Francesco Difonzo bei der Arbeit im Leonberger Krankenhaus Foto: factum/Weise

Deutschland braucht Fachkräfte. Die Unternehmen suchen intensiv – auch im Ausland. Die Stuttgarter Nachrichten begleiten eine solche Anwerbung und die beteiligten Menschen ein Jahr lang. Heute: Krankenpfleger Francesco Difonzo spricht über das Leben in Deutschland.

Stuttgart - Im Januar kommen 14 italienische Pflegekräfte in die Region Stuttgart. Der Klinikverbund Südwest, der Häuser in den Landkreisen Böblingen und Calw betreibt, hat sie in ihrem Heimatland angeworben. Krankenpfleger Francesco Difonzo hat diesen Weg bereits vor zweieinhalb Jahren beschritten. Er berichtet über seine Erfahrungen in Deutschland und am Leonberger Krankenhaus.

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Herr Difonzo, Sie leben jetzt seit zweieinhalb Jahren in Deutschland. Fühlen Sie sich hier inzwischen zuhause?
Ich bin im Moment sehr zufrieden. Ich fühle mich integriert und kann mich nicht beklagen – außer über das Wetter.
Wie groß sind die Mentalitätsunterschiede zwischen Italienern und Deutschen?
Die sind schon vorhanden. Deutsche machen sich mehr Stress im Alltag, sie denken viel an die Arbeit. Abends zum Beispiel unternehmen sie unter der Woche weniger. In Italien geht man aus, auch wenn man am nächsten Morgen raus muss. Am Wochenende allerdings ist das in beiden Ländern sehr ähnlich.
Macht Ihnen diese Zurückhaltung Kontakte zu Einheimischen schwerer?
Ich bin tatsächlich mehr mit anderen Italienern unterwegs. Zu Deutschen habe ich weniger Kontakte, außer zu den Kollegen natürlich. Mir wurde vorher schon gesagt, dass es hier schwerer ist, Freundschaften zu schließen. Es kommt aber immer auf die jeweilige Person an. Es gibt auch Deutsche, die wie Italiener sind.
Im Krankenhaus arbeitet man mit Menschen, muss sowohl mit Patienten als auch Kollegen zurechtkommen. Sie sprechen exzellent Deutsch. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, die Sprache so schnell zu lernen?
Ich bin gar nicht zu hundert Prozent zufrieden mit mir. Man lernt schließlich nie aus. Aber ich komme gut zurecht. Der Sprachkurs am Anfang war hart. Wir haben monatelang montags bis freitags jeweils acht Stunden lang Deutsch gelernt. Wir waren 13 Italiener und acht Portugiesen, da musste man untereinander auch Deutsch sprechen, um klarzukommen. Das ging am Anfang zäh, wurde aber mit der Zeit immer besser.
Wie haben die Patienten auf Sie reagiert, als Sie neu waren?
Die Leute loben mich immer dafür, dass mein Deutsch so gut sei für die kurze Zeit, die ich hier bin. Nur mit dem Schwäbischen habe ich am Anfang Probleme gehabt. Das kann man nicht aus Büchern lernen. Ich habe öfter die Leute gebeten, zu wiederholen, was sie gesagt haben, oder es noch mal auf Hochdeutsch zu sagen. Die Patienten waren immer geduldig mit mir. Ich habe mich bemüht, höflich und nett zu sein, dann behandeln einen die Leute genauso.
Haben die Kollegen im Krankenhaus Sie unterstützt?
Ja, sie haben mir viel geholfen. Nicht nur mit der Sprache, sondern auch mit den Abläufen. Speziell die Weiterversorgung der Patienten funktioniert in Deutschland anders als in Italien. Dort kommen die Leute schneller zurück nach Hause, weil die Angehörigen sich in der Regel um sie kümmern. Und die Kollegen haben mir sogar ein Fahrrad geschenkt, damit ich beweglicher bin.
