In Zukunft soll es Plastiktüten nur gegen eine Abgabe geben Foto: dpa

Viele Verbraucher greifen an der Kasse noch schnell zur Plastiktüte, das will die EU ändern. Die Mitgliedsstaaten sollen Abgaben auf Tüten einführen.

Brüssel/Berlin - Beim Einkauf werden sich die europäischen Verbraucher bald umstellen müssen. Denn die Bundesregierung muss sich nun entscheiden, wie sie den Verbrauch von derzeit 71 Tüten pro Person und Jahr in Deutschland drastisch senkt.

Entweder man führt bis 2017 einen Abgabepreis ein, wie er schon jetzt von einigen Einzelhandelsketten erhoben wird. Oder man drückt mit anderen staatlichen Mitteln den Verbrauch auf höchstens 40 Tüten pro Jahr. Ziel ist es, den Verbrauch der mittelleichten Tüten, die 0,5 Millimeter dick sind, um 80 Prozent zu reduzieren. Dieses Ziel muss spätestens 2025 erreicht sein. „Wenn diese Einigung zustande kommt, ist es ein historischer Schritt, Plastiktüten und -müll in der EU endlich zu verringern“, sagt die Grünen-Umweltpolitikerin und Europaabgeordnete Margrete Auken. Noch verbraucht jeder EU-Bürger durchschnittlich 198 Tüten pro Jahr. Rekordhalter sind die Portugiesen, von denen jeder bis zu 500 Taschen aus den Fächern an den Kassen zupft.

Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe fordert von der Bundesregierung, sich am irischen Modell zu orientieren und noch 2015 eine Abgabe einzuführen. „Dort wird jede Tüte mit einer extra Abgabe von 22 Cent belegt.“ Das Geld, dass man so einnehme, solle in Mehrweg- und Recyclingsysteme investiert werden. „Am Beispiel Irland sieht man auch, dass eine Abgabe Wirkung zeigt“, sagt Resch. Dort sank der Verbrauch nach Einführung einer Abgabegebühr von 22 Cent pro Plastiksack auf inzwischen 20 Tüten pro Kopf und Jahr.

Die Umweltpolitikerin der Liberalen im EU-Parlament, Gesine Meißner, warnt aber vor „unsinnigen Produktverboten“, die den Binnenmarkt „beschädigen“. Der Handelsverband Deutschland hält nichts von einer Abgabe. „Die Deutschen verbrauchen wenig Tüten und haben schon jetzt ein hohes Bewusstsein für deren Gebrauch “, sagt Geschäftsführer Kay Falk.

Die Brüsseler Plastik-Reform enthält einige Ausnahmen, die unerwartet aufgenommen wurden. So hatte sich das Europaparlament ursprünglich für ein Verbot der besonders dünnen Oxo-Plastiktragetaschen ausgesprochen, die häufig an Gemüse- und Obst- sowie Fleischtheken zur Verpackung von Lebensmitteln genutzt werden. Sie darf es auch künftig geben – zum einen aus hygienischen Gründen, zum anderen, um die ökologisch gesehen weitaus schädlicheren Hartschaumschalen zu vermeiden.

Dennoch bleiben gerade die fast transparenten Beutel eine Gefahr, denn sie gelten ebenso wie diese Plastiktaschen als besonders langlebig: Erst nach rund 450 Jahren baut sich der Kunststoff in der Umwelt ab. Bis dahin stellen die Reste der einstigen Taschen ein ständiges Risiko für die Tierwelt dar: Bei der Entsorgung rutschen viele Kunststoffteile durch, oder sie zersetzen sich in Mikroplastikteilchen, die sich dann in den Weltmeeren sammeln. So treibt zwischen der Adria und der türkischen Riviera ein Kunststoffteppich aus 250 Milliarden Teilchen, der über 500 Tonnen wiegt – zu einem Teil besteht er aus Resten ehemaliger Tragetaschen. „Es muss eine Diskussion darüber geben, was Kunststoff in unserer Umwelt macht“, sagt Resch von der Umwelthilfe. Die Brüsseler Kommission will nun eine Studie über das Risiko dieser Beutel in Auftrag geben, um dann zu entscheiden, ob auch sie vom Markt verschwinden sollen.

Das Augenmerk der EU richtet sich nun aber auf die größeren Einwegbeutel. Zwar seien die Bundesbürger bereits daran gewöhnt, nach dem Einkauf für eine Plastiktüte zu zahlen, hieß es gestern aus der deutschen Delegation in Brüssel. Allerdings gebe es noch viele Branchen, die die bunten Behältnisse ohne Aufschlag abgäben. Das dürfte sich nun bald ändern, wenn Berlin die europäische Vorschrift in nationales Recht umsetzt.