In der Europäischen Union gibt es eine Reihe von Ländern, die hoch qualifizierte Fachkräfte haben. In Deutschland gibt es einige Programme, um vor allem junge Menschen für eine Beschäftigung in Deutschland zu interessieren. Foto: Caro

Viele Fachkräfte in EU-Krisenländern sind ohne Job. Deutsche Unternehmen versuchen diese anzuwerben.

Stuttgart - Die IHK Schwaben hat auf die hohen Arbeitslosenzahlen in den EU-Krisenländern reagiert: Seit Anfang des Jahres bietet sie ihren Mitgliedsunternehmen einen speziellen Vermittlungsservice an. „Wir verstehen dies als Teil unserer Aktivitäten mit Blick auf den sich abzeichnenden Fachkräftemangel”, erklärt Axel Sir, der bei der IHK Schwaben das Geschäftsfeld International leitet. Im vergangenen Jahr hat die IHK in Spanien und Griechenland den Kontakt zu den örtlichen Ingenieurkammern hergestellt, um Unternehmen, die diese Berufsgruppe suchen, eine konkrete Anlaufstelle zu bieten. Für Irland gibt es einen ähnlichen Service, der nicht berufsgruppenspezifisch ist. Die IHK Schwaben kooperiert dazu mit der jeweiligen Auslandshandelskammer beziehungsweise mit einem Partner aus dem Enterprise Europe Network (EEN), einem Netzwerk der Europäischen Kommission zur Unterstützung von Unternehmen und Innovation. Über diese Partner läuft dann die eigentliche Suche.

„Wir wollen das Angebot nun bekannter machen”, sagt Sir, denn bislang werde es von den hiesigen Unternehmen noch verhalten angenommen. So wird demnächst zum Beispiel ein Vertreter der Auslandshandelskammer Spanien bei der IHK einen Vortrag halten, um interessierten Personalverantwortlichen und Geschäftsführern die neuen Möglichkeiten zu erläutern. Laut Stefan Hardege, Referatsleiter Arbeitsmarkt und Zuwanderung beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag, greifen inzwischen einige IHKs mit Informationsveranstaltungen das Thema „Anwerben von ausländischen Fachkräften” auf, auch in Kooperation mit den Auslandshandelskammern. „Denn das Interesse der Unternehmen an Maßnahmen zur Fachkräftesicherung nimmt zu.” Auf breiter Front findet derzeit aber sicherlich keine Suche nach geeigneten Fachkräften in EU-Krisenländern statt. Es scheint in vielen Unternehmen auch unbekannt zu sein, auf welchen Wegen sie Fachkräfte dort gezielt ansprechen könnten.

Nicht immer decken sich die Qualifikationen mit dem Bedarf

Die wichtigste Anlaufstelle ist zweifellos die Agentur für Arbeit, konkret deren Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV). Die ZAV legt ihren Schwerpunkt bei der Rekrutierung im Ausland auf Ingenieure, technische Fachkräfte, Mediziner, Alten- und Krankenpflegekräfte. Neben den neuen EU-Ländern konzentriert sich die ZAV wegen der Euro-Krise besonders auf Spanien, Portugal und Griechenland. „In Südeuropa besteht bei vielen Menschen aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit natürlich ein besonderes Interesse”, sagt Beate Raabe, zuständig für Presse und Marketing bei der ZAV, „aber nicht immer decken sich die Qualifikationen mit dem Bedarf in Deutschland.” Ein arbeitsloser griechischer Archäologe wird kaum auf dem hiesigen Arbeitsmarkt fündig werden. Es ist also keineswegs so, dass ein Unternehmen automatisch mit geeigneten Bewerbern „überrannt” wird, wie das in Einzelfällen passiert sein mag.

Die ZAV bietet Unternehmen an, Stellenanzeigen in den gewünschten europäischen Ländern zu veröffentlichen und eine Vorauswahl unter den Bewerbern aufgrund des formulierten Anforderungsprofils zu treffen. Erste Anlaufstelle ist der ZAV-Datenpool ausländischer Fachkräfte, die an einer Beschäftigung in Deutschland interessiert sind und die formalen Voraussetzungen dafür erfüllen. Ansonsten sind in den EU-Ländern die dortigen öffentlichen Arbeitsverwaltungen die Anlaufstelle für die Bewerber. Interessierte Unternehmen können auch an Veranstaltungen in den jeweiligen Ländern teilnehmen, um vor Ort erste Kontakte zu potenziellen Kandidaten knüpfen oder konkrete Vorstellungsgespräche führen zu können. „In den einzelnen Staaten finden pro Quartal mehrere solcher Veranstaltungen statt”, so Raabe. Natürlich ist es jedem Unternehmen unbenommen, interessante Kandidaten vorab bereits per Telefon oder Skype zu interviewen und sich so ein konkreteres Bild vom Bewerber zu machen.

Im Rahmen des europäischen EURES-Netzwerks (European Employment Services) bietet sich Unternehmen mit maximal 250 Mitarbeitern sogar die Möglichkeit, an Zuschüsse für Integrationsprogramme, also etwa Sprachkurse, zu kommen. Die Europäische Kommission will mit den Zuschüssen die Arbeitsmarktmobilität junger EU-Bürger fördern. Die infrage kommenden Arbeitnehmer müssen zwischen 18 und 30 Jahre alt und über EURES vermittelt worden sein; eine Einstellung muss für mindestens sechs Monate erfolgen. Trainees, Praktikanten und Entsendungen werden nicht gefördert. Ansprechpartner für interessierte Unternehmen ist wiederum die lokale Arbeitsagentur. Freilich sind das alles nur die formalen Rahmenbedingungen, um EU-Fachkräfte auf sich aufmerksam zu machen. „Wer ausländische Fachkräfte anwerben möchte, sollte sich Gedanken über seine Kompromissbereitschaft machen und über mögliche Anreize nachdenken, die er Bewerbern bieten kann”, empfiehlt Raabe. „Fragen Sie sich, warum ein Kandidat gerade in Ihrem Unternehmen arbeiten sollte.” Unterstützung bei der Suche nach einer Wohnung und nach Kinderbetreuungsplätzen oder die Kostenübernahme von Deutschkursen zum Beispiel signalisieren dem ausländischen Arbeitnehmer, dass er in Deutschland nicht nur als Lückenfüller fungieren soll, sondern tatsächlich willkommen ist.