Bürgerinfo Railport: Karin Armbruster eröffnete engagiert den Diskussions-Teil der Veranstaltung im voll besetzten Saal. Foto: Morlok

"Hoher Preis für kurzfristige Vorteile": Bei Bürgerversammlung prallen Gegensätze aufeinander. Gemeinderat muss entscheiden.

Eutingen - "Bitte keine Wunderkerzen abbrennen" stand groß als Hinweis an der Frontwand im großen Saal der Eutinger Gaststätte "Zur Linde". Auf diese Idee kam sowieso keiner der gut 250 Besucher, die der Einladung zur zweiten Bürgerversammlung zum geplanten kombinierten Verkehrsterminal (KVT), wie der "Railport" im Amtsdeutsch genannt wird, gefolgt sind.

Ob die Bürger nun gegen das KVT sind oder dafür – Grund, um Wunderkerzen abzubrennen, hatte an diesem Abend keine der beiden Parteien. Gelang es Moderatorin Ilse Erzigkeit vom Büro "planen und bauen" anfänglich noch die Versammlung in professionellen Bahnen zu halten, so wurden die unterschiedlichen Standpunkte der Betroffenen in der Diskussionsrunde immer emotionaler vorgetragen. Und wenn man die Intensität des Applauses als Gradmesser für mögliche Trends nimmt, dann hatten die Gegner dieses Großprojektes klar die Oberhand.

Nach einer kurzen Begrüßung durch Bürgermeister Armin Jöchle erfolgte die Vorstellung der Tagesordnung durch Moderatorin Ilse Erzigkeit. "Metrans" Prokurist Holger Westphal hatte danach die Gelegenheit, das geplante KVT vorzustellen.

Wirklich neue Erkenntnisse gab es nicht. Der Unternehmer betonte wiederholt, dass man von einer maximalen Ladeinheitengrenze von 40 000 Einheiten ausgehe, jedoch sei das tatsächliche Lade- und Umschlagsvolumen von unterschiedlichen Parametern abhängig. Westphal wiederholte auch, dass die Arbeitszeit sich an den Vorgaben des angrenzenden Gewerbegebietes – also von 6 Uhr bis 22 Uhr – orientiert und keine Sonntagsarbeit stattfände.

Eine Betriebserweiterung am Standort Eutingen sei nicht vorgesehen und wenn doch, dann würde dies automatisch zu einer weiteren Bürgerbeteiligung führen. Zehn bis zwanzig neue Arbeitsstellen würden zudem durch den "Railport" geschaffen, so eine weitere Info des Metrans-Vertreters.

Nach der Firmenpräsentation gingen Armin Jöchle als Befürworter des kombinierten Verkehrsterminals sowie die Sprecher der Bürgerinitiative (BI) "Nein zum Railport" Michael Platz und Leo Mergel in den Ring und tauschten Sachargumente, persönliche Statements und neu ermittelte Fakten aus. Was sie vorstellten, das war die Essenz aus 15 Stunden Vorgesprächen. Leo Merkel gab gleich zu Anfang zu bedenken, dass die Gemeinde derzeit vor einer wichtigen Zukunftsentscheidung stehe und die vorhandenen Daten und Fakten genau geprüft und abgewogen werden sollten.

Größe und Entwicklung des geplanten KVT

Jöchle brachte hier als Sachargumente, dass die Einhaltung der Verkehrswege festgeschrieben werde und kein KVT-Lkw-Verkehr durch die Ortsdurchfahrt Eutingen rollt. Eine Erweiterung sei nicht möglich, da räumliche Grenzen gegeben wären und insgesamt nur 45.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung ständen. Die BI befürchtet dagegen bis ins Jahr 2025 eine Verdreifachung des Marktes in diesem Segment, dass sich dann auch auf Eutingen ausdehnen wird.

"Millionen zu investieren und zu wissen, dass man sich bereits in wenigen Jahren an der oberen Kapazitätsgrenze bewegt, das passt einfach nicht in mein Unternehmensbild", gab Angelika Pfeffer später zu diesem Punkt zu bedenken. Für sie scheint die Aussage, dass hier keine spätere Erweiterung möglich sei, nicht nachvollziehbar. Auch die BI kam in ihrem Gegengutachten zu dem Ergebnis, dass Eutingen eine Kapazität bis zu 70.000 Ladeeinheiten pro Jahr hat und ist der Ansicht, dass ein bestehendes Planfeststellungsverfahren kein unüberbrückbares Hindernis darstellt.

Verkehrsströme

Auch bei den Verkehrsströmen war man konträrer Meinung. Von Verwaltungsseite sprach man bei Volllast des KVTs von bis zu 170 Lkw-Fahrten pro Tag, von denen aber lediglich zehn Prozent aus Richtung Freudenstadt kommen. Knapp 12.000 Autos – davon 1140 Lkws – fahren heute durch Eutingen. Daher sieht Jöchle kein größeres Verkehrsaufkommen auf die Ortsdurchfahrt zukommen und denkt heute schon laut über ein Lkw-Durchfahrtsverbot nach, wenn die Hochbrücke in Horb am St. Nimmerleinstag stehen sollte. Auch glaubt der Schultes, dass die Zahl der Lkws sinkt, wenn in Eutingen eine Tempo 30 Zone eingerichtet wird.

