Rund 60 Interessierte trafen sich zur Wirtsgeschichte-Tour durch Eutingen an der ehemaligen Scheuer zum Löwen. Foto: Feinler Foto: Schwarzwälder-Bote

Willi Schaupp beleuchtet wechselvolle Geschichten der Eutinger Wirtshäuser / Von einst zehn blieben nur noch zwei Gaststätten übrig

Von Alexandra Feinler

Eutingen. 600 Jahre Gastlichkeit in Eutingen war der Grund, weshalb sich am Sonntagnachmittag rund 60 Personen zur Wirtsgeschichten-Tour an der ehemaligen Scheuer zum Löwen trafen.

"600 Jahre – so alt ist keine Wirtschaft hier. Die älteste mit 300 Jahren ist die Linde", erklärte Willi Schaupp von Heimat & Brauchtum. Er ging mit den Besuchern die Hauptstraße, den ehemaligen Viehweg entlang, über die Markt-, Bahnhof- und Schillerstraße zur Linde. 18 Stationen hatte er aufgegriffen.

Die erste stellte das ehemalige "Dreikönig" und heutige "Akropolis" dar, die 1789 von Josef Raible als Gasthaus "Sonne" erbaut wurde. "Es war das erste Gebäude bis zur heutigen Bushaltestelle auf der Seite der Hauptstraße", hob Schaupp hervor. 1811 kaufte Josef Lipp die "Sonne" und nutzte sie als Arztpraxis und Apotheke. Gegen 1846 benannte der damalige Eigentümer Melchior Widmaier die Wirtschaft in "Bon Auberge", "Wirtschaft zu den drei Königen" um. Denn 1830 hatte Bäcker Johann Platz auf der gegenüberliegenden Straßenseite das Wirtshaus "Sonne" gebaut, in dem Willi Schaupp heute wohnt.

Einst Schulranzenproduziert

Während des Zweiten Weltkriegs produzierte das Unternehmen Primosa Schulranzen in diesen Räumen. Von 1955 bis 1982 war eine Näherei dort untergebracht.

Die Geschichte der Wirtschaft "Engel" und der späteren Alten Apotheke kannten einige Eutinger noch, da sie in jungen Jahren das Apotheken- und Arztgebäude besucht hatten. Neu war ihnen, dass 1813 Bierbrauer Marzell Widmaier als Engel-Wirt genannt wurde und dass dieser damals schon einen Bierkeller im Eutinger Tal besaß.

Während die Außenansicht des heutigen Wohngebäudes wie vor 100 Jahren umgebaut wurde, mussten die Zuhörer beim "Lamm" an der Hauptstraße, dem heutigen Wohnhaus von Karl Kläger, ihre Fantasie spielen lassen. Auch waren die Zuhörer überrascht, dass es in Eutingen zwei Wirtschaften mit dem Namen "Lamm" gegeben hatte. Schaupp klärte sie auf: "Früher lag die Schildgerechtigkeit, das Recht auszuschenken, auf dem Haus. Melchior Teufel, der Lammwirt von der Hauptstraße, verkaufte seine Schildgerechtigkeit an Josef Krespach, der das Gebäude im Tübinger Weg besaß. Damit konnte er dieses ›Lamm‹ nennen und seine Wirtschaft im Tübinger Weg aufmachen."

Die nächste Station machten die Interessierten an der Bushaltestelle beim heutigen Haus von Franz Brobeil. Dort befand sich 1737 der "Hirsch", der um 1802 zum "Löwen" umbenannt wurde. Anton Kläger, letzter Löwenwirt, hat das Gebäude 1884 renovieren und eine Scheuer im Fachwerkstil errichten lassen.

"Wenn man bedenkt, dass es um 1840 zehn Wirtschaften in Eutingen gab und heute zwei, dann hat sich einiges verändert", sagte Schaupp. Nun bog die Menge in die Marktstraße ab. "Die Krone gehört neben der Linde und der Wirtschaft zum Pflug zu den ältesten Gasthäusern im Ort", betonte Schaupp, der eine lange Geschichte vortrug.

