Eine von 571 bekannten Wildbienenarten in Deutschland. Weltweit wird ihre Zahl auf mehr als 20 000 geschätzt. Foto: Fotolia

DNA-Barcoding-Projekt: Forscher entschlüsseln erstmals das Erbgut von 560 Wildbienenarten.

Stuttgart - Jeder kennt Strich- und Barcodes im Supermarkt. Mit Hilfe eines Scanners kann man damit schnell und unkompliziert den Preis einer Ware ermitteln. Hinter den verschieden breiten, parallelen Strichen und Lücken verbirgt sich eine elektronisch lesbare Symbolschrift, die mit optischen Lesegeräten maschinell eingelesen und elektronisch verarbeitet werden kann.

DNA-Barcoding-Projekt

Ein ähnliches Verfahren wird auch in der Biologie angewendet, um Lebewesen taxonomisch – dass heißt nach einem bestimmten Klassifikationsschema – in verschiedene Kategorien und Gruppen zu unterteilen. Hierbei wird die genetische Signatur – also die Aufeinanderfolge der Gene einer bestimmten Art – durch einen „Barecode of Life“ (Strichcode des Lebens) erfasst. Basis hierfür ist ein bestimmter Abschnitt der sogenannten Gen-Sequenz, die typisch und unverwechselbar für jede Lebensform ist.

Eine besonders wichtiges Lebewesen ist die Biene. In Deutschland sind 571 Wildbienenarten bekannt – und es könnten noch mehr sein. Forscher der Zoologischen Staatssammlung München haben 503 von ihnen und weiteren 58 Arten benachbarter Länder genetisch untersucht, die Ergebnisse in eine Gendatenbank eingespeist und katalogisiert. „Mit diesen genetischen Daten lassen sich künftig fast alle deutschen Wildbienenarten auf einfache Weise bis zur Art bestimmen“, sagt der Koordinator des deutschen Projekts, Christian Schmid-Egger. Das sei bisher nur spezialisierten Fachleuten möglich gewesen.

Es genügt künftig schon ein kleiner Teil eines toten Exemplars, um die Artzugehörigkeit zuverlässig zu bestimmen. Und nicht nur das: Von den Daten erhoffen sich die Wissenschaftler auch Hinweise auf bislang unentdeckte Wildbienenarten.

Unschätzbar wichtige Pflanzen-Bestäuber

Bienen haben für das weltweite Ökosystem und die Biodiversität – die Artenvielfalt in der Natur – eine unschätzbare Bedeutung. Zusammen mit der Honigbiene und anderen Bestäubern wie Hummeln, Käfern und Schmetterlingen sind fast 90 Prozent der Blütenpflanzen zur Vermehrung auf Bestäuber angewiesen. Die Ernteerträge würden massiv einbrechen, würden Bienen nicht mehr auf der Suche nach Nektar und Pollen die Blüten bestäuben.

Die meisten Wildbienenarten hier zu Lande stehen auf der roten Liste der gefährdeten Arten. „Die fast vollständige genetische Durchforstung des Artenbestandes in ganz Deutschland versetzt uns in die Lage, Arten völlig neu zu bewerten oder gar problematische Artenpaare zu identifizieren“, erklärt Projektleiter Stefan Schmidt.

Die beiden Projekte „German Barcode of Life“ und Barcoding Fauna Bavarica“ sind Teil eines internationalen Projekts, das 2003 von dem Wissenschaftler Paul Herbert von der University of Guelph in Kanada ins Leben gerufen wurde. 2009 startete es auch in Deutschland. Gerade Bayern ist eine biologische Schatztruhe und beherbergt mit rund 35 000 Arten fast 85 Prozent der hiesigen Fauna. Bisher konnten die Gen-Daten von mehr als 14 000 Tierarten erfasst werden.

Gencode aller Tiere in Deutschland soll geknackt werden

Das ehrgeizige Ziel des Projekts ist es, den Gencode aller Tiere in Deutschland zu knacken und in einer zentralen Datenbank zu erfassen, zu der Forscher und interessierte Laien via Internet jederzeit Zugriff haben. Für die Insektengruppe der Biene ist es die weltweit erste umfassende Katalogisierung – ein weiterer Meilenstein in der Gen-Forschung. Um die Jahrtausendwende hatten Forscher bereits das vollständige Erbgut des heutigen Menschen entziffert. Inzwischen kann aus Knochenresten sogar das Erbgut von Urmenschen wie des Neandertalers entschlüsselt werden.