Fasnet: Narren nehmen Lokalpolitik auf die Schippe / Von der Weitinger Schlüsselübergabe

Fest in Narrenhand ist seit dem gestrigen "Schmotzigen Daoschtig" der alte Narrenflecken Weitingen. Nach dem "Aufwärmen, Anheizen und Vorglühen" früh morgens im Gäu-Pub Krone ging es zuerst zur Grundschule.

E utingen-Weitingen. Bei der Schülerbefreiung prangerte Narrenpräsident Pascal Schmitt an, dass auch im Gäu inzwischen bei manchen der amerikanische Halloween-Brauch gelebt werde, statt an der Fasnet Traditionen zu pflegen. Die kleinen Weitinger Fasnetbützle sind davon aber nicht betroffen, denn für sie ist die närrische Saison mit die schönste Zeit des Jahres, und so machten alle in der Schule – wie später auch im Kindergarten – begeistert mit.

Eines der Ziele der Narren ist am "Schmotzigen" die Geschäftsstelle der Raiffeisenbank. Elfi Locker und Carmen Böhm bewirten die Narren mit Sekt und Häppchen, so dass sich die Narren diesmal anlässlich der jüngst eingeweihten neuen Geschäftsstelle mit einer der wenigen noch verfügbaren Bettschoner-Fahnen revanchierten.

Diese wird somit künftig die Umzugsstrecke mit bereichern, und so reimte Pascal Schmitt: "So isch a ma jedem Simp‘l klar, ao an d’r Fasnet gibt‘s hier Geld in bar."

Auch im Kindergarten und der Seniorentagespflege "Quelle des Lebens" wurden Jung und Alt befreit. In der Tagespflege konnten sich alle stärken, hatte doch Chefkoch Pierre Schmitt kunstvoll den Kochlöffel geschwungen.

Auch die Bäckerei Kalbacher und die Wirtschaften wurden gestürmt. Schließlich zogen die Narren samt Musikkapelle um 15 Uhr vor der Machtzentrale des "allgewaltigen Ortsherumstehers" auf und forderten den Schlüssel.

Bevor "O-Vau" Roland Raible diesen herausrückte, setzte er zu einer Verteidigung seiner Politik an. Doch zuvor las Pascal Schmitt der Gemeinde- und Ortschaftsverwaltung die Leviten. Die Bürokratie plage die Fasnetsmacher zunehmend, so dass man fast die Lust verliere. An das Wohn- und Geschäftshaus im Ort habe man fast nicht mehr geglaubt, und jetzt komme noch die schmucke Markthalle hinzu, doch tue sich beim neuen Feuerwehrmagazin nichts – jetzt solle das mit der längst überfälligen Hallensanierung verbunden werden – "I glaub mir weand mol wieder vearscht", so Pascal Schmitt, "denn höret es isch kaum zu fassa, zum Ei‘parka miaßat se Luft aus de‘ Reifa lassa..."

In Eutingen würden dagegen Großprojekte durchgezogen. Dies inspirierte ihn zum neuen Eutinger Rathaus-Hit "Mir gründet an Idiota-Club". Dessen Refrain sangen die Narren begeistert mit, er endet mit "…und wer am aller blödsta‘ ist, wird Oberidiot".

In den Strophen wurde alles durchgehechelt, was Thema in der Gemeinde ist. Vom prachtvollen NABU-Ziegenstall, der anstehenden Rathausrenovierung, der unendlichen Mauersanierung an der B 14 bis zum "Sportzentrum für alle" in Eutingen – dumm nur, dass die anderen drei Ortsteile davon nichts haben. Beim Edeka werde es gehen wie bei anderen Objekten: "Bauantrag klein, Gebäude groß – der Gemeinderat macht des schon".

In seiner Verteidigungsrede räumte der OV ein, dass nicht alles zum Besten stehe. Andererseits werde in Weitingen jede Menge ökologische Energie und Wärme erzeugt: "Auch der Brennstoff zur Wärme kommt von regionalen Bäumen, davon können die Eutinger in 30 Jahren noch träumen."

Beim Baugebiet "Seite" habe sich die Beharrlichkeit der Weitinger gelohnt – fast alle Bauplätze sind verkauft und schon im Frühjahr beginne der zweite Erschließungsabschnitt. Wenn die Narren verbindlich weitere Bauplätze verkaufen, gebe es vom Ortschaftsrat am Mittwoch ein "Aufräumvesper und dazu einiges an Bier".

Im Ort gehe es mit Baumaßnahmen zügig weiter, so auch mit der Markthalle. Raible kritisierte scharf die Entscheidung, dass der Zugangsverkehr zum neuen Eutinger Supermarkt weite Umwege fahren müsse, "nur um die Eutinger Personen im Tübinger Weg etwas zu schonen".

Angesichts der hohen Gemeindeschulden – nach B 14-Mauer, NABU-Ziegenstall und Sportzentrum – und da das Eutinger Rathaus mit zwei Millionen "in den Startlöchern steht", stimmte Ortsvorsteher Raible das Lied an "Wer soll das bezahlen…?". Augenmaß bei kleinen und großen Projekten ist für Raible angesagt.

Nachdem einige Volltreffer der Kanoniere aus ihrer "dicken Berta" den Verwaltungspalast sturmreif geschossen hatten, rückte Raible den Rathaus-Schlüssel heraus. Der Machtwechsel wurde mit mehreren Schunkelrunden der Narrenkapelle gefeiert.