Die Parlamentarier wollen mehr Mitbestimmungsrechte. Sie drohen, andernfalls die Abstimmung am 9. Februar platzen zu lassen.

Stuttgart/Brüssel - Die Turbulenzen um die Wahl der neuen EU-Kommission und damit um den Wechsel des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger als deutscher EU-Kommissar nach Brüssel reißen nicht ab. Nach dem Aus der bulgarischen Kommissionskandidatin und der damit verbundenen Verschiebung der Kommissions-Wahl vom 26. Januar auf den 9. Februar ging man davon aus, dass die neue EU-Kommission an diesem Tag vom Parlament in Straßburg auch gewählt wird. Nun aber gibt es neue Zweifel.

Die Parlamentarier verlangen von Kommissionspräsident José Manuel Barroso mehr Mitbestimmungsrechte und drohen, die Abstimmung am 9. Februar platzen zu lassen. Dann würde sich die Wahl auf den 24. oder 25. Februar verschieben. „Wir wollen keine Abziehbilder sein, sondern den politischen Prozess aktiv mit gestalten können“, bestätigte Rainer Wieland, CDU-Landesgruppenchef im Europaparlament, gegenüber dieser Zeitung den parteiübergreifenden Unmut. Die Parlamentarier verlangen von Barroso die Unterschrift unter eine so genannte interinstitutionelle Vereinbarung. „Bevor Barroso sie nicht unterschrieben hat, wird es keine Abstimmung über die Kommission geben“, betont Wieland.

Nach Recherchen dieser Zeitung soll sich Barroso bei verschiedenen Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, über die Haltung der Parlamentarier beschwert haben. „Wir bekommen Anrufe aus den Hauptstädten, wir sollten unseren Widerstand aufzugeben“, sagte die Europaabgeordnete Inge Gräßle (CDU). Es gehe jetzt aber „um Schlüsselfragen“, so Gräßle: „Die Kommission ist ein Angsthasenverein. Es muss grundsätzlich geklärt werden, auf wen sie künftig hört: Auf die Volksvertreter im Parlament oder auf die Regierungen der Mitgliedsstaaten?“

Als negatives Beispiel nennt Gräßle den bisherigen irischen EU-Kommissar Charlie McCreevy. „Europa setzt überall Standards. Aber er hat trotz der Beschlüsse des Parlaments keine Regelungen für die Finanzmärkte erlassen. Das war ein schwerer Fehler.“ So etwas dürfe es nicht mehr geben. Gräßle: „Wir brauchen keine nationalen, sondern europäische Lösungen. Wenn Herr Barroso sich stur stellt, wählen wir halt seine Kommission nicht.“