Die Zuschauerränge im Eutinger Gemeinderat waren voll: Der Gemeinderat stimmte für das kombinierte Verkehrsterminal. Vielen Besuchern gefiel das nicht. Foto: Morlok

13 Ja- und zwei Gegenstimmen: Deutliche Mehrheit spricht sich für das Verkehrsterminal aus. Giftige Kommentare der Gegner.

Eutingen - Mit 13 Ja-Stimmen und zwei Gegenstimmen sprach sich am Dienstagabend der Eutinger Gemeinderat in einer Grundsatzentscheidung für die mögliche Ansiedlung eines Kombinierten Verkehrsterminals (KVT) am Neuen Bahnhof Eutingen aus.

Hofften die Gegner dieses "Jahrhundertprojektes" nach der Bürgerversammlung zumindest auf ein enges Abstimmungsergebnis, so wurden sie enttäuscht. Nach der Ortschaftsratssitzung in Rohrdorf (siehe Info) sowie der Bezirksbeiratssitzung stand jedoch vom Trend her ganz klar fest, dass auch der Gemeinderat für die Weiterführung dieses Projekts stimmen wird. In Rohrdorf votierten drei von fünf Räten für das Vorhaben, im Bezirksbeirat ging die geheime Wahl sechs zu eins pro KVT aus.

In Weitingen und Göttelfingen verzichteten die Räte auf diese Art von Proforma-Sitzung. In einem achtseitigen Papier fasste die Gemeindeverwaltung nochmals alle Sachargumente zusammen. In der Einleitung ging man auf die Historie dieses Großprojektes ein, die in der Gemeinderatssitzung vom 2. Juli 2013 begann. In einem Gutachten des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur wurde der Eutinger Bahnhof damals aufgrund seiner Lage und des ausreichenden Transportaufkommens in der Region als guter Platz für ein kleineres bis mittleres regionales Containerterminal südlich von Stuttgart gesehen.

Chronologisch ging man dann im Ablaufprocedere weiter und Bürgermeister Armin Jöchle arbeitete dieses Papier, dem als Anlage sowohl die Präsentation der Bürgerinitiative "Nein zum Railport Eutingen" als auch die Folien der Firmenvorstellung der tschechischen Firma Metrans sowie die Argumentationen, die Jöchle bei der Bürgerversammlung vortrug, beilag, Punkt für Punkt durch. Viel Neues gab es nicht.

Jöchle gegen Bürgerentscheid

Jöchle ging in seiner Hinführung zur Grundsatzentscheidung auch auf die Anregung von Eric Zschirpe ein, der per Leserbrief vorschlug, einen Bürgerentscheid in dieser Sache herbeizuführen. Der Schultes verwies hier auf die Gemeindeordnung Baden-Württemberg, in der detailliert aufgelistet sei, welche Projekte man per Bürgerentscheid klären sollte.

"Das KVT ist in diesem Katalog nicht aufgenommen und daher gibt es keinen zwingenden Grund einen Bürgerentscheid herbeizuführen", erklärte Jöchle, der anfügte, dass der Gemeinderat tagein, tagaus Verantwortung für die Gemeinde übernehme und sich sehr wohl ein Urteil auch zu diesem Projekt bilden kann. Mit einigen der Formulierung im Arbeitspapier waren die Zuhörer nicht wirklich einverstanden. Insbesondere die Behauptung, dass die 1160 Gegenunterschriften aufgrund fehlender Informationen zustande gekommen sind, brachte BI-Sprecher Leo Mergle auf die Palme.

Verkehrsbelastung: Meinung der Räte

Doch was sagten die Gemeinderäte? Rat Tobias Plaz sah die Verkehrsproblematik als schwerwiegend an und wollte vom Verkehrsgutachter Dieter Bauer, der mit am Ratstisch saß wissen, warum sein Expertise im Gegensatz zu dem des Gegengutachters der BI richtig sei. Bauer konnte hier wegen der Kürze der Zeit nur anmerken, dass er sich auf Erhebungen, die seit 20 Jahren laufen, stützen kann. Erhebungen, die der Gegengutachter, der die Ausarbeitung von Bauer als "sehr einfach" bewertete, nicht hätte.

Hier gab es offene Proteste aus den Reihen der Zuhörer. Eine Zuhörerin griff Jöchle massiv verbal an und ein Herr drohte in Richtung eines Gemeinderates gar mit seinem Spazierstock. Sie verlangten, dass BI-Gutachter auch an der Sitzung hätte teilnehmen sollen. Beide fingen sich eine förmliche Verwarnung als Ordnungsruf ein, und BI-Mitinitiator Michael Platz verließ daraufhin unter Protest den Sitzungssaal. Für Bauer ist klar, dass immer das Verkehrsgutachten als erstes angegriffen wird. "Wenn man das Verkehrsgutachten kippt, dann ist der Rest nur noch Formsache", so seine Erfahrungswerte in diesem Planungsstadium.

Das Argument, dass sein Gutachten nicht gut sei, was an der finanziellen Ausstattung gelegen haben sollte, nannte er "Nonsens". Rat Herbert Herzogs Frage, ob man Rückstaus in Richtung L360 zu erwarten habe, konnte der Experte nur mit "abwarten" beantworten. Auch Rat Hubert Lachenmaier sah als stärkstes Gegenargument gegen ein KVT den Verkehr. Er betonte, dass es sein kann, dass Gutachter Bauer tatsächlich daneben liege mit seiner Prognose. Um dies jedoch beurteilen zu können, müsse man Hellseher sein. "Und das ist niemand hier im Raum."