Am gleichen Eck machte er auf das ehemalige Gasthaus "Kreuz" aufmerksam, wo heute der Feinkost-Laden steht. Das damalige Gebäude wurde nach dem Ortsbrand 1685 errichtet, mehrfach umgebaut und vor dem Abriss von Familie Scherer als Uhrenmachergeschäft genutzt.

Nächste Station war am Haus von Christian Singer, das bis Anfang des 20. Jahrhunderts der "Adler" war. Ein Schlussstein am Türsturz zeigt das Zunftzeichen der Bäcker, die Brezel und die Schaufel, und das Gründungsjahr 1806. Das Zunftzeichen weist auf den ersten Eigentümer, auf Bäcker Wolfgang Lobmüller hin.

Wo heute eine Tanne vor der Türe des ehemaligen Anton Platz-Haus in der Marktstraße steht, war ab 1730 die Wirtschaft "Blume" untergebracht. Da diese über zehn Jahren nicht mehr bewirtet wurde, verfiel die Schildgerechtigkeit um 1781. Ums Eck, in der Bahnhofstraße, hatte bis in die 1970er-Jahre die Wirtschaft "Germania" ihren Sitz. Sie hatte ein Dutzend Pächter und Besitzer, hieß eine Zeit lang auch "Wirtschaft von Pius Seele" und wurde von Anton Gsell in den 1980er-Jahren durch ein landwirtschaftliches Gebäude ersetzt.

Das "Bürgerstüble", das 1972 von Edi und Maria Hahn eröffnet wurde, hatte die jüngste Geschichte aller genannten Wirtschaften. Die Wirtekarte von 1790 hat Eutingen Altschultheiß Christian Beuter und Besitzer des "Kreuz" zu verdanken. Er wollte nicht nur in der oberen Gass, im "Viehweg", sondern auch in der unteren Gass, heutige Bahnhofstraße, eine Wirtschaft haben. Deshalb beantragte er die Schankerlaubnis, die im zweiten Anlauf genehmigt wurde.

Viel zu erzählen gab es bei der ehemaligen Schildwirtschaft zum Pflug, die bereits 1660 in Gerichtsakten auftauchte. Schlägereien und Todesfälle deckte Willi Schaupp auf und brachte die Zuhörer mit so mancher Anekdote zum Schmunzeln. Bei der "Linde" betrachtete Schaupp das ehemalige "Waldhorn", auf dem ein Wohn- und Bürogebäude steht. Ungefähr dort, wo heute die Metzgerei Odermatt steht, befand sich einst das Gasthaus "Adler", das abgerissen wurde und 1839 durch die Apotheke von Herrn Emele ersetzt wurde.

"Linde" im Jahr 1700 erstmals genannt

Im Nebengebäude richtete 1927 Simon Odermatt im Laden eine zusätzliche Weinstube und Wurstküche ein. Später folgte das Café Odermatt. Zudem gab Schaupp Einblicke in die Geschichte des "Lamms" im Tübinger Weg (wir berichteten). In der "Linde" blickte er auf die Wirtsgeschichte seit dem 15. Jahrhundert zurück und zeigte zahlreiche Fotos und hob die Bahnhofswirtschaften hervor. Zudem erfuhren die Teilnehmer mehr über die "Linde", die 1700 mit Wirt Johann Platz zum ersten Mal genannt wird. Beim Brand 1766 wurde wahrscheinlich auch die "Linde" zerstört und 1768 neu aufgebaut, woran der Schlussstein am heutigen Eingang erinnert. 1968 wurde die "Linde" so umgebaut, wie sie heute besteht und wird seither von Hanna und Philipp Kehm geführt.

Die Teilnehmer waren sich nach fast vier Stunden einig, dass sich dieser Geschichtsnachmittag gelohnt hatte und waren dann aber froh, dass sie nicht in allen 18 genannten Wirtschaften einkehren mussten, sondern den Abschluss in der "Linde" machen konnten.