Gericht: Angeklagter leidet an Drogensucht / Psychische Erkrankung erschwert Problematik / Mit Bewährungsstrafe davongekommen

Von Peter Morlok

Eutingen/Horb. Ein "biologischer Selbstversorger" stand wegen seiner "gärtnerischen Erfolge" vor den Schranken des Horber Schöffengerichtes.

Der 31-Jähre, der in einer Kreisgemeinde wohnt, hat sowohl im heimischen Garten und später, in der kälteren Jahreszeit – "damit das Zeug nicht schimmelt" –, im Keller des elterlichen Hauses Hanf angebaut, um daraus Marihuana zu gewinnen. Aus den Blütentrauben und den blütennahen kleinen Blättern hat er das Rauschmittel gewonnen, das von so guter Qualität war, dass man aus den aufgefundenen 339 Gramm Gras über 1000 Portionen hätte abpacken können.

Gefunden wurde bei der Hausdurchsuchung im Oktober letzten Jahres neben Marihuana eine ordentliche Menge an Amphetaminen. 50 Gramm soll er für seine im Dezember anstehende Geburtstagsparty gekauft haben, warf ihm die Staatsanwältin vor. Vorgefunden wurde wesentlich weniger, doch der Angeklagte räumte ein, beim Kauf nicht nachgewogen zu haben und auch schon davon konsumiert zu haben.

Bereits mit sechs Jahren Stimmen gehört

An sich nichts Ungewöhnliches, wäre da nicht die besondere psychische Situation des Angeklagten. Bereits mit sechs Jahren will er zum ersten Mal Stimmen gehört haben und der psychiatrische Gutachter konnte bereits in diesem frühen Lebensabschnitt von einem Suizidversuch berichten.

Mit 13 oder 14 Jahren habe er angefangen, Gras zu rauchen, so der geständige Angeklagte. Nach der Schule begann er ein Studium der Elektrotechnik an der FH Furtwangen, das er aber "wegen einer dummen Geschichte" aufgab.

Keine Zukunftsperspektive, kaum Geld – doch das Verlangen nach der Ersatzbefriedigung durch die Droge stieg. Bis zu fünf Gramm Hasch habe er in dieser Zeit täglich konsumiert. "An meinem 29. Geburtstag waren dann die Stimmen wieder da", berichtete der Mann Amtsgerichtsdirektor Christian Ketterer auf dessen Nachfrage. "Doch diesmal waren sie viel lauter und zwingender". Dies sei der Anfang seiner Psychose gewesen, erklärte er dem Gericht.

Er habe immer wieder Anrufe bekommen, ohne dass das Telefon geläutet habe und er habe geglaubt, dass er ständig gefilmt und beobachtet werde. Paranoide Schizophrenie heißt das Krankheitsbild, das dem Angeklagten attestiert wurde.

Am 6. Oktober 2014 hatte er seinen kompletten Zusammenbruch. Er bat seine Eltern, ihn ins Krankenhaus zu bringen. Diese verständigten die Sanitäter und diese wiederum die Polizei. "Für den Patienten waren die Sanitäter eine Gefahr, doch die Polizei hatte Waffen und konnte ihn damit vor dem Bösen, vor den Stimmen und den Sanitätern schützen", urteilte der Sachverständige.

Gutachter: VerminderteSchuldfähigkeit

Da der Patient unter Drogeneinfluss stand, liefen die polizeilichen Ermittlungen an. Dabei wurde die Hanfplantage entdeckt. Obwohl sowohl die psychische Grunderkrankung und das Krankheitsbild der Drogensucht vorlagen, sei der Angeklagte nicht automatisch schuldunfähig, so der Gutachter. "Es erfordert Systematik, Geduld und gärtnerisches Wissen, solche Hanf-Mengen anzupflanzen", so seine Einschätzung. Daher tendierte er höchstens zu verminderter Schuldfähigkeit.

Ausführlich zeigte der Gutachter die Möglichkeiten der künftigen Behandlung und verwies auf die Notwendigkeit einer ambulanten Psychotherapie sowie der mit dem Krankheitsbild einhergehenden Medikation. Diese hatte der Angeklagte in jüngster Vergangenheit oft selbst abgesetzt, wie er zugab. Jetzt gehe er alle 14 Tage zum Arzt und ließe sich eine Depotspritze geben, erklärte er ergänzend.

Fakt war, so die Staatsanwaltschaft, die Anpflanzung und die anschließende "Veredelung". Insgesamt forderte sie dafür elf Monate Haft, die mit drei Jahren zur Bewährung, der Gestellung eines Bewährungshelfers sowie umfangreichen Bewährungsauflagen erfolgen könne. Auch müsse der Angeklagte fünf Drogenscreenings pro Jahr nachweisen.

Sein Verteidiger und auch das Gericht folgten im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Richter Ketterer sprach dem jungen Mann bei der Urteilsbegründung ins Gewissen. Er habe den Eindruck, dass der Angeklagte den Ernst der Lage noch gar nicht erkannt habe. "Nichts ist’s mit einem Joint an Silvester oder zum Geburtstag – sie sind krank und können ihre Krankheit nur durch absoluten Drogenverzicht und strenge Einnahme ihrer Medizin zum Stillstand bringen."

Ketterer machte unmissverständlich klar, dass er auch zu radikaleren Mitteln – sprich Gefängnis – greifen werde, wenn er merke, dass ein Stoppsignal fällig werde, um den Mann vor dem völligen Abdriften zu bewahren. "Und fühlen sie sich ruhig durch uns kontrolliert – das soll so sein."