Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier vor der Badshahi-Moschee in Lahore in Pakistan, einer der größten Moscheen der Welt. Foto: Weit GbR

Drei Jahre lang sind Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier aus Freiburg um die Welt gereist, ohne ein Flugzeug zu benutzen. „Nur so konnten wir Teil der neuen Heimat werden“, sagt Allgaier.

Stuttgart - Patrick Allgaier über die Weltreise mit seiner Freundin Gwendolin Weisser und ihren Kinofilm „Weit“.

Herr Allgaier, mit Ihrer Freundin haben Sie drei Jahre lang die Welt bereist. Was haben Sie dabei über Ihre Heimat erfahren?
Wir haben noch nie so viel über zuhause nachgedacht wie in der Zeit. Aber das ist völlig normal. Wir wollten etwas über die Leute erfahren, die uns etwa mit dem Auto mitgenommen haben. Und die über uns. Wie ist es in Deutschland? Wie ist es im Schwarzwald? Da machst du dir unwillkürlich über deine Heimat mehr Gedanken als daheim.
Die Herkunft reist also im Rucksack mit?
Vor allem am Anfang unserer Reise war das so. Du fragst dich, wie wohl diese oder jene Situation zuhause liefe. Aber mit der Zeit merkst Du, dass es nicht erstrebenswert ist, Kulturen miteinander zu vergleichen. Wir haben beschlossen, dass wir die Dinge so wertzuschätzen wollen, wie sie sind.
Nicht auf alles deutsche Maßstäbe anwenden?
Und nicht alles bewerten. Einfach erkennen, wie vielfältig die Welt ist. Ist doch großartig, dass es so unterschiedliche Heimaten gibt. Deutschland ist nur ein kleiner Teil davon.
Dafür gibt es ein schönes Wort: weltoffen.
Es ist wichtig, die Dinge auf sich wirken zu lassen. Da wir langsam gereist sind, konnten wir Teil der neuen Heimat werden und in den Alltag eintauchen. Wenn du zehn Wochen im Iran bist, spürst du schon, wie sich das Leben für die Leute anfühlt. In dem Moment ist dir diese Heimat näher als deine eigene.
Im Iran, so wirkt das Ihrem Film „Weit“, sind Sie besonders herzlich aufgenommen worden.
Am Anfang waren wir schnell unterwegs und suchten das Abenteuer. Im Iran hat sich die Abenteuerlust ein bisschen gelegt. Wir hatten das Bedürfnis, tiefer in die Kultur einzutauchen. Im Iran war das gut möglich, da die Menschen offen auf Fremde zugehen. Man wird oft nach Hause mitgenommen.
Erschien Ihnen in der Fremde die eigene Heimat manchmal fremd?
Es wird einem zumindest klar, dass man zuhause unter einer Glocke lebt. Dass es viele unterschiedliche Lebensmodelle gibt. Viele Heimaten. Wir haben gelernt, uns über die schönen Dinge zu freuen, die ein Ort zu bieten hat. Und uns nicht darüber zu beklagen, dass es etwas nicht gibt.
Haben Sie für ein Land so etwas wie ein Heimatgefühl entwickelt?
In Sibirien hat es uns wahnsinnig gut gefallen. Und Georgien hat es uns angetan. Das Essen ist traumhaft, die Musik großartig. Georgien ist ein kulturstarkes Land mit alten Burgen und schönen Festen. Aber ich würde keine Kultur hervorheben wollen. Wichtig ist, dass man sich Zeit lässt, um sich in ein Land einzufinden. Deshalb sind wir auch nie mit dem Flugzeug gereist, sondern auf dem Landweg.
Wenn Ihnen mal der Schwarzwald auf den Kopf fällt, ziehen Sie nach Georgien?
Oder nach Mexiko, wo unser Sohn zur Welt kam. Dort könnten wir dauerhaft bleiben, weil Bruno einen mexikanischen Pass besitzt und wir eine Aufenthaltserlaubnis beantragen konnten.
