Der Winterkehrt Stuttgart noch nicht den Rücken, der Feinstaubalarm hat weiterhin Bestand. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Winter in Stuttgart bleibt, das Feinstaubproblem auch: Erst Anfang Februar könnte es anders werden, sagt der Meteorologe Klaus Riedl vom Deutschen Wetterdienst

Stuttgart - In der Höhe ist die Luft mild, trocken und sauber, darunter kalt, feucht und schmutzig. Klaus Riedl, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst, erklärt die Lage im Eisschrank Stuttgart.

Herr Riedl, die aktuelle Inversionswetterlage lässt die Feinstaubwerte in Stuttgart auf Rekordwerte steigen. Aber was ist eigentlich eine Inversion?
Eine Umkehr der normalen vertikalen Temperaturverteilung. Das heißt, die Luft in der Höhe ist wärmer als die am Boden, liegt wie ein Deckel auf der bodennahen Kaltluft und verhindert den vertikalen Luftaustausch. Deshalb sammeln sich die Luftschadstoffe in Bodennähe.
Warum entsteht so etwas überwiegend im Winter?
Generell gibt es Inversionswetterlagen zu allen Jahreszeiten, im Sommer aber in viel höheren Lagen als in Stuttgart. Inversion geht ja in den meisten Fällen mit einem Hoch einher. Hochdruckwetterlagen entstehen durch großflächig absinkende Luftschichten. Im Winter hat die Sonne durch ihren flachen Verlauf nicht die Kraft, die abgesunkene Luft so zu erwärmen, dass Thermik entsteht, die einen durchgreifenden vertikalen Luftaustausch möglich macht. Negative Strahlungsbilanz sorgt zusätzlich für eine Verstärkung von bodennahen Inversionen. Dazu kommt, dass ein stabiles Hoch wie das aktuelle auch durch „nahezu Windstille“ gekennzeichnet ist, die Schadstoffe also auch nicht weggeblasen werden können.
Inversion gibt es ja in jedem Winter, aber warum ist sie in diesem Jahr so lang und vor allem im Vergleich zum langjährigen Mittel dabei so extrem frostig?
Der Grund für die Kälte liegt in einer Winterwetterlage, die eher selten ist. Normal bestimmen im Januar oft atlantische Tiefs mit eher relativ milder Luft das Wetter bei uns. Dieses Jahr nahmen die Tiefs aber seit Dezember von der Südspitze Grönlands eine südöstliche Zugrichtung, meist über Skandinavien in Richtung Osteuropa. Die kalte Luft drang dann sozusagen durch die Hintertür aus Nordosten und Osten bei uns ein. Das hat ja auch zum Beispiel zu starken Schneefällen in der Türkei oder jetzt in Mittelitalien geführt. Bei uns ließ diese Luft aus Nordost die Temperaturen ganz tief in den Keller sinken. Und je kälter es ist, desto flacher ist auch die bodennahe austauscharme Luftschicht. Und flacher bedeutet eben auch: mehr Schadstoffe am Boden.
Kann man eine Inversion auch sehen?
Sehr gut sogar. Am besten aus einem Heißluftballon, von dem aus man die Obergrenze der Kaltluft wie einen grauen Deckel in der Atmosphäre erkennen kann. Einfach gesagt – darüber ist die Luft mild, trocken und sauber, darunter kalt, feucht und schmutzig. Aber auch, wenn man bei Sonne vom Fernsehturm aus in den Talkessel schaut, kann man den Deckel auf der Dunstglocke erkennen.
Wie lange haben wir jetzt diese austauscharme Inversionswetterlage schon?
Die Umstellung beim Wetter begann nach dem Orkantief Egon, das vom 12. auf den 13. Januar über uns hinweggezogen ist. Bei dem starken westlichen Wind lagen danach auch die Feinstaubwerte in Stuttgart deutlich unter dem Grenzwert. Danach gab es noch zwei Tage windiges Schauerwetter, aber seit dem 16. Januar hat nun das Winterhoch Brigitta das Sagen. Und das ist wirklich sehr stabil.

Es wird wieder sonniger

Ist das ungewöhnlich?
Das stabile Winterhoch nicht, die sehr niedrigen Temperaturen aber schon. Diese große Kälte ist in der Tat nicht so häufig. Es könnte sein, dass der Januar 2017 in Stuttgart der kälteste seit 1987 wird, also seit 30 Jahren. Und wenn es so kommt, rangiert er unter den Top fünf der vergangenen 56 Jahre. 1987 gab es ja noch keinen Feinstaubalarm, aber die Belastung dürfte auch damals schon über dem Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gelegen haben.
Und wie geht es jetzt mit dem Wetter weiter?
Nach den aktuellen Modellen wird es Richtung Wochenende wieder sonniger. Damit dürften sich auch die Tagestemperaturen langsam ein wenig nach oben bewegen. Am Wochenende könnte es am Tag über null Grad gehen. An der Inversion wird sich allerdings nichts ändern, das Hoch ist weiterhin stabil. Das kann dazu führen, dass es zum Beispiel auf den Fildern am Sonntag vielleicht sogar drei oder vier Grad plus hat, während es im Talkessel um die null herum bleibt. Nachts wird es dagegen eher wieder kälter – zumindest wenn es klar bleibt, könnte es am kommenden Wochenende sogar wieder bis zu minus zehn Grad in Stuttgart geben.
Was bedeutet die Erwärmung am Tag für den Feinstaub?
Leider so gut wie nichts. Die Inversion bleibt ja bestehen, dazu ist auch kein Wind in Sicht. Und da vor allem die Nächte bitter kalt bleiben, wird auch weiter stark geheizt, was zusammen mit dem Verkehr den Feinstaub auch weiter deutlich über dem Grenzwert halten wird. Meteorologisch sind zumindest kurzfristig keine Entwicklungen in Sicht, die ein schnelles Ende der Wetterlage ankündigen würden. Allerdings tut sich weit draußen auf dem Atlantik langsam etwas. Seit Langem entstehen da wieder Tiefdruckgebiete. Und wenn die sich in Richtung Westen in Bewegung setzen und hier ankommen, ist es schnell vorbei mit extremer Kälte, Trockenheit und Windstille – und dann auch mit dem Feinstaub. Aber das wird wohl nicht vor Anfang Februar der Fall sein.