Der Schweizer Ständeratspräsident Filippo Lombardi (links) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann Foto: dpa

Zu umstrittenen Fragen des Abkommens über die Nutzung des deutsch-schweizerischen Luftraums in der Umgebung des Airports Zürich müssten in Nachverhandlungen eindeutige Regelungen gefunden werden, sagte Kretschmann in Bern.

Bern - Das Fluglärmabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz könnte aus Sicht von Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) scheitern. Zu umstrittenen Fragen des Abkommens über die Nutzung des deutsch-schweizerischen Luftraums in der Umgebung des Airports Zürich müssten in Nachverhandlungen eindeutige Regelungen gefunden werden, sagte Kretschmann am Freitag in Bern bei einer Pressekonferenz mit dem Präsidenten des Schweizer Ständerates, Filippo Lombardi. „Sollten diese Fragen nicht geklärt werden können, ist der Vertrag für die deutsche Seite nicht mehrheitsfähig.“

Kretschmann betonte, er sage dies als Ministerpräsident von Baden-Württemberg und nicht als Bundesratspräsident, da das Fluglärmabkommen bekanntlich noch nicht im Bundesrat behandelt werde. In seiner Rolle als Präsident der Länderkammer hatte er zuvor erklärt, er sehe keine Chance für einen neuen Anlauf zu einem Steuerabkommen mit der Schweiz noch in diesem Jahr. Dazu verwies Kretschmann auf den Bundestagswahlkampf sowie nach wie vor bestehende Auffassungsunterschiede zwischen politischen Lagern in Deutschland zur Besteuerung deutscher Schwarzgeldvermögen in der Schweiz.

Einzelbestimmungen verbindlich klären

In Sachen Fluglärmabkommen sollte das Berliner Verkehrsministerium in Nachverhandlungen mit der Schweiz darauf dringen, dass bislang noch unterschiedlich interpretierbare Einzelbestimmungen in völkerrechtlich verbindlichen Zusatzerklärungen genau geregelt werden. Dies betreffe etwa Flughöhen bei Starts und Landungen am Airport Zürich, die verschiedenen Anflugmodi und weitere technische Fragen, die Auswirkungen auf die jeweilige Lärmbelästigung haben.

Allerdings nimmt das Schweizer Parlament - dar Nationalrat - derzeit bereits Kurs auf eine Ratifizierung des Luftlärmabkommens in der vorliegenden Form. Berlin hatte den Ratifizierungsprozess hingegen nach heftigen Protesten aus Baden-Württemberg gestoppt und von der Schweiz Verhandlungen gefordert. Nach einer Ratifizierung in Bern wäre das Abkommen für die Eidgenossen nicht mehr verhandelbar.

"Ohne Klärung der offenen Fragen ist der Vertrag nicht annehmbar"

Es wäre dann aus deutscher Sicht offenbar ebenso gescheitert wie das Steuerabkommen, das im Dezember von der rot-grünen Opposition im Bundesrat versenkt wurde. „Ohne Klärung der offenen Fragen ist der Vertrag für uns nicht annehmbar“, stellte Kretschmann klar.

Unter anderem um die Themen Fluglärm und Steuerstreit sollte es dem Vernehmen nach auch bei Gesprächen Kretschmanns mit Verkehrsministerin Doris Leuthard und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann gehen. Dazu sei Vertraulichkeit vereinbart worden, hieß es von Schweizer Seite.

Vor Reportern bestand Kretschmann - ebenso wie Ständeratspräsident Lombardi - darauf, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz „von einzelnen Dingen abgesehen hervorragend und vielfältig sind“. Dass mit dem Steuer- und dem Fluglärmabkommen innerhalb weniger Wochen gleich zwei bedeutende völkerrechtliche Verträge mit der Schweiz von der deutschen Seite ausgehebelt worden waren, bezeichnete Kretschmann als „rein zufällige Koinzidenz“.

Lombardi nannte Kretschmann einen „Freund, der die Schweiz versteht“ und der die Zukunft Europas auch immer im Zusammenhang mit der Schweiz sehe. Bei der EU in Brüssel sei Deutschland ein wichtiger „Fürsprecher für die Besonderheiten der direkten Demokratie in der Schweiz“. Kretschmann sagte, beim Streben nach mehr demokratischer Mitwirkung der Bevölkerung in Deutschland schaue man auch immer wieder auf Erfahrungen der Schweiz.