Völlig ausgebrannt: Die Bauruine am 10. April nach der fürchterlichen Feuersbrunst am Tag zuvor. Foto: Zeger

Gutachter sind sich einig. Gericht nimmt psychisch angeschlagener 24-Stunden-Black-out nicht ab. War es auch versuchter Mord?

Epfendorf/Rottweil - Bei der Beantwortung der Frage, ob das Abfackeln des stattlichen Holzblockhauses am 9. April am Ortsausgang von Epfendorf in Richtung Oberndorf mit einem Mordversuch einherging, muss die erste Schwurgerichtskammer am Landgericht Rottweil viele Gesichtspunkte abwägen.

Am Donnerstag, am zweiten Verhandlungstag, bestritten zwei Gutachter – der eine zur Brandentstehung, der andere zur Persönlichkeit der 60-jährigen Angeklagten – die Schlussrunde bei den Befragungen durch die Kammer. Beide gaben mit ihren Expertisen deutliche Fingerzeige: So analysiert der psychologische Sachverständige die mutmaßlich vorsätzliche Brandlegung als eine Tat im Effekt, die stark alkoholisiert in einer psychischen Ausnahmesituation passiert sei.

Der Experte für Brandgeschehen schließt angesichts der an dem April-Donnerstag kur nach 14 Uhr nach wenigen Minuten das ganze Haus erfassenden Feuersbrunst eine zufällige Brandentwicklung aus. Eine solche Ursache hätte sich schleichend über einen längeren Zeitraum aufschaukeln müssen. Kurzum: Die Vermutung liegt nahe, dass das schreckliche Ereignis, bei dem der bauliche Blickfang fast in Windeseile von der gierigen Feuersbrunst aufgefressen wurde, inszeniert wurde.

Aber unter welchen Voraussetzungen, vielleicht gar ohne sich über das Geschehen bewusst zu sein. Die Angeklagte hatte am ersten Verhandlungstag erklärt, ab 11 Uhr am Tattag einen 24-Stunden-Black-out gehabt und vom Brandgeschehen und dessen Entstehung überhaupt nichts mitbekommen zu haben. Diese Darstellung steht aber stark im Widerspruch zu vielen Zeugenaussagen.

Nachdem bereits am Montag mehrere Ersthelfer erklärt hatten, die Frau habe nach der Tat relativ strukturiert Angaben gemacht, unterstrichen gestern mehrere Polizeibeamte diese Einschätzung. Mehrfach wurde dabei darauf verwiesen, dass die 60-Jährige bei Befragungen und damit einhergehenden Belehrungen dazu, dass sie die Aussage verweigern könne, kurz nach dem Brand und auch am Abend ihre Täterschaft zugegeben hatte. Mit einer Flasche Spiritus, die sie zum Putzen einer Vitrine bereitgestellt hatte, und Kerzen, die im Haus oft angezündet waren, könnte die Initialzündung gegeben worden sein. Gerätselt wird noch über eine verkohlte Dose, die in der Brandruine gefunden worden war und in der sich eine als Brandbeschleuniger geeignete Lösung wie Terpentin befunden haben könnte.

Fühlte sich die psychisch labile Frau wegen der anstehenden Zwangsversteigerung ihres Hauses so in die Enge getrieben, dass sie kurzen Prozess machen wollte, um das schmucke Anwesen niemand anderem überlassen zu müssen? Wieso schickte sie kurz zuvor Hund und Katze aus dem Haus, "übersah" aber ihren Mann? Ist diese Nichtbeachtung vorsätzlich geschehen? War dies dann ein Mordversuch? Oder lebte sie mit ihrem 59-jährigen Ehemann so locker zusammen, dass sie wieder einmal nicht wusste, wo er war. Dagegen spricht die Aussage eines Polizeibeamten, der von der Frau kurz nach der Tat gehört haben will, "er schläft doch".

Der Ehemann hatte am ersten Verhandlungstag versucht, seine Frau mit einer in seinen Augen unverfänglichen Version über seinen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Brandentstehung vom Verdacht des Mordversuchs reinzuwaschen. Er sei zufällig von draußen nochmals ins Haus gekommen, um etwas zu holen. Geschockt ob der massiven Rauchentwicklung habe er seine Frau dann raus auf die Terrasse geschleift.

Bei Vernehmungen am Brandtag hatte er hingegen der Polizei gesagt, er sei im Obergeschoss im Arbeitszimmer am Computer gesessen, habe es dann unten plötzlich knistern und krachen gehört und habe sich dadurch quasi im letzten Moment in Sicherheit bringen können. Als gestern seine am Dienstag wegen vieler Ungereimtheiten ausgesetzte Zeugenbefragung fortgesetzt werden sollte, berief sich der 59-Jährige plötzlich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. Der Vorsitzende Richter Karl-Heinz Münzer ließ ihn daraufhin wissen, dass er damit die Chance auf eine eindeutige Aussage im Sinne der Wahrheit verpasst habe.

Irritierend für Prozessbeteiligte und Verhandlungsbeobachter zeigt sich auch der mehrfach von Zeugen beschriebene Umgang des Ehepaars miteinander. Vor Gericht bescheinigen sie sich gegenseitig, eine gute Ehe zu führen. Am Brandtag, nach dem schrecklichen Geschehen, interessierte sich aber offenbar keiner für den anderen.

Immer wieder drängt sich in der Verhandlung auch der Eindruck auf, dass das Paar mit leichter Hand durchs Leben gehen wollte und Probleme dabei gerne ausblendete, beziehungsweise bei deren Auftauchen sich zweifelhafte Lösungwege suchte, um dann gerne anderen die Schuld für prekäre Situationen zuzuschreiben. So werden für die Zwangsversteigerung vom Bauleiter über die Bank bis zu Justizbediensteten viele verantwortlich gemacht. Entsprechend heftig wird bis heute zivilrechtlich prozessiert. Vor allem mit einem den Hausbau in Epfendorf leitenden Bautechniker, der trotz bereits mehrerer getroffener Vergleiche nach eigenen Angaben noch eine offene Rechnung von 70 000 Euro hat.

Als sich 2014 abzeichnete, dass sich die finanziellen Probleme weiter verschärfen, wurde plötzlich das heiß geliebte und 2007 bezogene Holzhaus zur Disposition gestellt. Gut verkaufen, und ab nach Kreta, hieß plötzlich die Devise. Weil es beim Verkaufsversuch ziemlich hakte, flatterte Anfang 2015 der Aufruf zur Zwangsversteigerung ins Haus. Einige Monate später ging das Haus in Flammen auf. Der Prozess wird am Dienstag, 13. Oktober fortgesetzt, das Urteil soll am 15. Oktober gesprochen werden.