Prozess: Mann an zwei Tagen hintereinander mit über zwei Promille am Steuer erwischt. Führerschein für zwölf Monate weg.

Eutingen/Horb - Sein "Mittagsschläfchen" auf einem laut vor sich hintuckernden Traktor machte einen heute 38-jährigen Landwirt aus einer Kreisgemeinde mit einem Schlag bekannt.

Beamte des Polizeireviers Horb wurden Anfang August gerufen, da Passanten eine leblose Person auf eben diesem Traktor bemerkten. Bei näherer Betrachtung stellten die Beamten fest, dass der Fahrer eingeschlafen war. 2,1 Promille Blutalkohol wurde bei ihm festgestellt. Der Führerschein wurde daraufhin sofort eingezogen.

Der selbe Herr wurde keine 24 Stunden später wieder sturzbetrunken – dieses Mal wurden bei einer Blutentnahme sogar 2,85 Promille festgestellt – kurz nach Mitternacht im Horber Industriegebiet Heiligenfeld mit Zugmaschine und vollem Anhänger von der Polizei angehalten. Ein aufmerksamer Passant sah ihn schwankend ein Schnellrestaurant auf dem Hohenberg betreten und rief das Horber Revier an. Für beide Trunkenheitsfahrten gab es am Donnerstag vor dem Amtsgericht Horb die Rechnung.

Eine Geschichte voller persönlicher Dramatik

Wie konnte es aber so weit kommen, dass ein Mann sein Lebenswerk – seinen Hof, den er mit eigenen Händen aufgebaut hat – innerhalb weniger Stunden derart in den Sand setzt? Es ist eine Geschichte voller persönlicher Dramatik.

Ende Juli, Anfang August wurde der Landwirt mit einem lebensbedrohlichen Abszess am Hals in ein Tübinger Krankenhaus eingeliefert. "Eine halbe Stunde später und ich wäre wahrscheinlich tot gewesen", beschrieb der Angeklagte seine damalige Situation. Ihm wurde dort nicht nur der Abszess, sondern auch die vereiterten Weisheits- und Backenzähne entfernt. Der Eingriff war so schwer, dass er drei Tage im Koma in der Intensivstation lag.

Als er wieder zu sich kam, rief er zuhause an und erfuhr, dass auf dem Hof Chaos herrsche. "Ich habe mich daraufhin selbst entlassen, fuhr heim und stellte fest, dass viele Puten und Gänse tot waren, die Muttersauen die Ferkel gefressen haben und meine Ernte im Regen ersoffen ist", schilderte er die Situation. "Zudem ist mein Vater samt der Hausbank auf mich losgegangen und in diesem Moment ist alles auf mich reingebrochen."

Die Flucht in Schmerztabletten – "Die hab ich wie Bonbons geschluckt" – in Kombination mit Alkohol führte in die Katastrophe. "Das war der größte Scheiß, den ich bisher gemacht habe, aber ich sah keinen Ausweg aus dem Debakel", fügte der Beschuldigte an, um zu erklären, dass er es jetzt nicht mehr rückgängig machen könne und die Konsequenzen tragen werde.

"Um mit weit über zwei Promille noch gerade laufen zu können und kaum Ausfallerscheinungen – außer großer körperlicher Müdigkeit – zu zeigen, dafür muss man aber ganz schön im Training sein", bemerkte Amtsgerichtsdirektor Christian Ketterer zu der Aussage, die die Polizeibeamten zum Zustand, wie sie den Beschuldigten vorfanden, machten.

Man hätte auf dem Hof zwar abends ein, zwei Bier getrunken, erklärte der Landwirt auf diesen Vorhalt hin, betonte aber, dass er seit jenen beiden Tagen, in denen er keinen Schlaf gefunden habe, keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt hätte. Er sei in Therapie, mache freiwillige Alkoholkontrolluntersuchungen und tue alles, um zu beweisen, dass dies ein situationsbedingter, einmaliger Ausfall war.

100 Tagessätze zu je 20 Euro

Wenn er jetzt seinen Führerschein für lange Zeit verliere, müsse er seinen Hof nach Weihnachten in die Insolvenz überführen, da er Personal, das die Hofarbeit, zu der man eine Fahrerlaubnis braucht, nicht bezahlen könne. Sein Anwalt schlug vor, dass man ihm zwar die Fahrerlaubnis entziehen könne, ihm aber die Klasse "L" lasse.

Eine Anregung, die bei der Staatsanwaltschaft Rottweil, vertreten durch Rechtsreferendarin Rahel-Johanna Schilling, auf wenig Verständnis stieß. Sie forderte 15 Monate Fahrverbot und 120 Tagessätze à 20 Euro Geldstrafe.

Letztendlich verurteilte ihn Richter Christian Ketterer zu einem Führerscheinentzug von weiteren acht Monaten, sodass man insgesamt auf etwas mehr als zwölf Monate kam und zu 100 Tagessätzen à 20 Euro. "Es hat mir weh getan, Ihnen den letzten Rettungsanker wegzuziehen – aber es ging nicht anders", erklärte der Richter. "Ich kann zwar einiges an Ihrer Geschichte nachvollziehen – entschuldigen kann ich es aber nicht."

Auf den Landwirt, der noch halbtags arbeiten geht, um wenigstens die wichtigsten Versicherungen zu haben, kommt nun die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) – im Volksmund Iditotentest – zu. "Und da müssen Sie sich wirklich was einfallen lassen", gab Richter Ketterer dem sichtlich geknickten Beschuldigten mit auf den Weg.