Der Radfahrverein "Edelweiß" Eutingen feierte am 25. Juli 1926 das erste Bezirksfest der Radfahrervereinigung Neckar-Nagold-Bezirk mit "Bannerweihe", was einer Großveranstaltung glich. Repro: Feinler Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Vor 90 Jahren feierte Radfahrverein Eutingen Edelweiß seine Standarte / Krieg sorgte für Auflösung des Vereins

Hänsel und Gretel, Rotkäppchen und Schneewittchen zogen vor 90 Jahren durch die Eutinger Hauptstraße. Mit einem zweitägigen Fest wurde die Standarte des Radfahrvereins "Edelweiß" Eutingen am 25. Juli 1926 gefeiert.

E utingen. Die Fahne kehrte Anfang des Monats wieder zurück ins Eutinger Rathaus, weshalb die Geschichte des nicht mehr bestehenden Vereins zumindest im Archiv weiterlebt.

Bereits am Samstagabend, 24. Juli 1926 trafen die Mitglieder des Radfahrvereins "Edelweiß" Eutingen vor der Eutinger "Linde", geht aus einem Zeitungsartikel hervor. Dessen Patenverein, der Schützenverein Eutingen, die Bannerdeputation des Radfahrvereins Hochdorf und der Radfahrverein Börstingen wurden mit einem traditionellen Marsch der Musikkapelle Eutingen auf die ehrenvolle Aufgabe eingestimmt. Denn mit dem Zug brachte der Vorsitzendes des Landesverbands, Herr Sauer, das Banner des Radfahrvereins "Edelweiß" Eutingen.

Im Namen des erkrankten Karl Krespach, Vorsitzender des Radfahrvereins "Edelweiß" Eutingen, dankte der Vorsitzendes Festausschusses, Ignaz Wehrstein. Die Musikkapelle Eutingen umrahmte die feierliche Übergabe, denn das Banner wurde vorerst ins Eutinger Rathaus gebracht. Dort dankte Schultheiß Seele, der das Banner bis zum Festakt am nächsten Tag aufbewahrte.

Der Empfang fand im Gasthaus "Dreikönig" in Eutingen statt. Im Gasthaus "Lamm" spielte erneut die Musikkapelle Eutingen, die zusammen mit der Gesangsabteilung des Kriegsvereins Eutingen den Abend umrahmten. Zahlreiche Festtagsreden wie die des Schützenvereins, des Ehrenvorsitzenden Ruf der Radvereinigung Neckar-Nagold-Bezirks und von Festdamenführer Leonhard Kramer aus Eutingen folgten.

Da der Humorant Haase aus Stuttgart eine Zugverspätung hatte, übernahmen die Mitglieder des Eutinger Radfahrvereins das Programm. "Besonders Theresia Gfrörer hat es durch Vortrag verschiedener humorvoller, witziger Schwarzwaldgedichte verstanden, allgemeine Heiterkeit auszulösen", wird im Zeitungsartikel vom 28. Juli 1926 erwähnt.

Vor dem Haus des erkrankten Vorsitzenden Karl Krespach spielten die Musiker ihm ein Ständchen. Mit Böllerschüssen und Tagwachtspielen wurden die Mitglieder und die Bürger am nächsten Morgen bereits um 4 Uhr geweckt. Nur eine Stunde später stand das erste Rennen an, mit Start und Ziel vor dem "Dreikönig" in Eutingen.

16 Rennfahrer passierten die Straße Richtung Rohrdorf, Weitingen, Mühlen und über Horb, Bildechingen wieder zurück nach Eutingen. Die rund 20 Kilometer legte Rennfahrer Rentenknecht aus Oberjettingen mit einer damaligen Spitzenzeit von 43 Minuten zurück.

Aufgrund des Regens verzögerte sich das Neulingsfahren von Eutingen über Göttelfingen, Vollmaringen, Hochdorf und wieder zurück. Mit 26 Minuten für die rund 15 Kilometer holte sich Konrad Katz aus Hochdorf den ersten Platz. Nur elf Fahrer nahmen am Bezirkslangstreckenmeisterschaftsfahren der Radfahrervereinigung Neckar-Nagold-Bezirk teil. Erstplatzierter Rentenknecht aus Oberjettingen hatte auch hier die Nase vorne. Die 55 Kilometer fuhr er in einer Stunde und 47 Minuten. Doktor Schott und seine Frau machten den Abschluss und sammelten die Verletzten auf.

Am Wirtshaus "Krone" stellten sich die Festtagsgäste auf, um in Begleitung der Musikkapelle Eutingen und der Verein zum Gottesdienst in der Eutinger Kirche zu ziehen. Pfarrer Nägele weihte dort das Banner. Der Frühschoppen fand im "Waldhorn" statt, das Mittagessen wurde in der "Linde" serviert.

Endlos reihten sich die Radfahrer und Festtagsumzugsteilnehmer auf der Eutinger Hauptstraße auf. Die "schnurgerade Aufstellung" war besonders wichtig, denn fünf Preisrichter bewerteten die einzelnen Gruppen des Umzuges. Nach den Ehrengästen folgten die Musikkapelle Eutingen, die Festdamen, der Patenverein mit Fahne, der Kriegerverein, die Musikkapelle Göttelfingen und die Radfahrvereine.

Jeder Verein hatte ein Thema bildlich umgesetzt. Der Radfahrverein Börstingen präsentierte ein Lebkuchenhaus mit Hänsel, Gretel und der Hexe. Rotkäppchen und der Wolf liefen für den Radfahrverein Hochdorf. Unterjettingen zeigte das Luftschiff "LZ 3" zum Nordpol und Horb ein Schwarzwälder Wetterhäuschen. Die Lützenharder Radfahrer versinnbildlichten den Versailer Vertrag.

"Dem Radfahrerverein Ergenzingen war leider im Gedränge der Straßen seine Gruppe mit der Darstellung der Stände, Gewerbe, Handel, Kunst, Landwirtschaft und Schifffahrt durch Anstoß an ein Haus beschädigt worden, sodass dieselbe im Festzug nicht mehr mitgeführt werden konnte", heißt es im Artikel.

Auf dem Festplatz fand anschließend ein großes Programm mit Reden von Vorsitzenden und der Festkönigin Cäcilia Odermatt statt. Als Höhepunkt wurde das Kunst- und Reigenfahren der acht Mannschaften des Renn- und Tourenclubs "Pfeil" Schwenningen beschrieben.

Die Preisrichter zeichneten Radfahrer Rentenknecht und Konrad Katz für die Toursiege aus. Die Hochdorfer erhielten für die Präsentation ihres Rotkäppchens die höchste Punktzahl. Wünsche wurden dem Radfahrverein Eutingen noch zahlreiche überbracht, so auch dieser: "Möge der Radfahrverein ›Edelweiß‹ Eutingen fernerhin in seinen edlen Sportbestreben fahren, blühen und gedeihen!"

Ein Wunsch, der nicht auf Dauer war, denn der Verein wurde vor dem Krieg aufgelöst und besteht heute nicht mehr. Jedoch erinnert das 90 Jahre alte "Banner", eine Standarte, an eine erfolgreiche und sportliche Zeit des Radfahrvereins "Edelweiß" Eutingen.