Dreharbeiten im Chefzimmer – alles holzgetäfelt: Manfred Schmider, gespielt von Hans-Jochen Wagner. Foto: SWR/Krause

Auf den Spuren von "Big Manni": Produktion zeigt Abhängigkeit von Politik und Wirtschaft.

Ettlingen - Es ist, als sei es gestern gewesen. Industriegebiet Ettlingen. Eine schmucklose Ansiedlung von Firmen. Mittendrin der Sitz von FlowTex. Dritter Stock, das Chefzimmer. Alles holzgetäfelt. Schwere Ledersessel, dicke Sofas, historische Bücher im Regal. Manfred Schmider, lockiges Haar, sichtbarer Bauchansatz, rote Krawatte, dunkler Anzug, hat die Füße auf den Schreibtisch gelegt und telefoniert mit seiner Frau. Da klopft es an der Bürotür. Die Sekretärin bittet um Einlass für die zwei Herren von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). "Sie sind also dieser Irrsinnige mit den Horizontalbohrmaschinen", sagt einer der Banker, um schnell nachzuschieben "Späßle gemacht". Die Türen schließen sich. Geldgeschäfte sind schließlich nichts für die Öffentlichkeit.

Ja, so muss es gewesen sein, einst, als die Unterhändler der Banken und Leasinggesellschaften sich hier vor den Toren von Karlsruhe die Türklinke in die Hand gaben, um mit Schmider ins Geschäft zu kommen. Jetzt, an diesem schwülheißen Juli-Tag, ist alles nur gespielt. Manfred Schmider, dargestellt von Hans-Jochen Wagner, der demnächst den neuen Kommissar im SWR-Tatort gibt, und seine beiden Gäste aus der Welt des Geldes, pusten sich mit Mini-Ventilatoren etwas frische Luft zu.

Stundenlang hat Regisseur Niki Stein vor dem Drehstart mit Schmider in Mallorca den Fall durchgesprochen

Der Südwestrundfunk macht aus einem der größten Fälle von Wirtschaftskriminalität Deutschlands eine Mischung aus Krimi, Dokumentation und Reportage. Oder wie es Produzentin Sabine Tettenborn umschreibt: "Dieser Film ist keine Komödie, sondern eine Realsatire." Der Titel sagt vieles über die Tragweite: "Big Manni". So war Schmiders Spitzname, so hat er sich selbst gern gesehen.

Die Luft ist stickig. Regisseur Niki Stein treibt die Schauspieler zu Höchstleistungen. "Noch mal, Ruhe bitte", brüllt er hinaus in den Gang, wo Techniker, Tonfachleute, Komparsen und die Mitarbeiterinnen der Maske sich die Füße in den Bauch stehen und das Mineralwasser ausgeht. Stundenlang hat Stein vor dem Drehstart mit Schmider in Mallorca zusammen gesessen, hat den ganzen Fall durchgesprochen, nach der Motivation für die kriminellen Machenschaften gefragt. Über das Gespräch mag der erfolgsverwöhnte Regisseur nichts erzählen. Nur so viel verrät er: "Wir wollen Manfred Schmider nicht porträtieren, sondern zeigen, wie leicht sein Umfeld, die Regierenden, die Finanzbehörden und andere es ihm gemacht haben."

Der Chef am Set weiß nur zu gut, dass an diesen Film hohe Erwartungen geknüpft sind, immerhin spielt er im Dreieck zwischen Politik, Wirtschaft und Kriminalität. Ein Beispiel von vielen: Schmiders rauschende Partys oben auf dem Turmberg bei Karlsruhe. Banker, Wirtschaftsbosse, Politiker, sie alle kamen aufs Anwesen des Tiefbohrer-Königs, haben sich an Champagner und Hummer gelabt, im Scheinwerferlicht gesonnt. Szenen, die genauso zum Film gehören wie Schmiders größenwahnsinniger Plan, sich mit dem Baden-Airpark unweit von Baden-Baden einen eigenen Flughafen samt Gewerbepark zu kaufen. Die Politiker standen dabei, gratulierten und wurden am Ende genauso getäuscht wie die Banken.

