36 mal wurde der Grenzwert für Feinstaub am Neckartor 2014 überschritten. Foto: dpa

Viel Sonne ist toll. Oder? Stuttgarts Chef-Stadtklimatologe Ulrich Reuter führt die häufigen Wetterlagen mit wenig Luftaustausch und wenigen Niederschläge an als Mitgrund für die hohe Feinstaubbelastung an. Maßnahmen wie das Jobticket sollen Abhilfe schaffen.

Viel Sonne ist toll. Oder? Stuttgarts Chef-Stadtklimatologe Ulrich Reuter führt die häufigen Wetterlagen mit wenig Luftaustausch und wenigen Niederschläge an als Mitgrund für die hohe Feinstaubbelastung an. Maßnahmen wie das Jobticket sollen Abhilfe schaffen.

Stuttgart - Der Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter im Tagesmittel wurde bis zum 18. März an 36 Tagen überschritten. Die Europäische Union gestattet aber nur 35 Tage pro Jahr – sonst müssen Kommunen mit einem Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen gegen die winzigen Partikel ergreifen, die die menschliche Gesundheit gefährden.

Stuttgart vor Berlin auf "Platz eins
"

Hinter Stuttgart rangiert im Bundesgebiet Berlin mit einer Messstation weit oben. Dort wurde das zulässige Maß – allerdings bis Mitte April – an 33 Tagen überschritten.

Stuttgart ist wegen der Kessellage und des starken Autoverkehrs besonders belastet. Der Chef-Stadtklimatologe der Landeshauptstadt, Ulrich Reuter, führte als Grund zudem die häufigen Wetterlagen mit wenig Luftaustausch und die wenigen Niederschläge an. Der Regen habe den Feinstaub selten ausgewaschen und an die Erde gebunden.

Die Zahl sei bedenklich, eine Prognose für das Restjahr jedoch nicht möglich, sagte Reuter. In der Regel gebe es Überschreitungen der Feinstaubgrenzwerte schwerpunktmäßig in den vier Monaten vor und nach dem Jahreswechsel, weil dann geheizt werde und es besonders wenig Luftaustausch gebe.

Auch leicht positive Trends erkennbar

Bei der Belastung müsse man zwischen dem Tagesmittel und dem Jahresmittel unterscheiden. Bei Letzterem sei der Grenzwert seit 2011 in Stuttgart eingehalten worden. „Einiges zum Positiven gewendet hat sich auch beim Stickoxid“, sagte Reuter. Das gelte besonders für die Hohenheimer Straße, wo die Autos weniger Schadstoffe ausstoßen, seit bergauf ein Tempo-40-Gebot gilt.

2013 sei der Stundengrenzwert 21-mal und damit dreimal öfter als erlaubt überschritten worden. 2012 gab es 196 Fälle. Am Neckartor habe man pro Jahr noch 63 bis 69 Überschreitungen verzeichnet – vor den Maßnahmen mit strenger Tempokontrolle waren es mehr als 800 pro Jahr.

Stuttgarts OB Fritz Kuhn hatte zu Beginn seiner Amtszeit Anfang 2013 den Kampf gegen Feinstaub als eine seiner Hauptaufgaben bezeichnet. Dafür möchte er den Autoverkehr im Innenstadtkessel um 20 Prozent reduzieren. Der Auto Club Europa (ACE) in Stuttgart hielt Kuhn am Dienstag nun vor, es hapere bei der Umsetzung. „Da ist noch Luft nach oben.“ So müssten die Fahrradwege ausgebaut und mehr Umsteigerparkplätze bei Bahnstationen geschaffen werden.

Maßnahmen wie Jobticket sollen helfen

Ein Sprecher der Stadt verwies umgehend auf diverse Maßnahmen. Die Einführung eines Jobtickets für städtische Bedienstete helfe, den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu fördern. Andere Arbeitgeber würden angeregt. Weitere Maßnahmen seien Verbesserungen im Rad- und Fußgängerverkehr sowie die geplante Ausdehnung des Parkraummanagements vom Stuttgarter Westen auf weitere Innenstadtbezirke.

Tatsache ist auch: In keinem Bundesland gibt es so viele Umweltzonen mit Fahrverboten für ältere Autos mit großem Schadstoffausstoß wie in Baden-Württemberg: nämlich rund 25 Umweltzonen, davon einige in der Region Stuttgart. Die Wirkung ist allerdings nach wie vor umstritten.

Ulrich Reuter rechnet damit, dass bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Stuttgart durch das Regierungspräsidium mindestens weitere Parkraumregelungen sowie Tempo-40-Gebote auf Steigungsstrecken Eingang finden. Bis Oktober solle das geschehen, nachdem ein Kläger vor Gericht einen Teilerfolg erzielt hatte. Er halte es für sinnvoll, sagte Reuter, die Neuerungen abzuwarten und ihre Wirkung zu bewerten.