Da war die Welt noch in Ordnung: Zaungäste schauen am Eutinger Flugplatz kurz vor dem Unglück in den Himmel. Foto: Hopp

Ermittlungen nach tödlichem Unglück bei "Mobile Legenden" in Eutingen. Nicht mal Notfall-System stoppte freien Fall des 64-Jährigen.

Eutingen/Oberndorf/Donaueschingen - Er galt als sehr erfahren. 64 Jahre alt, seit 1980 Fallschirmspringer, 1250 Sprünge absolviert. Am Sonntag wollte er über dem Flugplatz in Eutingen im Gäu (Kreis Freudenstadt) bei der Veranstaltung "Mobile Legenden" einen Formationssprung mit drei anderen Kollegen zeigen. Doch sein Fallschirm öffnete sich nicht richtig. Ein Sicherheitsmechanismus, der den Reserveschirm in seiner Ausrüstung auslösen sollte, funktionierte ersten Vermutungen zufolge nicht. Der Mann stürzte zu Boden und starb noch an der Unfallstelle.

Die Polizei konnte am Montag noch nichts zu den Ursachen des Unglücks sagen. Derzeit werde der Fallschirm untersucht, teilte der Pressesprecher der zuständigen Polizeidirektion Reutlingen mit. Klar ist, dass sich der Fallschirm zunächst verhedderte. Der 64-Jährige trennte sich vom Haupt-Schirm. Dieser schwebte noch minutenlang durch die Luft. Laut Polizei ist nicht auszuschließen, dass es einen medizinischen Grund dafür gibt, dass der Fallschirmspringer den Reserve-Fallschirm nicht mehr öffnen konnte.

Der verunglückte Österreicher lebte in Oberndorf-Hochmössingen (Kreis Rottweil). Er war internationaler Gastspringer des Teams Fürstenberg aus Donaueschingen (Schwarzwald-Baar-Kreis).

Erster Unfall in 35-jähriger Clubgeschichte

Seine Fallschirmspringerkollegen und die Verantwortlichen des Sponsors Fürstenberg-Brauerei sind erschüttert. Der Unfall sei der erste in der 35-jährigen Klubgeschichte gewesen, sagt der Hüfinger Peter Lendle, Gründer und Leiter der Gruppe.

Lendle selbst befand sich zum Zeitpunkt des Unglücks am Boden beim Kommentator der Veranstaltung. Der Hüfinger berichtet, dass der Verunglückte als Erster von vier Fallschirmspringern das Flugzeug bei schönem Wetter verlassen habe. Die beiden ihm folgenden Klubmitglieder hätten beobachtet, dass sich der Fallschirm ihres Freundes nicht öffnete und er ihn abtrennte. Dann verloren sie ihn aus den Augen – weil sie nach einer Sekunde freien Falls die Fallschirme geöffnet hatten. Weshalb sich der Schirm ihres Kollegen verhedderte und weshalb auch der Reserveschirm nicht geöffnet wurde, ermitteln Polizei und Fachleute der Bundesflugunfallstelle.

Tödliche Fallschirmunfälle kommen selten vor: 2014 laut Deutschem Fallschirmsport Verband nur einmal, 2013 gab es sechs Unglücke – bei etwa 340 000 Sprüngen pro Jahr. »In Relation sind das sehr, sehr wenige Unfälle. Auch wenn jeder Todesfall einer zu viel ist«, sagt der Fallschirmsport-Verbandsvorsitzende Helmut Bastuck. Nach seiner Einschätzung handelte es sich in Eutingen um einen »absoluten Standardsprung«. Die Truppe sei zudem sehr erfahren.

Bastuck spricht von einer »mysteriösen« Angelegenheit, da gleich mehrere Sicherheitssysteme nicht gegriffen hätten. Die Öffnung des Schirms in der Luft dauere zirka zweieinhalb Sekunden. Diese kurze Phase sei störungsanfällig, sagt der Experte.

Ursache dafür, dass sich ein Schirm nicht oder nicht richtig entfaltet, sei »in aller Regel ein Packfehler«. Ein anderer Grund könne sein, dass die Öffnung des Schirms durch ein Körperteil behindert werde. Fallschirmsprung-Schüler könnten sich in die Leinen einwickeln, wenn sie noch nicht genügend Körperkontrolle haben. In Eutingen habe es sich aber keineswegs um einen Schüler gehandelt.

Der Springer habe die Fehlöffnung offenbar auch bemerkt. Durch nur einen Griff an die rechte Seite seines Gurtzeugs, so erklärt es Bastuck, muss er den verwickelten Schirm auf antrainierte Art und Weise von sich getrennt haben – übrigens, ohne etwas abzuschneiden. Mit einem Griff auf die linke Seite des Gurtzeugs kann ein Fallschirmspringer den Reserveschirm auslösen, der genauso groß ist wie der eigentliche Schirm. In Augenzeugenberichten aus Eutingen komme der Reserveschirm aber gar nicht vor. »Man muss untersuchen, ob eine Auslösung überhaupt stattgefunden hat«, sagt Bastuck. Und falls nicht: Warum nicht?

Noch rätselhafter ist für ihn, warum auch die dritte Stufe des Sicherheitssystems nicht funktioniert hat: Seinen Informationen zufolge soll im Gurtzeug des Springers ein zigarettenschachtelgroßes System eingebaut gewesen sein, das die Fallgeschwindigkeit misst und spätestens 300 Meter über dem Boden den Reservefallschirm öffnet. Dadurch werde sogar ein bewusstloser Fallschirmspringer abgebremst. Aber auch dieses System habe in Eutingen wohl versagt.