Die Idee einer Mondbasis ist nie ad acta gelegt worden. Foto: Fotolia

Eine Besiedlung des Erdtrabanten ist denkbar. Doch schon der Bau einer kleinen wissenschaftlichen Basis wäre schwierig und teuer.

Eine Besiedlung des Erdtrabanten ist denkbar. Doch schon der Bau einer kleinen wissenschaftlichen Basis wäre schwierig und teuer.

Stuttgart - Auf dem Mond leben? Das wäre ein Traum. Seit Jahrhunderten wünscht sich der Mensch, den Erdtrabanten zu besiedeln. Der französische Schriftsteller Jules Verne beschrieb bereits 1870 in seinem Buch „Die Reise zum Mond“, wie wagemutige Männer sich dorthin aufmachen. Eine 270 Meter lange gusseiserne Kanone, angetrieben von Schießbaumwolle, katapultiert sie ins All. Das Entdeckertrio hofft gar, sich auf dem Mond einzurichten und mit den Bewohnern zu verständigen. Dazu kommt es nicht, der Himmelskörper wird nur umrundet.

Erst 100 Jahre später, im Juli 1969, sollte Vernes Vision Wirklichkeit werden. Neil Armstrong und Edwin „Buzz“ Aldrin steuerten ihre Mondfähre Eagle (auf Deutsch: Adler) in das Mare Tranquilitatis, das Meer der Ruhe. Weitere zehn amerikanische Raumfahrer besuchten seitdem den staubigen Himmelskörper, aber seit Dezember 1972, mit der Rückkehr von Apollo 17, zieht der Erdtrabant seine Bahn in großer Einsamkeit.

Die Idee einer Mondbasis ist trotzdem nie ad acta gelegt worden. Doch wie realistisch ist das? Wann könnte eine bemannte Siedlung eröffnet werden? Was bedeutet es, auf dem lebensfeindlichen Himmelskörper langfristig eine Behausung zu errichten? Ein Blick in die Glaskugel soll erlaubt sein. Einer, der das beruflich macht, ist Ralf Jaumann, stellvertretender Direktor für Planetenforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin.

Eine Basis auf dem Erdtrabanten könnte nach Einschätzung des Weltraumexperten so aussehen: Wir schreiben das Jahr 2049. Gerade noch rechtzeitig zum 80-Jahr-Jubiläum der ersten Mondlandung ist Lunar 1 fertiggestellt worden, ein Labor zu rein wissenschaftlichen Zwecken. Bewohnt wird es von drei Astronauten: einem Amerikaner, einem Chinesen und einem Russen.

Nur die Harten halten die Isolation aus

Die Basis in Form einer langen Röhre bietet wenig wohnliche Annehmlichkeiten. Der größte Teil der Struktur liegt unterhalb der Oberfläche, verborgen unter Gestein und Staub. Der Einstieg erfolgt über eine Luke, ähnlich wie bei einem U-Boot. Kein Fenster gibt den Blick auf die Sterne frei. So werden die Bewohner vor dem sicheren Tod bewahrt, dem sie ohne eine schützende Hülle preisgegeben wären. Der Mond hat keine Atmosphäre und ist einem permanenten Bombardement von Sonnenwinden, kosmischer Strahlung und Meteoriten ausgesetzt. Tagsüber herrschen 120 Grad Celsius, nachts fällt das Thermometer auf minus 170 Grad.

„Vieles erinnert an Forschungsstationen, wie sie Ende des 20. Jahrhunderts in der Antarktis auf der Erde errichtet wurden“, erläutert Jaumann. Nicht schön, aber praktisch. Die Physiker, Chemiker und Ingenieure, die Dienst auf dem Mond machen wollen, müssen harte Burschen oder Frauen sein, sonst ist die Isolation nicht auszuhalten. „Sauerstoff für die Basis könnten sich die Bewohner aus Regolith holen“, sagt Jaumann. Der Staub, der große Teile des Mondes bedeckt, hält viele Elemente auf Vorrat, die für das Dasein notwendig sind. Die oberen Schichten des Mondgesteins bestehen zu etwa 40 Prozent aus Sauerstoff, der sich aus dem Regolith extrahieren, also herausziehen lässt. Die Versorgung mit Elektrizität, die unter anderem für die Produktion der Atemluft benötigt wird, garantieren derweil große Felder mit Fotovoltaikzellen, die man auf der Oberfläche errichten kann.

Doch selbst wenn die Station kaum größer wäre als ein Einfamilienhaus, ist der Transport des Materials das schwerwiegendste Problem. Jedes Kilo, das von der Erde ins All geschossen wird, kostet viel Treibstoff und Geld. Jaumann kann sich vorstellen, dass daher der Internationalen Raumstation (ISS) eine Renaissance bevorsteht: „als Baustelle im Weltraum“. Die Röhre, in der die Forscher auf dem Mond leben sollen, könnte von der Erde nach und nach in Einzelteilen ins All gehievt, auf der ISS mit anderen Bauelementen vereinigt und erst dann weiter Richtung Mond geschickt werden. Aber was wollen Forscher auf dem Mond?

Aufbau einer Mondbasis würde mindestens zehn Jahre dauern

Wissenschaftlich bietet der Mond spannendes Terrain. Wir Menschen kennen den Himmelskörper, der uns nachts begleitet, kaum, obwohl er unser nächster Begleiter im All ist. Wie alt ist der staubige Geselle, der die Gezeiten in den Weltmeeren auslöst? Wie ist er aufgebaut? Welche Elemente finden sich an der Oberfläche? Und welche im Inneren? Wie ist sein Kern aufgebaut? Und ist der Mond tatsächlich ein Kind der Erde?

