Die EU plant Reform der Agrarpolitik - Keine Vorteile für Landwirten im Südwesten.

Stuttgart - Baden-Württembergs Bauern sehen wenig Geld aus dem milliardenschweren EU-Haushalt. Obwohl die Agrarpolitik die heimische Landwirtschaft benachteiligt, will die Landesregierung keine Änderung - allen anstehenden Reformvorhaben der EU-Kommission und Warnungen von Agrarökonomen zum Trotz.

Landwirte leben von der EU. Zumindest für Baden-Württemberg ist das ein Gerücht. Mehr als die Hälfte der rund 49.000 Betriebe bekommt weniger als 5000 Euro EU-Hilfen. Jährlich. Das hängt mit den vielen Nebenerwerbslandwirten zusammen, die hierzulande typisch sind und jeweils nur einige Hektar bewirtschaften.

Der Zuschuss aus der EU-Kasse ist streng flächenbezogen und bewegt sich bei etwas mehr als 300 Euro je Hektar - unabhängig von der Topografie: Für eine Wiese auf einem steilen Schwarzwaldhang bekommt der Bauer nicht mehr als für einen leicht zu bearbeitenden Acker in der Rheinebene. Auf extreme Anforderungen bei der Bewirtschaftung nimmt das Brüsseler Verteilungssystem keine Rücksicht.

Landwirt Eugen Göppert bekommt das zu spüren, körperlich beim Mähen seiner Wiesen, finanziell auf dem Konto. Er hat seinen Hof im Schuttertal im Schwarzwald. Höhenunterschiede von bis zu 600 Metern prägen den Ort. Er kennt sich mit Steillagen aus. 2009 hat Göppert knapp 15.000 Euro für seine 50 Hektar als Direktzahlung aus Brüssel erhalten. Weitere 15.000 Euro gingen auf sein Konto für die Pflege von Biotop-Flächen. Diese Zahlungen sind kein Geheimnis. Jeder kann sie im Internet auf einer Seite der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung nachlesen (www.agrar-fischerei-zahlungen.de).

30000 Euro, das ist kein auffälliger Betrag - aber für Göppert wichtig, damit sein Hof überleben kann, wie er betont. Unten, in der Rheinebene, zeigen zwei Landwirtskollegen aus seinem Nachbarort Neuried, dass man mit Brüssel richtig Geld verdienen kann. Der eine kommt 2009 laut Datenbankeintrag auf eine halbe Million, der andere auf sogar 600.000 Euro EU-Agrarsubventionen.

Die Landespolitik spielt auf Zeit

Von 2014 an könnte sich die Höhe der Brüsseler Subventionen allerdings ändern, wenn die 27 EU-Staaten dies so beschließen sollten. Die seit 2007 laufende Förderperiode endet bis dahin. Klar ist, die EU wird um weitere landwirtschaftlich geprägte Mitgliedstaaten wachsen, jedoch nicht annähernd in einem ähnlichen Maß der EU-Haushalt. Die Verteilungskämpfe werden härter.

Das weiß die Landesregierung. Dennoch zeichnet es sich nicht ab, dass aus Baden-Württemberg grundlegende Forderungen kommen werden, die heimische kleinteilige Landwirtschaft beim Geldverteilen künftig gerechter zu berücksichtigen. Im Gegenteil, erste Reaktionen plädieren für ein Weiter-so. Da sind sich baden-württembergische CDU-Europaabgeordnete und die Landesregierung einig. Die Direktzahlungen, von denen in Deutschland hauptsächlich großflächige Betriebe in Norddeutschland profitieren, sollen ohne Abstriche beibehalten werden. Die zweite Säule, über die Umweltprogramme finanziert werden und von der gerade Kleinbauern profitieren können, wird voraussichtlich nicht wachsen.

Die Landespolitik preist den bäuerlichen Kleinbetrieb in Sonntagsreden. Tatsächlich spielt sie auf Zeit, um das Verschwinden unwirtschaftlich arbeitender Höfe hinauszuzögern. Mit Subventionen werden Kleinbetriebe über Wasser gehalten. Allerdings nur notdürftig. Insolvenzen in großer Zahl will die Regierung vermeiden. Dauerhaft werden sich die Kleinen dennoch am Markt nicht halten können. Spätestens wenn der Betriebsinhaber in Rente geht, wird der Hof aufgegeben, weil sich kein Nachfolger findet, der unter solchen Bedingungen weitermachen will. So findet der Strukturwandel im Land schleichend statt.

Nur starke Betriebe werden in Zukunft profitabel wirtschaften. Das gibt die Brüsseler Agrarpolitik vor. "Die Direktbeihilfen sind nicht dazu gedacht, wettbewerbsunfähige Betriebe am Leben zu erhalten", hat EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos beim Deutschen Bauerntag klargemacht.

Direktzahlungen sollen abgebaut werden

Die Landesregierung sieht das auch so - ohne es deutlich zu sagen. Ein Bruch mit dem System ist nicht gewollt. Auch deshalb nicht, weil man sich mit den anderen Bundesländern, aber auch in Brüssel nicht anlegen will. Denn im schlimmsten Fall könnten die Landwirte bei einem Streit ihrer Agrarminister Subventionsansprüche verlieren und die Auflagen strenger werden.

Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach, fasst es ein Agrarexperte im Ministerium zusammen. Das geht aber nur gut, solange in Baden-Württemberg ausreichend Landwirte ihren Beruf ausüben, die für vergleichsweise wenig Geld in aufwendigen Lagen die Landschaft pflegen und nicht nur Böden beackern. Andernfalls müsste die öffentliche Hand die Landschaftspflege übernehmen.

Natürlich gibt es Stimmen im Europaparlament, besonders bei den Grünen und Sozialisten, die eine grundlegende Agrarreform befürworten und Umweltaspekte in den Vordergrund gerückt sehen wollen. Dazu sollte ihrer Meinung nach das System der Direktzahlungen konsequent eingeschränkt, wenn nicht sogar die erste Säule komplett abgeschafft werden. Warum erhalten Landwirte pauschal Geld für eine Leistung, die nur allgemein definiert ist? Warum werden Unternehmen der Lebensmittelbranche mit EU-Millionen subventioniert, die auch ohne Gewinn bringend arbeiten?

Auch Harald Grethe, Agrarökonom an der Universität Hohenheim, hält es für richtig, Direktzahlungen Schritt für Schritt abzubauen und Landwirte nur noch für konkrete Leistungen zu bezahlen, die von der Gesellschaft auch gewollt seien. "Nur so kann man den Einsatz von Steuergeldern für die Landwirtschaft rechtfertigen", sagt er. Das derzeitige System verlangsame letztlich nur den Strukturwandel im Agrarbereich, verhindere ihn aber nicht.

Die EU-Kommission hat zur nächsten Agrarreform eine Befragung im Internet gemacht. Landwirt Eugen Göppert hat sich daran beteiligt. Auch er hält grundsätzlich am System fest - trotz aller Nachteile für seinen Betrieb. Was man hat, das hat man. Doch abgesehen davon, gehört Göppert nicht zu den Landwirten, die sich zum Spielball der Agrarpolitik machen lassen. Mit Kollegen hat er den Verein Echt Schwarzwald gegründet. Unter diesem Label vertreiben die Landwirte und Metzger zu guten Preisen Fleisch, Schnaps, Honig und Milch. Göpperts Spezialität ist übrigens selbst gemachtes Eis mit bis zu 30 Sorten. Das verkauft er allerdings ohne Subventionen.