CSU-Chef Horst Seehofer Foto: dpa

Freunde hat sich Horst Seehofer mit seiner neuen Skepsis gegen den Stromnetzausbau nicht gemacht. Von den Grünen bis zu EU-Kommissar Günther Oettinger - es hagelt Kritik.

Freunde hat sich Horst Seehofer mit seiner neuen Skepsis gegen den Stromnetzausbau nicht gemacht. Von den Grünen bis zu EU-Kommissar Günther Oettinger - es hagelt Kritik.

Berlin - CSU-Chef Horst Seehofer zieht mit seinem Ruf nach einem Planungsstopp für große Stromtrassen in den Süden massive Kritik auf sich. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte Seehofer einen "feigen Populisten".

"Gerne will die CSU für die Energiewende sein, aber wenn es um unangenehme Themen geht, wird populistisch dagegen geschossen", sagte er der "Rheinischen Post". Die für die Steuerung des deutschen Stromtrassenausbaus zuständige Bundesnetzagentur betonte am Donnerstag, es gebe trotz der geplanten Ökostrom-Reform mit einer Drosselung des Windausbaus keinen Bedarf für eine "grundsätzliche Strukturänderung" der Stromnetzausbaupläne.

Bayern will Bedarf erneut prüfen

Die bayerische Staatsregierung um Ministerpräsident Seehofer argumentiert, durch die Reform ändere sich die Geschäftsgrundlage, es müsse geschaut werden, wie viel Bedarf es an Höchstspannungstrassen überhaupt noch gebe. In dem jährlich festzulegenden Szenariorahmen würden die Pläne ohnehin laufend überprüft, sagte hingegen eine Sprecherin der Netzagentur. Bislang sei es aber nur zu Anpassungen in Randbereichen gekommen. So wurde eine Maßnahme zur Netzverstärkung in Baden-Württemberg nicht mehr als notwendig erachtet, sagte sie.

Im Netzentwicklungsplan hätten die Netzbetreiber 90 Maßnahmen aufgeführt, davon seien 56 von der Bundesnetzagentur als vordringlich eingestuft worden. Wichtigstes Kriterium sei die Auslastungsgrenze von mindestens 20 Prozent, sagte die Sprecherin. Vom Norden und Osten sind drei große Trassen in den Süden geplant, die längste soll der insgesamt 800 Kilometer lange "SuedLink" werden. In Bayern gibt es Proteste, nachdem mögliche Trassenverläufe bekannt geworden sind.

Kritik kommt auch aus Brüssel

Auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) kritisierte die Bedenken der bayerischen Regierung. In Bayern gingen "in den nächsten Jahren große Kernkraftwerke vom Netz", sagte Oettinger der "Welt". "Die Leitungen sind notwendig - und zwar sehr schnell." Oettinger rief Seehofer zum Einlenken auf. "Wenn er den Bau der Stromtrassen ermöglicht und mitwirkt, dass die Akzeptanz steigt, ist das sehr willkommen", sagte der CDU-Politiker. Zugleich forderte er eine enge Einbindung der Bürger in den Netzausbau. In den nächsten Monaten sollen die möglichen Trassenverläufe mit den Bürgern erörtert werden.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, es wäre gut, wenn sich Seehofer an die von ihm mitgetragenen Beschlüsse im Bundesrat erinnern würde. Sie befürchte zwar keine Verzögerung beim Ausbau des Stromnetzes. "Aber ich sehe die Gefahr, dass durch dieses Verhalten alle Beteiligten verunsichert werden."

Der "SuedLink" soll von Schleswig-Holstein nach Bayern führen. Als zweites Großprojekt ist eine 450 Kilometer lange Trasse zwischen Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) und Meitingen (Bayern) geplant. Das dritte Großprojekt ist eine rund 500 Kilometer lange Trasse von Emden über Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nach Philippsburg in Baden-Württemberg. Hierzu gibt es aber noch keine Trassenvorschläge.

Als Gesamtkosten werden mindestens zehn Milliarden Euro für insgesamt 36 Ausbau- und Netzverstärkungsprojekte veranschlagt. Insgesamt sollen 2800 Kilometer neu gebaut und 2900 Kilometer optimiert werden.