Fordert Transitzonen für Flüchtlinge an der Grenze: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: dpa

Transitzonen für Flüchtlinge lenken nur von politischer Hilflosigkeit ab, schreibt der stellvertretende StN-Chefredakteur Wolfgang Molitor in seinem Leitartikel.

Stuttgart - Es geht um Symbolik. Vor allem darum. Wenn sich CDU, CSU, die bayerische Staats- und die Bundesregierung in den kommenden Tagen zusammensetzen wollen, um ein konkretes Konzept für Flüchtlings-Transitzonen zu erarbeiten, dann ist das in erster Linie nur eines: der hastige Versuch, so zu tun, als bekomme Deutschland energisch den nach wie vor unaufhaltsamen Zustrom von Flüchtlingen in den Griff.

Das ist dreist. Wenngleich besser als nichts. Transitzonen also sollen es richten, politisch Entschlossenheit zu demonstrieren. Sollen so tun, als habe man Lösungen für eine Entwicklung, die – unverantwortlich leichtfertig in Kauf genommen – in Wirklichkeit weniger denn je souverän und mit Geschick gesteuert wird. Denn wie soll das vermeintliche Durchgreifen aussehen? Ein paar Tausend Flüchtlinge mit vorab als offensichtlich unbegründet eingestuftem Asylantrag würden in den Einrichtungen an der – vor allem bayerischen – Grenze wenige Stunden, höchstens eine Woche bis zum Abschluss ihres Verfahrens eingesperrt, um sie dann schnell abzuschieben. Menschen zumeist ohne Papiere und stichhaltige Asylgründe, mit gefälschten Dokumenten oder aus sogenannten sicheren Herkunftsländern.

4000 Kilometer lange Grenze nicht mit Flughafengelände vergleichbar

Was aber, wenn über ihre Anträge gar nicht flott genug im Schnellverfahren entschieden werden kann? Oder ihre Unterbringung schlicht unmöglich ist, weil die Lage an einer 4000 Kilometer langen Staatsgrenze nicht mit einem übersichtlich umzäunten Flughafengelände zu vergleichen ist? Dann – so viel ist klar – muss ihnen die Einreise gestattet werden, unabhängig von den Erfolgsaussichten des Asylantrags. Denn auch eine Transitzone ist kein rechtsfreier Raum, in dem das Grundgesetz kurzfristig außer Kraft gesetzt werden darf.

Die Transitzonen-Debatte zeigt, wie groß jene Notlage ist, die die Bundesregierung mit beispielloser politischer Naivität mitherbeigeführt und zu verantworten hat. Wer der CSU deshalb mit mehr als einem Hauch arroganter Ignoranz vorwirft, sie verfolge mit ihrer „Notwehr“-Rhetorik lediglich dumpf-populistisch unappetitliche Ziele, der weigert sich schlichtweg, den Alltag in vielen bayerischen Kommunen zur Kenntnis und ernst zu nehmen. Während andernorts unverbindlich über Willkommenskultur salbadert wird, betreut in manchem weiß-blauen Landkreis mittlerweile nach wie vor eine Vielzahl von haupt- und ehrenamtlichen Helfern mehr Flüchtlinge aus Syrien und von anderswo als in großen europäischen Staaten wie Frankreich. Jetzt ist man mit der Kraft am Ende.

Die Bundeskanzlerin müsste Seehofer dankbar sein

Was soll da daran falsch sein, wenn der CSU-Chef – ohne dass ein Ende in Sicht und ein tragfähiges Aufnahmekonzept erkennbar wäre – nun immer offensiver nach restriktiveren Maßnahmen ruft? Die Bundeskanzlerin müsste Horst Seehofer dankbar dafür sein, dass er als Ministerpräsident hartnäckig , wenngleich unbequem, Verantwortung für sein Land übernimmt, statt sich vom Bund mehr und mehr überfordern zu lassen. Dass er, endlich!, in rechtlich einwandfreiem Rahmen auf geordnete Verhältnisse drängt, statt sich dem zunehmend unkontrollierten Chaos zu fügen?

Möglich, dass es in dieser angespannten Lage zunächst einen symbolischen Schritt braucht, um einer zwar weiter gutwilligen, aber zunehmend an der Kompetenz und politischen Weitsicht der Kanzlerin zweifelnden Öffentlichkeit Entschlossenheit statt Laissez-faire vorzuführen – auch wenn diese Inszenierung nicht ohne Risiko ist. Denn so viel scheint bereits klar: Sollte die Bundesregierung nicht mal Transitzonen hinkriegen, dürfte der politische Ton schärfer werden. Nicht nur an den Rändern der Gesellschaft.