Er machte dagegen die ökologische Rechnung auf. 40.000 mögliche Container im Jahr bedeutet im Umkehrschluss, wenn sie nicht per E-Lok nach Eutingen gefahren werden, dass 40.000 Lkw nach Hamburg rauf und wieder runterfahren, dabei jede Menge Diesel und damit wertvolles Erdöl, der Rohstoff unserer Industrie, verballern. Bürgermeister-Stellvertreter Winfried Seele war ganz anderer Meinung. "Alle Bürger mit denen ich gesprochen habe, sind dagegen. Es ist eine schwierige Entscheidung, vor der wir hier stehen, jedoch sollte man die Meinung der Bürger hier mit einfließen lassen".

Gemeinderat Stefan Lazar wertete es ebenfalls als bemerkenswert, dass 1160 Bürger per Unterschrift gegen dieses Projekt gestellt haben, wollte sich aber mit Generalaussagen wie "Des Bürgerwillen" oder "viele Büger haben sich dagegen ausgesprochen" nicht zufrieden geben. Am Anfang des Meinungsfindungsprozesses sei es auch für ihn schwer gewesen eine Richtung zu finden, doch heute, da fast alle verfügbaren Informationen auf dem Tisch liegen, überwiegen die Vorteile, die für ein KVT sprechen, stellte Lazar seine Sicht der Dinge klar. "Wir müssen das Ganze sehen und dabei Einzelinteresse leider hinten an stellen", so Lazar.

In mehreren Wortbeiträgen, unter anderem von Horst Niessner, Hermann Nesch und Roland Raible wurde die Arbeit der BI lobend hervorgehoben, ohne deren Zutun und Engagement man sich nicht so intensiv mit dem Thema beschäftigt hätte.

Einnahmen sind ein wichtiges Argument

Was auch immer wieder als das Argument für ein KVT herangezogen wurde, waren die Erlöse, die man mit diesem Projekt erzielen kann. Ein Regenrückhaltebecken für knapp eine Million Euro, die Erschließungskosten für das restliche Gebiet Hummelberg, die auf etwa 2,9 Millionen Euro ermittelt wurden sowie der Verkaufserlös von 1,6 Million Euro netto wären für die nicht auf Rosen gebetette Gemeinde Eutingen kein Pappenstiel.

Während der diesjährigen Klausurtagung des Gemeinderats listete man für alle vier Ortsteile Investitionen (Feuerwehrhäuser, Hallen, Sportplatz, Seniorenwohnheim, Straßenprojekt, Aussegungshalle) in Höhe von rund 15 Millionen Euro auf. Vor diesem Hintergrund und mit den vereinbarten Rahmenbedingungen in der Hinterhand war es dann klar, wo zukünftig Seehafencontainer ausgeladen werden sollwn. In Eutingen. Die Räte stimmten in geheimer Abstimmung mehrheitlich dafür.

BI-Sprecher: nicht mehr nachtreten

Die anwesenden Bürger werteten es als herbe Niederlage. Sie standen nach der Sitzung noch erregt diskutierend vor dem Rathaus. BI-Sprecher Leo Mergel ist jedoch der Meinung, dass man gekämpft hat, alles getan habe, den KVT zu verhindern jedoch nun diese Entscheidung in demokratischer Weise akzeptieren muss und nicht mehr nachtreten sollte. Rat Horst Niessner stellte fest: "Mensch Leute, wir vergeben uns doch nichts, wir sind im Gegenteil erst ganz am Anfang und können das Ding immer noch stoppen wenn wir merken, dass es gegen die Abmachungen mit uns läuft."

Info: Rahmenbedingungen

1. Für die Flächeninanspruchnahme eines KVT gelten sowohl für die Bahnflächen als auch die Gemeindeflächen, die Flächen, die in der Bürgerversamm-lung am 29. Juli vorgestellt wurden.

2. Die KVT-Anlage ist auf einen Ladekran und einem maximalen Jahresumschlag von 40.000 Ladeeinheiten, sowie auf die Nutzung von Seehafencontainern begrenzt.

3. Für ein KVT ist ein neuer Straßenanschluss an das übergeordnete Straßennetz Voraussetzung.

4. Für die Erschließung des KVT und der Gewerbegebietsflächen der Gemeinde hat eine Kostenübernahme durch den Projektträger zu erfolgen, soweit diese nicht durch Zuschüsse des Bundes und des Landes finanziert werden.

5. Vom Projektträger ist eine mit der Gemeinde festzulegende Anzahl von LKW-Stellplätzen als öffentliche Stellplätze herzustellen und zu erhalten sowie für wartende LKW-Fahrer eine öffentlich zugängliche Toilette vorzuhalten.

6. Die Betriebszeiten sind auf werktags von 6 bis 22 Uhr beschränkt.

7. Die Straßentransporte nach Süden zur Autobahn A 81 sind nicht durch die Ortsdurchfahrt von Eutingen abzuwickeln. Dafür ist ein entsprechendes Vertragswerk auszuarbeiten.

8. Zur Vorsorge einer heute nicht genau bekannten Verkehrsbelastung der Orts-durchfahrt Eutingen soll nach dem Ausbau der Hochbrücke in Horb für die Ortsdurchfahrt ein LKW-Durchfahrts-Verbot beantragt werden.

9. Im Falle einer Zustimmung des Gemeinderates zur Fortführung des Projektes, kann zur Begleitung des Planungsprozesses eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Bürger und Gemeinderäte eingerichtet werden, wenn dies von einer der angesprochenen Gruppen gewünscht wird.

10. Außer der Spedition Kußmaul darf sich auf der östlichen Fläche im Industriegebiet Hummelberg kein weiteres Speditionsgewerbe ansiedeln.