Vom Rathaus hinaus ins Gäu: Die Teilnehmer an der Weitinger Markungswanderung. Foto: Mattenschlager Foto: Schwarzwälder-Bote

Markungswanderung zeigt Strukturwandel auf / Einwohnerzahl seit 1952 fast verdoppelt / Spuren der alten Straße nach Ergenzingen

Von Harald Mattenschlager

Eutingen-Weitingen. Aller guten Dinge sind drei, und im dritten Anlauf klappte es mit der Weitinger Markungswanderung im Rahmen des 40-jährigen Gemeindejubiläums, die unter der Regie des Förderkreises "Weitinger Hoamet" organisiert wurde.

Der Termin musste im Hochsommer zweimal wegen Temperaturen von knapp unter 40 Grad abgesagt werden. Rund 35 Teilnehmer machten sich nach dem Start am Rathausplatz an einem herrlichen Herbsttag auf den Weg. Ortsvorsteher Roland Raible und "Hoamet"-Vorsitzender Hermann Nesch hatten die Wanderung organisiert und vorbereitet.

Seit 1973 die Grenze mehrerer Kreise und Regierungsbezirke

Bei seiner Begrüßung entschuldigte der Ortsvorsteher den verhinderten Bürgermeister Armin Jöchle und erläuterte die Wanderstrecke, die vom Radweg nach Rohrdorf über das "Lützentäle" südlich der Autobahn fast bis zur Liebfrauenhöhe und an Eckenweiler vorbei in Richtung Wilhelmshöhe und zurück ins Dorf über die Osthälfte der Weitinger Markung führte.

Dies ist seit 1973 teilweise auch die Grenze der Kreise Freudenstadt und Tübingen sowie der Regierungsbezirke Nordbaden (Karlsruhe) und Südwürttemberg-Hohenzollern (Tübingen).

Hermann Nesch hatte neben vielen mündlichen Informationen ein vierseitiges Infoblatt erstellt. Zum Auftakt gab der pensionierte Lehrer einen Abriss der Weitinger Besiedlungsgeschichte, die bis in die jüngere Stein- und Keltenzeit reicht. Der Ort selbst sei während der alemannischen Landnahme (260-500 n. Chr.) entstanden.

Als letzte wesentliche Einschnitte nannte er die Kreisreform 1973 und den Zusammenschluss 1975 mit der Gemeinde Eutingen. In diesen vier Jahrzehnten hat sich die vormals landwirtschaftlich geprägte Struktur wesentlich verändert. Weitingen zählt heute 1624 Einwohner, 1952 waren es 864.

Roland Raible informierte, dass es heute keinen hauptberuflichen Landwirt mehr im Dorf gebe, lediglich einen hauptberuflichen Betreiber des Energiehofs. Es gebe keine Viehhaltung mehr, nur vereinzelt ein paar Hasen, Hühner und Gänse. Die Landwirtschaft habe sich von der Viehzucht weg auf den Anbau verlagert. Viele Äcker sind an Bauern aus umliegenden Orten verpachtet oder verkauft worden.

Nesch veranschaulichte diese Entwicklung mit Zahlen aus früheren Aufzeichnungen. Die 917 Hektar große Weitinger Markung (Gesamtgemeinde 3329 Hektar) war 1865 noch in 5200 Parzellen aufgeteilt. 1952 wurden noch 134 landwirtschaftliche Betriebe mit bis zu zehn Hektar gezählt.

Bei der Wanderung außerorts ließ sich die Strukturveränderung auch an der Größe der Grundstücke ablesen, die immer größer wurden – Folge der beiden Flurbereinigungen der 1950er-Jahre und später im Zuge des Autobahnbaus (Einweihung 1979).

Nesch erinnerte an den Beginn der Dreifelderwirtschaft um das Jahr 800 und die wechselnde Einteilung der Markungsfläche in Bereiche für Winter- und Sommergetreide und der unbearbeiteten Brache, die als Weide und für Futterpflanzen diente.

Albrecht Teufel deckte den pflanzenkundlichen Aspekt ab. Ihm zufolge wird die Brache wieder gepflegt, hauptsächlich mit Raps und subventionierten Feldern mit Blütenpflanzen.

Dies stelle einen Beitrag zum ökologischen Gleichgewicht dar, denn die Erkenntnis habe sich durchgesetzt, dass Bienen in den Monokulturen kaum Überlebenschancen haben – mit möglicherweise verheerenden Auswirkung auf den Menschen und seine Ernährung.

Teufel vermisste die Streuobstwiesen rund um das Dorf. Der frühere Obstbaumgürtel sei auf den Westen und ein paar kleinere Streifen zusammengeschrumpft. Gründe sind Baugebiete, die immer größer werdenden landwirtschaftlichen Maschinen, die mühsame Arbeit von Baumpflege und Obstauflesen und der etwas aus der Mode gekommene Most.

Erläuterungen zur Entstehung und Bedeutung der Flurnamen gab Hermann Nesch, der viele Anekdoten parat hatte. Dazu gehörte das lange Zeit nicht einfache Verhältnis zwischen Weitingen und Eckenweiler, nicht unbedingt im menschlichen Bereich, aber aufgrund der verschiedenen Konfessionszugehörigkeiten des ehemals vorderösterreichischen und katholischen Weitingen und des württembergischen und evangelischen Eckenweiler. So gab es kaum Verheiratungen "raus ond nei".

Vor allem für die jüngeren Markungswanderer war der Verlauf der alten Straßen nach Ergenzingen und Eckenweiler nicht mehr geläufig, doch konnte man sie an einzelnen Stellen deutlich erkennen. Viele waren erstaunt, wie weit die Weitinger Markungsfläche im Osten reicht: Fast bis zur Liebfrauenhöhe, bis an die Häuser von Eckenweiler heran und zur Bieringer Grenze. Von der Gäufläche bot sich ein imposanter Ausblick auf die Schwäbische Alb und den Schwarzwald.

Am zweitletzten Haltepunkt vom Börstinger Steig konnte man einen tollen Blick auf Weitingen und das Gäu werfen, eine Weitinger "Paradeansicht". Hier stellte Roland Raible die aktuelle Entwicklung Weitingens als Energiewendedorf vor. Thema war auch die bauliche Erweiterung im Südosten und Osten des Ortes mit dem Neubaugebiet "Seite". Abschluss der knapp zehn Kilometer langen Wanderung war eine Einkehr im "Löwen".