Nach der gängigen Theorie soll vor 4,5 Milliarden Jahren ein Koloss so groß wie der Mars die Ur-Erde gerammt haben. Riesige Mengen glühender Gesteinsbrocken wurden nach der kosmischen Katastrophe ins All geschleudert. Sie verklumpten nach und nach und bildeten den Mond. Eine der wichtigsten Aufgaben eines bemannten Labors könnte es sein, solche Fragen aufzulösen.

Der Aufbau der Mondbasis würde nach Jaumanns Einschätzung mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen. Aber wer soll den Außenposten bezahlen? Etwa dreimal so teuer wie die ISS könnte die Mondbasis werden, schätzt er. Zur Erinnerung: Für die Raumstation, die in 400 Kilometer Höhe die Erde umrundet, mussten etwa 100 Milliarden Euro aufgebracht werden. „Das macht deutlich, keine Nation könnte das Projekt einer Besiedlung des Mondes allein finanzieren“, so der Planetenforscher.

Unlösbare Probleme tun sich auf

Soll die Neueroberung des Mondes der Wissenschaft vorbehalten sein? Bestsellerautor Frank Schätzing hat in seinem Roman „Limit“ beschrieben, wie in nicht allzu ferner Zukunft das Heliumisotop Helium-3 auf dem Mond gefördert wird, das Fusionskraftwerke auf der Erde antreibt. Tatsächlich stecken im Boden des Trabanten große Mengen des auf der Erde extrem seltenen Edelgases. „Für eine wirtschaftliche Ausbeutung der Bodenschätze auf dem Mond sehe ich aber keine Chance“, sagt Jaumann.

Warum? Weil es in absehbarer Zeit nicht rentabel erscheint. Und weil sich – anders als bei einer wissenschaftlichen Mission – unlösbare Probleme auftun. Wie soll ein riesiger Bagger oder anderes schweres Gerät zum Abbau großer Gesteinsmengen zum Mond geflogen, dort montiert und schließlich betrieben werden? Wie sollen die Rohstoffe zurück zur Erde transportiert werden? Wo leben künftige lunare Bergmänner? Ganz abgesehen von den Transportkosten. Hinzu kommt: Seit Jahren werden weltweit in großem Stil Metall und andere wertvolle Materialien wiederverwertet, etwa Iridium, das in jedem modernen Handy steckt und auch auf dem Mond vorkommt. Und das Recycling kommt deutlich billiger als der Abbau auf dem Mond.

Überhaupt: Dürfte auf dem Mond jeder, der will, die Schaufel auspacken? Dazu ein Blick in den „Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper“ – kurz Weltraumvertrag. Darin heißt es sinngemäß: Der Weltraum gehört allen und keinem. Initiiert wurde der Pakt 1967 von den UN. Einig waren sich die Unterzeichner, dass kein Land sich Hoheitsrechte an Teilen des Weltraums aneignen darf – also auch nicht am Mond.

Für Rohstoffe gilt allerdings eine besondere Regelung. Im Vertrag steht, die Erforschung und Nutzung des Alls solle zum Vorteil und im Interesse aller Länder wahrgenommen werden. Übersetzt bedeutet das: Ausbeutung von Rohstoffen ja, Aneignung von Gebieten nein. Dennoch: Bis die ersten Raketenlaster mit Tonnen seltener Metalle vom Mond zur Erde fliegen, wird noch viel Zeit vergehen.

Streifzug zum 385.000 Kilometer entfernten Ausflugsziel Mond

Anders sieht es im Tourismus aus. „Es gibt etliche Menschen, die sehr, sehr viel Geld für einen kurzen Ausflug in die Antarktis ausgeben, das ist für den Mond genauso vorstellbar“, sagt Jaumann. Das Beispiel ISS hat gezeigt, dass so etwas funktioniert: Mehr als 20 Millionen Euro musste der US-Milliardär Dennis Tito im Jahre 2001 hinlegen, um als erster Weltraumurlauber in die Geschichte einzugehen. Fünf Männer und Frauen haben es ihm seither nachgemacht.

Was macht ein steinreicher Privatier, der für ein paar Tage zum Mann im Mond werden will? Er ruft bei der US-Firma Space Adventures an, die ihr Geld mit Reisen ins All verdient. Wer will, kann einen Streifzug zu dem 385 000 Kilometer entfernten Ausflugsziel Mond reservieren. Space Adventures besitzt selbst keine Raketen, das Unternehmen bewirbt das exklusive Vergnügen, sucht Kundschaft und organisiert das Training. Partner ist Roskosmos, die russische Weltraumbehörde. In ihrem Trainingszentrum bei Moskau, dem sogenannten Sternenstädtchen, sollen die Mondtouristen dann auf die Strapazen vorbereitet werden.

Denn ein Spaziergang ist der Urlaub in der Schwerelosigkeit nicht. Immer zwei Passagiere sollten an Bord sein, damit der Flug sich überhaupt rechnet. Ein Kosmonaut würde seine Begleiter Richtung Erdumlaufbahn fliegen. Dort könnte die Kapsel dann an eine größere Transferstufe andocken, die zuvor unbemannt ins All geschickt wurde. Darin würden die Raumfahrer eine luxuriösere Umgebung für die achttägige Reise vorfinden. Eine Landung auf dem Mond ist aber nicht vorgesehen, dafür könnten die Touristen die Rückseite des Himmelskörpers bei mehreren Umrundungen bewundern.

Die unvergleichliche Aussicht, die bislang nur eine Handvoll Menschen genießen durften, hat allerdings ihren Preis. Umgerechnet knapp 110 Millionen Euro werden verlangt. Puh! Für die meisten dürfte das doch etwas zu kostspielig sein.