Flüchtlingshelfer: Dorfbewohner kümmern sich um die Syrer im neuen Bahnhof

Von Lena Müssigmann

Eutingen-Rohrdorf. Sprachengewirr, das Klingeln der Halli-Galli-Glocke und herzliches Lachen mischen sich am Abend im Turnraum des Rohrdorfer Kindergartens. Acht Rohrdorfer haben die Syrer, die im Bahnhof leben, zum Spieleabend eingeladen. Walnüsse und Mandarinen stehen auf dem Tisch, Knabbersachen, Getränke und etliche Gesellschaftsspiele. Mehrere Rohrdorfer Flüchtlingshelfer sind an diesem Abend mit einem Wäschekorb voller Utensilien vor dem Kindergarten gestanden. Flugs war aus dem Turnraum ein gemütlicher Ort gemacht.

Magda Schäfer war die erste Rohrdorferin, die den Eutinger Asylarbeitskreis besucht hat. Hans-Peter Teufel aus Eutingen habe dort gesagt, dass die Rohrdorfer den neuen Bahnhof in der Vergangenheit gerne als "ihren" Bahnhof betrachtet hätten, und er es toll fände, wenn sich auch Rohrdorfer um die Flüchtlinge kümmerten, die dort jetzt leben – 30 Männer aus Syrien.

Magda Schäfer hat einige Mitstreiter in ihrem Dorf organisiert und den Flüchtlingen einen ersten Besuch abgestattet. "Am Anfang waren wir etwas ängstlich, aber uns wurde gleich Kaffee und Tee angeboten", erzählt sie. Für einen ersten Begegnungsnachmittag mit allen interessierten Rohrdorfern im Gemeindehaus vor einigen zwei Wochen haben die Helferinnen Steckbriefe mit den Männern geschrieben und sie mit ihrer Geschichte besser kennengelernt. "Da war die Hemmschwelle überwunden", sagt Magda Schäfer, die inzwischen auch ihren Mann Anton und ihre Tochter Carolin für die Flüchtlingsarbeit begeistert hat.

Jetzt sei es schon so, dass sie und die anderen Ehrenamtlichen kaum mehr loskämen, wenn sie einmal mit den Flüchtlingen zusammensitzen und sich "über Gott und die Welt" unterhalten. "Man lernt so viel, es ist für uns genau so eine Bereicherung wie für sie."

Omar (40), einer der Syrer, der Englisch spricht, erzählt, dass er eigentlich nach Finnland wollte, weil er viel von den Deutschen gehört hat – zum Beispiel, dass sie nicht lachen können. "Als ich Magda getroffen habe, dachte ich, sie kann keine Deutsche sein", sagt er. Am Tisch bricht wie zum Gegenbeweis lautes Gelächter aus.

Auch Ortsvorsteher Rolf Walddörfer, den Omar als "Obama of Rohrdorf" bezeichnet, sitzt mit am Tisch und hält Uno-Karten auf der Hand. Rolf Walddörfer sagt: "Beim Spielen ist Kommunikation möglich über Gestik, ohne dass man arabisch kann." Er spricht von Freundschaft, die sich zu den Syrern entwickle. "Ich will, dass sie merken, dass sie hier willkommen sind." Die Rohrdorfer hätten den ersten Begegnungstreff mit den Syrern kürzlich gut angenommen. "Da ist erst mal Neugier, ein Abtasten, manchmal ist auch Angst dabei", sagt Walddörfer. Er will die Einwohner ermutigen, zu Aktionen der Flüchtlingshelfer wie dem Spieleabend zu kommen. "Solche Treffen bauen Angst ab."

Die Aktionen bringen das Dorf, das an einem Abend mitten in der Woche doch eher verschlafen wäre, in Schwung. Einige Rohrdorfer finden sich zusammen, um den Neuankömmlingen was zu bieten. Was hätten die Flüchtlingshelfer an diesem Abend gemacht, wenn sie nicht zum Spieleabend gekommen wären? Sie hätten ferngesehen, sagen die meisten von ihnen. Allein zuhause.

Die Syrer sind froh über den Kontakt. Omar sagt: Wenn sich die Helfer nicht allerlei einfallen lassen würden, wäre Rohrdorf für ihn langweilig. "Sie sind jetzt unsere Familie", sagt er.

"Es wäre einGewinn, wenn sie sichintegrieren"

Uno ist der Renner an diesem Abend: Auch Margit Schweizer hat das Kartenspiel auf der Hand. Sie hält es für gesellschaftlich notwendig, dass sich die Syrer angenommen fühlen. "Viele bleiben hier, denke ich. Es wäre ein Gewinn, wenn sie sich integrieren", sagt sie. "Und auch diejenigen, die gehen, nehmen ein Bild von uns mit."

Thomas Schmid spielt mit zwei Männern Mensch-Ärgere-Dich-Nicht. Schmid erlebt mit der Diskussion über die Zahl der Flüchtlinge ein Déjà-vu. "Vor 30 Jahren habe ich meinen Zivildienst im Asylantenlager in Horb gemacht", sagt er. Damals seien insbesondere Flüchtlinge aus Ghana, dem Iran, Irak und Palästina in der Kaserne untergebracht gewesen. "Das waren die gleichen Diskussionen wie heute. Es hieß auch damals: Das geht nicht", sagt er.

Er hat bis heute Kontakt zu einer Frau, die damals aus dem Iran geflohen war und inzwischen als Autorin in den USA arbeitet. Sie sei Deutschland immer noch dankbar dafür, dass sie hier zunächst aufgenommen wurde – für sie der Start in ein neues Leben. Die Möglichkeit, geschützt neu zu starten, müsse man den Leuten heute auch ermöglichen, sagt Thomas Schmid. Auch seine Frau Margit Schmid (49) hilft mit. Sie sagt: "Uns geht’s so supertoll. Ich will meine Zeit sinnvoll einsetzen."

Sie hat ein Kinderspiel dabei, das deutsche Wörter mit Symbolen erklärt. Sie bleibt bei ihrem Spiel und wechselt die Plätze, um möglichst vielen der Männer an diesem Abend ein paar Brocken Deutsch beizubringen. Hase. Eis. Haus. Fisch. Und Herz.