Die BI sieht die Sache naturgemäß völlig anders. "Von Null auf 35,5 Prozent hat die ›Metrans‹ ihre Prognose des Verkehrs in Richtung Süden korrigiert und in Richtung Freudenstadt fahren nun knapp 10 Prozent anstatt ursprünglich 2,2 Prozent", zog BI-Sprecher Leo Mergel neue Zahlenwerte heran. Das Verkehrsgutachten, das die Gemeinde in Auftrag gab, würde "formal und fachlich einen einfachen Eindruck hinterlassen" wertete der Experte Gernod Liedtke von der TU-Berlin. "Die verkehrlichen Auswirkungen durch die Ansiedlung des KVT-Terminals werden durch die vorliegende Untersuchung nicht erfüllt" so das Credo von Professor Liedtke.

Image und Ortsbild

Hier brachte Jöchle Argumente von der vollständigen Straßenerschließung im Gewerbegebiet bis zu öffentlichen Lkw-Stellplätzen in die Überlegungen ein. Auch sah er einen Standortvorteil für Unternehmer mit Seehafenfracht und wertete das Projekt als eine Infrastruktureinrichtung für die Zukunft. Die Ortslage sei nicht betroffen, das Landschaftsbild würde nicht beeinträchtigt und das Image müsse nicht zwingend schlechter werden, so seine Gesamteinschätzung. Als Alternative zum KVT bliebe nur die Möglichkeit abzuwarten und zu hoffen, dass mal jemand Interesse am Gelände zeigt, der auch die Bevölkerung begeistert. Die BI hielt dagegen, dass das KVT und die sich hier ansiedelnden Speditionen zukünftig das Bild der Gemeinde prägen werden. Für sie der völlige Niedergang der ländlichen Struktur der Gemeinde.

Wirtschaftlichkeit

Zum ersten Mal wurden auch Zahlen über Kosten und Erlöse ins Spiel gebracht. Armin Jöchle zeigte auf, dass mit der KVT-Ansiedlung 1,6 Millionen aus dem Verkauf der Gewerbefläche erlöst werden können und weitere 2,87 Millionen für den zweiten Straßenanschluss sowie als Erschließungskostenbeitrag möglich sind. Ohne KVT würden von den Erschließungskosten 1,25 Millionen an der Gemeinde hängen bleiben und der mögliche Verkaufserlös dieser Gewerbefläche würde sich in etwa halbieren. "Für diese kurzfristigen Vorteile zahlen wir einen hohen Preis", so die Einschätzung der BI, die Armin Jöchle eine Unterschriftenmappe mit 1160 Stimmen gegen das KVT übergab. Eine beachtliche Zahl für so eine kleine Gemeinde.

Nach diesem Austausch der Argumente hieß es dann "Feuer frei für die Fragerunde".

Fragerunde – einige ausgewählte Wortbeiträge

Karin Armbruster, die betonte, dass sie im noch ländlichen Ortsteil Rohrdorf wohnt, wollte wissen, ob man mit dem KVT ein Faustpfand für eine Umgehungsstraße in der Hand habe. Hier hörte sie ein klares Nein.

Jens Eckert aus Eutingen glaubt seiner Aussage nach nicht an die verbindliche Zusage von Spediteuren, nicht durch den Ort zu fahren und dafür die Fahrt über die BAB-Anschlussstelle Rottenburg zu nehmen. Ein Spediteur könne pro Lkw 66 000 Euro im Jahr sparen, wenn er die kürzere und billigerer Route über Horb nehme, rechnete er hoch. "Und sie glauben, dass ein Spediteur darauf verzichten kann und wird?"

Jöchle konnte oder wollte keine Aussage über die Kalkulation der Spediteure geben. Auch Kurt Plathe von der Spedition Kußmaul musste später zugeben, dass nicht nur er, sondern überwiegend Subunternehmer für das KVT unterwegs sein werden und eine echte Verbindlichkeit mit gekennzeichneten Fahrzeugen, die definitiv nicht durch den Flecken fahren, dadurch nicht möglich sei.

Egbert Baday, mit im Vorstand des NABU Baden-Württemberg, sprach sich ganz klar für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene aus. "Alles, was jetzt kommt, kann nur besser werden", so seine Einschätzung. Ein weiteres NABU-Mitglied erklärte darauf spontan seinen Ausstieg aus dem Verein und Leo Mergel fügte an: "Wenn ein NABU-Mann Container schöner findet als eine bewachsene Fläche, dann hat das Ganze schon historische Dimensionen."

Auch Karl-Heinz Kramer, der sich schon bei der ersten Versammlung über den krankmachenden Lärm entlang der Eutinger B14 beschwerte, möchte nicht "ein bisschen mehr Verkehr" in Kauf nehmen. "Gerade der Schwerlastverkehr ist das, was krank macht", sein Eindruck. "Wir haben uns mit dem Verkehr arrangiert – aber seit der Railport-Geschichte hat sich das gedreht. Uns Anliegern fehlt das Verständnis für die aktuelle Diskussion über die Zumutung, uns weitere Verkehrsbelastung auf zu erlegen." Für dieses Statement bekam er tosenden Applaus der Vielzahl der Anwesenden.

Insgesamt wurden bei diesem Frage- und Antwortblock, der weit mehr als die vorgesehenen 40 Minuten in Anspruch nahm, vieles angesprochen, was den besorgten Bürgern auf dem Herzen lag. Es meldeten sich Gegner und Befürworter, die Gemeinderäte wurden vor der wichtigen Sitzung am 4. August nochmals mit den Argumenten aus der Bevölkerung, die sich eigentlich recht klar gegen die Ansiedlung positionierte, versorgt. Nun liegt es an ihnen, ob der Gütertransportzug der "Metrans" am neuen Bahnhof anhält oder ob er zu einem anderen Standort weiterfährt.

Weitere Informationen: www.railport.mergel.info