Immer mehr traumatisierte Frauen fliehen aus den Krisenstaaten Irak und Syrien. Foto: dpa

Ein Sonderkontingent von bis zu 1000 Frauen , die im Nordirak und in Syrien Gewalt und Vergewaltigungen erfahren haben, sollen in Baden-Württemberg aufgenommen werden. Die Flüchtlingsfrauen sollen noch vor Einbruch des Winters nach Deutschland kommen können.

Stuttgart - Das Land Baden-Württemberg plant, traumatisierte Frauen aus dem Nahen Osten aufzunehmen. Nachdem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf einem Flüchtlingsgipfel vor fünf Wochen seine Unterstützung zugesagt hatte, soll nun ein Sonderkontingent von bis zu 1000 Frauen aufgenommen werden, die im Nordirak und in Syrien Gewalt und Vergewaltigungen erfahren haben. Die Flüchtlingsfrauen sollen noch vor Einbruch des Winters nach Deutschland kommen können.

Neben Stuttgart und Freiburg haben auch andere Kommunen im Südwesten nach Angaben der Landesregierung schon ihre Unterstützung zugesagt. Zurzeit ist eine Delegation im Nordirak und in Syrien unterwegs und prüft, welche Frauen für dieses Sonderkontingent infrage kommen. Sobald das Bundesinnenministerium die sogenannte Landesaufnahmeanordnung geprüft habe, könnten die Flüchtlinge aufgenommen werden, sagte ein Sprecher.

Zurzeit leben in Stuttgart etwa 2500 Flüchtlinge. Viele Flüchtlingsfrauen haben eine sehr lange und gefährliche Flucht hinter sich, sagte Ayse Özbabacan, Mitarbeiterin der Abteilung Integration der Landeshauptstadt Stuttgart, unserer Zeitung. „Auf ihrem Weg nach Deutschland waren sie größeren Gefahren ausgesetzt als Männer. Manche sind schwer traumatisiert und haben im Heimatland und auf der Flucht Gewalt erfahren und wurden vergewaltigt.“ Besonders in der ersten Zeit in Deutschland bräuchten diese Frauen Unterstützung und Beratung. „Frauen haben große Angst, wieder abgeschoben zu werden, sind abhängig von ihren Männern und teilweise auch überfordert mit ihrer Rolle als Ehefrauen und Mütter und mit der Lebenssituation in einem fremden Land, ohne Arbeit und geregelten Alltag“, erläuterte Özbabacan. Deshalb sei es wichtig, dass sie die Möglichkeit haben, die Sprache zu erlernen, und auch erfahren, welche Rechte sie haben. Özbabacan forderte mehr Fachleute und Beratungsangebote, da sich aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen die Wartezeiten für eine psychologische Beratung auf bis zu einem Jahr verlängerten. „Die Frauen möchten arbeiten und sich einbringen und etwas für das Land tun, das sie aufgenommen hat“, erklärte Özbabacan.

In vielen Städten finden heute aus Anlass des Aktionstages gegen Gewalt an Frauen Veranstaltungen zu diesem Thema statt. Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) stellte am Montag den Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen vor. „Es gibt viele Formen von Gewalt an Frauen – jede Frau muss die Hilfe erhalten, die sie braucht.“ Für die Umsetzungen der Vorhaben aus diesem Aktionsplan sollen in den kommenden zwei Jahren rund 3,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.

Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums sind 40 Prozent aller Frauen ab 16 Jahren in Deutschland mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt geworden. In Baden-Württemberg weist die Kriminalstatistik für das vergangene Jahr 9079 Delikte häuslicher Gewalt an Frauen ab 16 Jahren auf.