Das Neubaugebiet in Fischerbach wird mithilfe der "kalten Nahwärme" beheizt. Foto: Kleinberger

Nach dem Pilotprojekt in Fischerbach kommt die "kalte Nahwärme" in Gutach-Bleibach zum Einsatz

Haslach/Fischerbach - Zukunftsorientierte Architektur und der Mut dazu, neue Wege zu beschreiten: In Haslach und der Region treffen diese Punkte aufeinander. Das Pilotprojekt eines Kalt-Wärme-Netzes in Fischerbach wird nun auch in Gutach-Bleibach gebaut.

Das bidirektionale Kalt-Wärme-Netz (b-KWN) im Fischerbacher Neubaugebiet ist eine Erfindung von Arnold Schmid, Geschäftsführer des Haslacher Planungsbüros Innovativ Schmid, und seinem Kollegen Claus-Hermann Ottensmeier, der in Paderborn ein Ingenieurbüro leitet. "Hier war es unser Pilotprojekt", sagt Schmid und gibt zu, dass es dort nicht immer rund gelaufen ist. So, wie es mit Pilotprojekten eben üblich sei. Aber die Erfinder haben ihre Erfahrungen gemacht und aus ihnen gelernt. "Das zweite Projekt entsteht gerade in Gutach--Bleibach. Dort werden 38 Ein- und Zweifamilienhäuser und eventuell eine Seniorenwohnanlage an ein b-KWN angeschlossen."

Was dahinter steckt, klingt im ersten Moment paradox: Das Planungsbüro bringt den Begriff "kalte Nahwärme" ins Spiel. Im Grunde werden die an das System angeschlossenen Häuser mithilfe von Wärmetauschern und einer Glykollösung je nach Jahreszeit beheizt oder gekühlt. Das System ist geschlossen – und laut Schmid CO 2-neutral.

Die Erfindung ist im Bereich Neubau nun ausgereift

Der Erfinder berichtet im Gespräch mit dem Schwabo: "Ich rechne damit, dass in den kommenden Jahren eine CO 2-Steuer eingeführt wird", was das b-KWN als alternative Heiz- und Energiequelle mindestens für Kommunen interessant mache. Im Neubaubereich sei die Erfindung nach dem Pilotprojekt in Fischerbach nun ausgereift. In Gutach-Bleibach ist das Netzsystem verlegt und der Speicher eingebaut. Erst danach, voraussichtlich in der Jahresmitte, beginnt der Wohnbau im Gebiet.

"Aber das nahe Fernziel ist natürlich auch die Versorgung von Bestandsgebäuden", blickt Schmid voraus. Ottensmeier habe eine Außenwandheizung entwickelt und in einem Pilotprojekt umgesetzt, mit der auch Bestandsgebäude an das neue System angeschlossen werden können. "Ich kann nicht in deren Bausubstanz eingreifen, gerade wenn sie bewohnt sind, aber im Rahmen der energetischen Sanierung muss beispielsweise die Außenwand gedämmt werden. Diese Heizung wird außen an der Wand angebracht, erst dann erfolgt der Auftrag der neuen Dämmung", bringt Schmid es auf den Punkt. Das Außenmauerwerk werde damit auf 23 bis 25 Grad Celsius gebracht. "Die Temperatur können wir ganzjährig halten": Heizen im Winter, abkühlen im Sommer.

Auch in Richtung Gewerbe und Wirtschaft blicken die Erfinder des b-KWN. "Die Industrie hat oft Wärme übrig. Wir müssen es schaffen, einen Kreis zu bilden", sagt Schmid. Das bedeutet auch das Schaffen von Verbindungen hin zur Industrie. "In Fischerbach haben uns die Firma Uma und die Gemeinde bislang wirklich sehr gut unterstützt", lobt er. Ohnehin sei das Planungsbüro darauf ausgerichtet, "keine 08/15-Projekte zu machen. Wir haben immer die Nachhaltigkeit im Blick und arbeiten zukunftsorientiert. Architektur und Energie müssen zusammen gedacht werden."

Schmid ist davon überzeugt, dass dies der richtige Weg ist. "Wir machen in manchen Bereichen Quantensprünge, sehen Sie sich nur die Autoindustrie an. Für Deutschland ist es wichtig, diese Entwicklungen mitzumachen. Wenn jeder sich ausruht und nichts macht, dann passiert im Großen auch nichts." Und für sich selbst befindet Schmid: "Es wäre auch langweilig, immer nur die ausgetretenen Wege zu gehen."

Info: Das bidirektionale Kalt-Wärme-Netz (b-KWN)

>  "Kalte Nahwärme": Sie versorgt Gebäude mit Heizenergie, ohne dass hohe Temperaturen durch die Leitungen bis zum Verbraucher geleitet werden. Das b-KWN ist in der Lage, Energie aus verschiedenen Quellen (Erdreich, Solar und so weiter) aufzunehmen und diese dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen oder in einem Speicher (wie in Fischerbach einem Eisspeicher) einzulagern. Der sogenannte Eisspeicher ist ein Betonbehälter im Erdreich, der mit reinem Wasser gefüllt ist. Er ist durchzogen von Wärmetauschern. "Wenn Wasser gefriert, gibt es Energie ab. Die Energie, die beim Gefrieren  eines Liters  Wasser abgegeben wird, reicht aus, um einen Liter flüssiges Wasser von Null Grad Celsius auf 80 Grad Celsius zu erhitzen", heißt es im Papier der über das System. Die Flüssigkeit wird mit maximal 30 Grad Celsius in die angeschlossenen Gebäude geführt. Dort kommen dann Wärmepumpen zum Einsatz, die der Flüssigkeit Wärme entziehen und mithilfe von Strom das Heiz- und Brauchwasser auf die gewünschte Temperatur anheben. Auch beispielsweise dem Boden entzieht das System Energie, da es unisoliert ist. Im Sommer dient es dazu, die Gebäude zu temperieren, im Grunde also passiv zu kühlen.

>  Zusammenarbeit: Die Mitarbeiter von Innovativ Schmid arbeiten bei diesem Projekt mit Claus-Hermann Ottensmeier von Ottensmeier Ingenieure (Paderborn) zusammen. Auch mit der Hochschule und der Wirtschaftsförderung Karlsruhe bestehen Kooperationen.

 > Patent: Das System soll europaweit patentiert werden. Allerdings ist dagegen kurzfristig Einspruch eingelegt worden.