Inzwischen gibt es den Flughafen, gedreht werden muss diese Passage deshalb in Lahr. Es ist einer von 23 Tagen. Ein Mammutaufwand für einen Mega-Skandal.

Überhaupt, die Drehorte. Nicht überall ist das TV-Team willkommen. "Wir haben in der Umgebung eine Werkhalle gesucht", erzählt Produktionsleiter Hartwig König vom SWR, schließlich will man einige dieser Maschinen im Film auch zeigen. Doch nicht selten treffen die Verantwortlichen in der Vorbereitung auf verschlossene Türen. "Viele wollen mit dem Fall FlowTex nichts mehr zu tun haben." Der Grund? Die einen kannten Schmider persönlich, andere kennen frühere Mitarbeiter von ihm. Warum sich unnötig Nachfragen einhandeln, wird sich mancher denken.

In der Tat gleicht der Fall FlowTex einem Sinnbild für den Dreiklang von Tarnen, Tricksen, Täuschen. Als die Affäre im Jahr 2000 auffliegt, ahnt noch niemand, welche Dimension von Bestechlichkeit und Betrug sich dahinter verbirgt. Jahrelang haben Schmider und seine Helfer die Banken und Leasinggesellschaften mit der vermeintlichen sensationellen Weltneuheit getäuscht – jenen Horizontalbohrmaschinen, die Rohre und Leitungen verlegen, ohne dass dafür Straßen aufgegraben werden müssen.

Erst die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften im In- und Ausland offenbaren die Luftnummern. FlowTex hatte offiziell 3142 Exemplare dieser Bohrmaschinen verkauft, in Wahrheit existierten aber nur 270 Stück. Der Schaden des Schneeballsystems, bei dem mit Krediten weitere Kredite finanziert werden: rund drei Milliarden Euro.

Leben in Luxus: ein Hubschrauber, der vom Anwesen auf dem Turmberg hinunter nach Ettlingen fliegt

Vieles davon sehen die Gläubiger später nie wieder. Manche Bank treibt es an den finanziellen Abgrund, einige Politiker wie den früheren Wirtschaftsminister Walter Döring und Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (beide FDP) kostet es wegen widersprüchlicher Aussagen zu der Affäre ihr Amt. Schmider hingegen hat sich über Jahre hinweg ein Leben in Luxus gegönnt.

Yachten, Häuser, Flugzeug, teure Gemälde, wertvoller Schmuck, ein Hubschrauber, der ihn die wenigen Kilometer vom Anwesen auf dem Turmberg hinunter nach Ettlingen fliegt, und, und, und. Im Zuge der Dreharbeiten wird auch für Regisseur Stein die gesamte Tragweite dieser Tragödie erst richtig sichtbar: "Bei Schmider war praktisch alles Kulisse, da war nichts dahinter. Denn es herrschte ein Prinzip des Blendens."

Der 90-minütige Film wird dieses Sittengemälde aufzeichnen. Mit allen Konsequenzen. Gerade auch für Schmider, der einst zu elfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde, dann vorzeitig frei kam, jüngst aber erneut in einem Folgeprozess über den Verbleib mancher Luxusgüter zu einer Haftstrafe verurteilt wurde.

Vieles davon ist erledigt, manches wird der Film – Ausstrahlung wahrscheinlich Ende 2017 – in Erinnerung rufen. Dann aber wird in Ettlingen von FlowTex nichts mehr zu sehen sein. Der Schriftzug auf dem Dach, das Firmenlogo an den Bürotüren, die Overalls für die Mitarbeiter, die Fahrzeuge von damals, alles wird wieder abgebaut sein. Es war ja nur ein Film.