Warum haben Sie sich überhaupt entschieden, nach Deutschland zu gehen?
Der Hauptgrund war die Lage am italienischen Arbeitsmarkt. Es wird dort immer schlimmer. Viele gut ausgebildete junge Leute sind gezwungen, ihr Glück im Ausland zu suchen. Es gibt dort keine Zukunft. Krankenpfleger ist in Italien kein Ausbildungsberuf, sondern erfordert ein dreijähriges Studium. Nach dem Abschluss habe ich mich ein halbes Jahr lang beworben, aber es gab keinerlei Möglichkeiten. Als ich im Internet die Anzeige des Klinikverbundes Südwest und seiner Partnerorganisation gesehen habe, ist in mir der Plan gereift, ins Ausland zu gehen. Wo ich lande, war mir egal, aber ich bin ein zielstrebiger Mensch und wollte das konsequent durchziehen. Mir war einfach wichtig, arbeiten zu können.
Haben Sie Heimweh?
Ich habe 23 Jahre lang bei meiner Familie gelebt, da fällt einem der Abschied schon schwer. Allerdings ist man heutzutage mit dem Flugzeug in zwei, drei Stunden überall in Europa. Im Urlaub fliege ich öfter nach Hause. Weihnachten werde ich zum Beispiel mit meiner Familie feiern, da werden wir an die 30 Leute sein. Außerdem sind mich meine Brüder und meine Eltern schon mehrmals besuchen gekommen. Und mit dem Internet kann man leicht Kontakt halten.
Wie hat Ihre Familie reagiert, als Sie Ihren Entschluss gefällt haben?
Meine Mutter hat sich nicht gerade gefreut. Mein Vater allerdings hat mich sehr unterstützt. Er hat selbst schon einmal für zwei Jahre in Hamburg gearbeitet und will die Erfahrung nicht missen. Halb im Spaß sagt er jetzt immer mal wieder, dass er selbst noch einmal Lust hätte, nach Deutschland zu kommen. Und mein großer Bruder ist in einem Jahr mit dem Medizinstudium fertig. Für ihn stellt sich tatsächlich die Frage, ob er zur Spezialisierung ins Ausland geht.
Sie sind inzwischen auch in anderer Hinsicht ein Vermittler zwischen beiden Ländern. Als der Klinikverbund jüngst zur Anwerbung von 14 neuen Pflegekräften in Neapel war, sind Sie mitgereist, um die Fragen der Bewerber vor den Vorstellungsgesprächen zu beantworten und Ihre Erfahrungen zu schildern. Was wollten die Leute wissen?
Sie waren sehr aufgeregt. Viele haben gefragt, wie der Alltag auf der Station ist und ob die Teamarbeit funktioniert. An der fehlt es in Italien manchmal. Manche wollten auch wissen, ob man mit dem Gehalt klar kommt. Einige haben mich nach der Auswahl auch übers Internet kontaktiert und gefragt, was sie alles in den Koffer packen müssen. Insgesamt waren die Leute aber gut informiert. Toll finde ich, dass diese Gruppe am Anfang bei Gastfamilien wohnen wird und nicht im Hotel. So hat man besser die Möglichkeit, Deutsch zu sprechen. Das hätte mir auch gefallen.
Haben Sie Ihre neue Heimat auch schon ein wenig erkundet?
Natürlich. Ich war häufig in Stuttgart, dazu in Frankfurt, Tübingen, Heidelberg oder München. Dort mit einem meiner Brüder schon drei Mal auf dem Oktoberfest – jedes Jahr einmal. Ich habe sogar eine Lederhose.
Nach den Erfahrungen, die Sie bisher gemacht haben: Ist es für Sie denkbar, für immer in Deutschland zu bleiben?
Wenn ich weiter mit meiner Arbeit und meinem Leben hier zufrieden bin, kann ich mir das vorstellen. Langfristig ist mein Ziel, eine eigene Familie zu gründen.