Heimatgeschichte: 150 Jahre Krämermarkt in Eutingen (I) / Verkauf von Vieh einst eine ertragreiche Einnahmequelle

Eutingen hat 150 Jahre Marktrecht, was beim Krämermarkt am Dienstag, 4. Oktober, gefeiert wird. Anlässlich des Jubiläums wird die Verwaltung vor dem Rathaus Sitzgelegenheiten aufstellen, damit die Besucher verweilen können.

Eutingen. Ortshistoriker Willi Schaupp hat zum Anlass "150 Jahre Marktrecht" geforscht und veröffentlicht Ergebnisse:

Eigentlich ist es selbstverständlich: Am letzten Dienstag im Februar und am ersten Dienstag im Oktober ist in Eutingen Markttag. Der Marktstraße hat dieses Ereignis den Namen gegeben.

Regelmäßig taucht die Frage auf: Seit wann ist Eutingen "Marktflecken"? Die Antwort suchte Schaupp in Archiven und Chroniken vergeblich. Es sei keine Urkunde über die Verleihung eines frühen Marktrechtes vorhanden; jedoch werde Eutingen immer wieder Marktflecken genannt.

Hinweise zum Marktrecht gibt die Pfarrchronik Baisingen, begonnen 1862 von Pfarrer Franz Michael Walter. Sie enthält aus historischen Gemeinsamkeiten viele Ereignisse aus der Geschichte Eutingens und des Ritterguts Eutingertal. Kirchlich war Baisingen bis zur Erhebung zur selbständigen Pfarrei im Jahr 1818 eine Filialkirche der Eutinger Pfarrei St. Stephanus.

Der ritterschaftliche Ort Baisingen gehörte Jahrhunderte lang denselben Adelsfamilien wie das Rittergut Eutingertal. Die Baisinger Chronik berichtet, dass nach der Brandkatastrophe von 1685 die Marktgerechtigkeit nach Ergenzingen verlegt wurde.

Rindviehzucht in sehr gutem Zustand

Offiziell erhielt Ergenzingen das Marktrecht 1789. In einem Schreiben von 1876 weist der Gemeinderat Eutingen darauf hin, dass ein Marktrecht bis 1685 bestanden habe und die Abhaltung von Krämermärkten bis 1866 unterbrochen war – allerdings ohne Hinweis, ob der Markt an einen anderen Ort verlegt wurde. Doch weitere Angaben in der Baisinger Chronik, dass in Eutingen 1862 ein Viehmarkt und ab 1866 auch ein Krämermarkt stattfindet, stimmen mit den Eutinger Archivquellen überein.

In der Beschreibung des Oberamts Horb von 1865 ist nachzulesen, dass sich die Rindviehzucht in sehr guten Zustand befand und der Handel mit gemästeten Ochsen, wie auch mit anderem Vieh, eine ertragreiche Erwerbsquelle der Eutinger bildete. Erwähnt wird die namhafte Schweinezucht, die nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch für den Verkauf betrieben wurde. Auch Hühner, Gänse, Enten und Tauben waren für den Verkauf bestimmt.

So begann das Marktgeschehen in Eutingen mit einem Rindvieh- und Pferdemarkt im Februar 1862. Ein Michaeli-Markt im September wurde von der Regierung abgelehnt mit der Begründung, dass von Mitte September bis Ende Oktober mehrere Viehmärkte in der Umgebung seien.

Von einem Krämermarkt war im ersten Marktjahr nicht die Rede. Die Gemeinde ließ jedoch nicht locker. Ab 1864 waren zwei Vieh- und Pferdemärkte genehmigt; die Genehmigung für einen Krämermarkt wurde jedoch weiter abgelehnt. Erst 1866 stellte die Centralstelle für Landwirtschaft i Schultheiß Akermann in Aussicht, dass ein Krämermarkt genehmigt werden könnte, nachdem sich die Viehmärkte bewährt hatten.

Der am 10. Juli 1866 von der Regierung des Schwarzwaldkreises genehmigte erste Krämermarkt wurde auf den 24. September 1866 festgelegt. Da mit einer großen Anzahl von Händlern gerechnet wurde, tat sich für die Gemeinde ein Problem auf. Es war ihr nicht möglich, das für die vielen Marktstände notwendige Holz zu beschaffen.

Hilfe kam von Ergenzingen. Marktmeister Christian Baur sagte den Eutingern die Lieferung der Marktstände zu. Es wurde eine Leihgebühr von 15 Gulden vereinbart.

Einen Tag vor dem Markt ernannte der Gemeinderat vier Mitglieder zu "Marktmeistern", denen "das gesetzliche Tagesgeld" zugesagt wurde. Damit stand der Abhaltung des ersten Krämermarkts nichts mehr im Wege. Nach einem Bericht "war der Viehmarkt stark befahren und es wurde Mastvieh viel und zu hohen Preisen gekauft".

Der Krämermarkt verlief nicht zur Zufriedenheit der Händler. Sie waren zufrieden mit den Ständen und der Organisation, jedoch entsprach der Verkauf nicht ihren Erwartungen. Die Zeitung berichtet darüber: "Der Krämermarkt mußte unter der schlechten Conjunktur leiden: Der Bedarf wäre da, allein der Mangel an barem Gelde und das Mißtrauen in unserer Zustände lähmt jedes Geschäft."

Von wildem Pferd über den Acker geschleift

Überschattet wurde der Markt durch einen Unglücksfall. Der elfjährige Sohn des Lindenwirts und Posthalters Anton Wetzel und ein weiterer Knabe wurden mit zwei Pferden zum Vorspann bis Bildechingen einem Horber Frachtfuhrmann mitgegeben. Auf dem Heimweg ist der Sohn des Lindenwirts "vom dem Pferd herab gefallen und hat sich im Pferdegeschirr verwickelt. Das Pferd rannte übers Ackerfeld, den Buben nachschleifend. Beim Gottesacker wurde das Pferd aufgehalten, an welchem die unkenntliche Leiche hing." So ist dieser Unfall in der Baisinger Chronik geschildert.

Auch der Zeitungsbericht schildert den Unfall: "Zu unserem Leidwesen müssen wir von einem gräßlichen Unglück berichten. Der Sohn des Lindenwirths begleitete die Pferde seines Vaters, welche dem Fuhrwerk des Boten Blocher vorgespannt waren, bis nach Bildechingen. Dort wurden die Pferde abgespannt und die Knaben setzten sich auf die voneinander losgemachten Pferde und ritten Eutingen zu. Das Pferd, auf welchem der junge Wetzel saß, wurde in der Gegend, wo die Straße von Altheim in die Poststraße einmündet, scheu, warf seinen Reiter ab und stürmte davon. Der Knabe blieb mit einem Fuß in dem Strange hängen und wurde mit den auf dem Boden hängenden Kopfe von dem Tier über Gräben und Äcker geschleift und als formloser Leichnam beim Einfangen des Pferdes losgemacht. Den Schrecken nicht nur der Eltern, sondern aller Bewohner des Ortes und aller Besucher des Marktes, denen die Kunde zu Ohren kam, kann man nicht schildern."