Baden-Württemberg will den Druck auf abgelehnte Asylbewerber erhöhen. Foto: dpa

Die grün-rote Regierung sieht sich zwischen Flüchtlingsinitiativen, die weniger Abschiebungen fordern und den Kommunen, die auf mehr Rückkehrer drängen, im Zwiespalt.

Stuttgart - Angesichts steigender Flüchtlingszahlen will Baden-Württemberg abgelehnte Asylbewerber stärker zu einer Rückkehr in ihre Heimatländer bewegen. Nach Angaben des Stuttgarter Innenministeriums gab es vom 1. Januar bis zum 15. Juli des laufenden Jahres 1241 Abschiebungen - also bereits mehr als im gesamten Vorjahr mit 1211. Allerdings ist auch die Zahl der Flüchtlinge stark gestiegen. Die Landesregierung will künftig restriktiver gegen Menschen vorgehen, die sich einer Abschiebung entziehen oder zum Beispiel nicht bei der Feststellung ihrer Identität mitwirken.

Taschengeld kann gekürzt werden

Sie müssen etwa damit rechnen, dass ein Teil ihres Taschengeldes in Höhe von 140 Euro im Monat gekürzt wird - höchstens um 40 Prozent. Die zuständigen Behörden seien darauf hingewiesen worden, dass mit Nachdruck von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden solle, sagte Innenminister Reinhold Gall (SPD) am Dienstag. Eine vollständige Streichung des Taschengeldes sei aber nach der geltenden Rechtslage nicht möglich. Gall betonte zugleich, dass den Menschen vor einer Abschiebung die Möglichkeit zur freiwilligen Rückkehr gegeben werde. Darauf solle in Gesprächen noch stärker hingewirkt werden.

Beim Thema Abschiebungen befindet sich Grün-Rot in einem Zwiespalt: Einerseits dringen die Kommunen auf ein strikteres Vorgehen. Auch CDU-Fraktionschef Guido Wolf (CDU) meint: „Abgelehnte Asylbewerber müssen in ihre Herkunftsstaaten zurückgeführt werden - und ihren Platz für bedrohte Flüchtlinge frei machen.“ Andererseits fordert der baden-württembergische Flüchtlingsrat, die „derzeit verschärfte Abschiebepolitik“ zu beenden - eine Forderung, die vermutlich auch einige Parteimitglieder von SPD und Grünen unterschreiben würden.

Nach dem zweiten Flüchtlingsgipfel im Land am Montag hatte Kretschmann zahlreiche Maßnahmen vorgestellt, um Problemen mit den steigenden Flüchtlingszahlen entgegenzuwirken. Dazu gehört auch die Einrichtung einer interministeriellen Task Force auf Landesebene. Landkreistagspräsident Joachim Walter (CDU) sagte dazu: „Wir fühlen uns jetzt ernst genommen.“ Der regelmäßige Austausch sei wichtig. Kretschmann machte allerdings am Dienstag klar, dass die kommunalen Spitzenverbände in der gemeinsamen Lenkungsgruppe keine Entscheidungsrechte haben, sondern dem Gremium beratend angehören.

Kommunen: Wohnraumförderung reicht nicht

Baden-Württemberg rechnet im laufenden Jahr offiziell mit rund 52.000 neuen Flüchtlingen. Die tatsächlichen Zahlen dürften aber zum Jahresende eher bei 80.000 liegen. Die Kommunen hatten um Hilfe gerufen, weil sie vor allem Probleme mit der Unterbringung haben. Gemeindetagspräsident Roger Kehle (CDU) merkte an, dass die vom Land für 2016 geplante Wohnraumförderung in Höhe von 30 Millionen Euro nicht ausreiche. Insgesamt habe es beim Gipfel viele Absichtserklärungen gegeben. Nun komme es auf die Umsetzung an. Dem pflichtete auch CDU-Fraktionschef Wolf bei: „Die Landesregierung muss nun Taten liefern und die wenigen konkreten Zusagen rasch umsetzen.“

Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) sagte, es fehle an Betreuung, an Personal und am Nötigsten für die Flüchtlinge. Es sei bislang nicht gelungen, adäquat auf den massenweisen Zustrom von Hilfesuchenden zu reagieren. Die Kommunen müssten besser als bisher unterstützt werden. „Uns brennt der Kittel. Bei der Erfüllung unserer Aufgaben brauchen wir dringend mehr Hilfe.“ Die Organisation der Flüchtlingshilfe, vor allem in konkreten Fragen, müsse dringend besser werden. Die bestehende Organisation passe nicht zur Realität.