finde ich im Wald einen dürren Zweig. Wenn ich den dann nach Hause trage, dann fragen mich die Leute wieder, was es wohl wird. Aber das weiß ich selbst noch nicht. Einmal fand ich eine Wurzel. Die sah aus wie ein Engelsflügel. Die brauchte ich unbedingt". Bei der Trockenheit gerade gibt es kaum Material. Manchmal rufen Leute an, die Blumen übrig haben. Manche säen extra Blumenfelder für die Ikebana-Künstlerin an.

Hedi Hezel ist geprägt von den Geschichten aus der Bibel und Umfeld. Diese verarbeitet sie unter anderem mit den aufwändigen selbstgemachten Egli-Figuren. Da liegt der Elias auf dem kalten Kaminofen, seinen Kopf an einen Stein gelehnt. Ein Engel beobachtet ihn, steht ihm bei. Auf einem Schränkchen pausiert Naomi mit ihren Schwiegertöchtern Ruth und Rahab auf der Reise. Die gesichtslosen Figuren lassen sich nach ihrer Einsatzbestimmung formen.

Der Elias von heute kann umdekoriert morgen Noah sein. "Ich habe bestimmt über 40 der Figuren gemacht. Viele davon habe ich an meine drei Kinder und sieben Enkel verschenkt. Selbst habe ich noch an die 20 Figuren", erklärt die Kreative. Eine übergroße Figur ist der Jesus.

Manchmal braucht man in der Kirche auch eine Frau, dann werden einfach die Haare anders gestellt und bekommen ein Kopftuch. So gesehen ist auch Hedi’s Jesus ökumenisch.

Früher sang die talentierte Frau noch im Gesangsverein. "Plötzlich konnte ich nicht mehr singen, trotz Untersuchung. Dafür haben sie ein Aneurysma im Kopf gefunden. Wenn das mal platzt, dann ist es eben Zeit", erklärt die Fluorn-Winzelnerin lachend. Aber das darf dauern. Bis es soweit ist, möchte Hedi Hezel aber noch die Alpen überqueren.