Martina Hehl und eine ihre Lieblingsarbeiten: eingefangene Nachdenklichkeit. Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Künstlerin im Verborgenen: Martina Hehl ist in der Kunstszene ganz neu, aber schon lange lebt sie ihre Kreativität aus

Von Peter Morlok

Eutingen-Göttelfingen. Martina Hehl, die (bislang) unbekannte Künstlerin, ist sicher seit ihrer allerersten Ausstellung, die seit Juni in der Volksbank Horb zu sehen ist, die Entdeckung des Jahres in der bunten Kunstszene der Gegend.

Die Bildsprache ihrer Porträts ist bestechend präzise und ihre Plastiken spiegeln geradezu die Seele der Personen wider, die die Menschenfängerin Martina Hehl irgendwann einmal gesehen und fotografiert hat.

Bis das Bild fertig auf dem Malkarton ist oder die Plastik in ihrer Dreidimensionalität steht, vergeht in der Regel viel Zeit. Ob sie nun mit Pastellkreide, Bleistift, Ton oder aktuell mit Gips arbeitet, spielt in erster Linie eine untergeordnete Rolle – wichtig sind ihr, dass die Proportionen stimmen, die Lichtführung passt, dass die Gesten und der Blick der Augen, die mehr erzählen können als noch so viele Worte, fein herausgearbeitet sind. Ein Blick in das Gesicht der Porträts der meist älteren Personen, die sie zeichnet oder malt, und es scheint, als ob sich deren ganzes Leben öffnet. Sie haucht ihren Arbeiten eine Lebendigkeit ein, die nie überzeichnet künstlich wirkt und gibt ihnen den Spirit, der nur in der ganz intensiven Auseinandersetzung mit der Situation, der Momentaufnahme, entstehen kann. Man spürt den Respekt der Künstlerin vor dem Modell und der Geschichte, die darin versteckt ist. Martina Hehl ist keine Hauruck-Künstlerin und lässt sich und ihren Werken genau die Zeit, die es braucht, um irgendwann sagen zu können: "So jetzt passt’s, so habe ich mir das vorgestellt."

Deshalb arbeitet sie auch nur mit trockenen Farben oder mit Modelliermaterial, die ihr die Chance auf eine langsam fortschreitende Entstehung der jeweiligen Arbeit lassen. Dabei gilt ihre aktuelle Liebe mehr ihren Plastiken. "Da bin ich näher dran – ich kann die raue Oberfläche berühren, haptisch das Material begreifen, Werkzeugspuren hinterlassen und meinen Figuren meine Handschrift mitgeben."

Die Ehefrau des in Göttelfingen lebenden Malers Wolfgang Hehl führt schon seit langem dieses künstlerische Eigenleben, das sie bis vor zwei Monaten jedoch recht erfolgreich vor der Öffentlichkeit verstecken konnte. Selbst enge Freunde wunderten sich, als sie erfuhren, dass Martina Hehl ebenfalls künstlerisch aktiv ist und derzeit einige ihrer Werke ausstellt.

Es ist jedoch überhaupt kein Wunder, dass von ihren kreativen Ambitionen bislang kaum jemand etwas mitbekam. Besucht man die Hehls in ihrem Privathaus, wird man zuallererst von der Präsenz des Hausherren gefangen genommen. Durch die offene Terrassentür geht’s direkt in sein Atelier. Er arbeitet dort ständig an mehreren Bildern gleichzeitig und dies mit dieser opulent verschwenderischen Maltechnik, für die er bekannt ist. Bemalte Wände um die Bilder herum, ein bemalter Maler, von dem kürzlich ein Kind sagte: "ich kenn einen, der malt sogar auf seiner Hose" lassen wenig Raum, um darüber nachzudenken, ob nicht auch die Frau des Hauses irgendeine künstlerische Ader auslebt. Martina Hehl macht zudem um ihre Kunst kein großes Brimborium. Sie macht sie einfach. Sie genießt diese Symbiose der Kreativität, in der sie mit ihrem Mann zusammenlebt. Hier muss nichts passieren, aber alles kann. "Ich habe Zeit mich auszutoben", gesteht sie. Zeit, die die Autodidaktin nutzt, um zu probieren, zu scheitern und sich nicht entmutigen zu lassen, wenn auch mal was zusammenkracht.

Kein Kunststudium beim berühmten Professor Dingsbums verstellt ihr den Weg zu ihrer ganz eigenen, vielschichtigen Interpretation des Seins. Sie, die eigentlich unheimlich gerne Bildhauerin geworden wäre, jedoch nach dem Abi zwei Berufe, die wenig Raum für kreative Gestaltung boten, erlernte, hat inzwischen ihre Mitte, aus der sie heraus agiert, gefunden. Neben ihrer künstlerischen Arbeit schöpft sie Kraft aus ihrem Hobby, dem Qigong. Sie sieht in dieser jahrtausendealten Heilgymnastik eine Parallele zu ihrer kreativen Seite. Es treffen sich zwei Welten, die etwas reduzieren, es auf einen Punkt bringen. Was bleibt, das ist das Wesentliche – in der Kunst oder in der Bewegung. Malen, Modellieren und Qigong gehören für sie zusammen. Es sind tiefe innere Vorgänge die irgendwann sichtbar werden.

Und darüber, ob das nun Kunst ist, was da im Dachgeschoss oder im Keller des Göttelfinger Hauses entsteht, darüber braucht sich Martina Hehl wirklich keine Gedanken zu machen.

Der Freiburger Kunsthistoriker Christoph Schneider brachte kürzlich die Gretchenfrage "was ist eigentlich Kunst" während einer Diskussionsrunde im Horber Kloster auf einen ganz einfachen Nenner. "Kunst ist das, was gefällt", stellte der Mitherausgeber des Kunstmagazins "artline" ultimativ fest. Und da die Arbeiten von Martina Hehl gefallen, sind sie Kunst. So einfach kann das Leben sein.