Im Film drängt sich der Eindruck auf, dass die Welt von freundlichen, hilfsbereiten Menschen bevölkert ist. Ein geschöntes Bild?
Es gibt beides, das Gute und das Schlechte, das haben wir in Pakistan erfahren.
Wo Sie unter Polizeischutz reisen mussten.
Ja, die ersten tausend Kilometer. In den Medien wird Pakistan immer als Terroristenhochburg dargestellt. Aber das ist nur ein winziger Teil der Wahrheit. In Pakistan leben 200 Millionen Menschen, wären das alles Terroristen, hätten wir wirklich ein Problem. Wir wollen nichts beschönigen, aber haben es so erlebt.
Die Welt ist also besser als ihr Ruf?
Ich denke schon. Der überwiegende Teil der Menschheit hat das Bedürfnis nach Frieden und Harmonie. Die allermeisten Menschen, denen wir begegnet sind, waren freundlich und neugierig. Uns ging es auch nicht darum, Konflikte aufzuspüren, die man aus den Medien kennt. Wir wollten sehen, wie die Menschen arbeiten, leben, welcher Leidenschaft sie nachgehen.
Im Film heißt es „Heimat ist da, wo hinter jeder Ecke eine Erinnerung lauert“.
Ja, Heimat ist etwas Vertrautes, wo man sich auskennt und wohlfühlt. Wenn ich durch Freiburg laufe, kenne ich jeden Winkel. So ähnlich war das in Mexiko auch, wo wir vier Monate in einem Häuschen gelebt haben. Später reisten wir in einem VW-Bus durch Mittelamerika. Als wir wieder nach Mexiko zurückkamen, um den VW-Bus zu verkaufen, war das wie heimkommen. Die Musik, das Essen, die Menschen, alles war vertraut und mit Erinnerungen gespickt.
Manche Reisenden nehmen von daheim etwas mit, an dem sie sich festhalten können.
Meine Eltern gaben uns ein Familienfoto, das hat sich als geniale Idee erwiesen. Das Foto ist abgegriffen, weil wir es so oft gezeigt haben. Familie ist in vielen Kulturen etwas Zentrales. Erst fragen die Menschen nach dem Namen und ob man verheiratet ist und Kinder hat. Dann wollen sie etwas über die die Eltern und die Großeltern wissen.
Hatten Sie Heimweh?
Die ersten beiden Jahre gar nicht. Klar haben wir unsere Eltern vermisst, aber wir wussten ja, dass wir sie wiedersehen werden. Als Bruno dann in Mexiko zur Welt kam, war das anders. Da hätten wir gern unsere kleine Familie mit der Familie daheim geteilt.
Sie schliefen oft in einem Zweimannzelt. War das ein Stück von daheim?
Das Zelt war ein wichtiger Rückzugsort. Zwar macht es wahnsinnig viel Spaß, mit Menschen zu kommunizieren, aber wenn du nach einem langen Tag, an dem dich viele Autofahrer mitgenommen haben, in die Prärie rausläufst und ins Zelt kriechen kannst, ist das auch schön. In Indien hat uns dieser Rückzugsort gefehlt.
Inwiefern?
Du kannst in diesem dicht bevölkerten Land kein Zelt aufbauen, ohne dass zehn Leute drum herum stehen. Die Menschen haben ein anderes Verständnis von Diskretion als wir. Aber auch das ist ein Resultat ihrer Heimat, das man nachvollziehen kann, wenn man durch Indien reist.
Können Sie versuchen, die Welt in drei Sätzen zu beschreiben?
Die Welt ist besser, als man denkt. Wir haben in allen Kulturen gute, neugierige, offene Menschen getroffen. Natürlich gibt es auch Leute – zum Glück sind es wenige –, die da nicht mitmachen – und leider viel Aufmerksamkeit bekommen.
„Weit“ läuft am Montag, 23. Oktober (20.15 Uhr), in der Kinothek in Obertürkheim und im Delphi (15 und 19.50 Uhr), wo der Film auch am Dienstag, 24. Oktober (15 Uhr), zu sehen ist. Weitere Termine unter www.weitumdiewelt.de/tourplan.