Martin Kohnle, Petra Nych und Annemarie Knaus (von rechts) übergaben die gesammelten Unterschriften an Norbert Metke von der Kassenärztlichen Vereinigung. Foto: Ollenhauer Foto: Schwarzwälder-Bote

Medizin: Delegation aus Enzklösterle steckt Rahmenbedingungen für Ansiedlung eines Arztes ab

"Die Chancen sind wunderbar." Mit diesen Worten kommentierte Bürgermeisterin Petra Nych die Aussichten, die Arztpraxis in Enzklösterle bald wieder besetzen zu können. Mit einer Delegation war sie jetzt in Stuttgart, um die gesammelten Unterschriften zu übergeben.

Von Bernd Mutschler

Enzklösterle/Stuttgart . Im Gespräch mit Norbert Metke, dem Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), konnte die Delegation aus Enzklösterle die Rahmenbedingungen für die Wiederansiedlung eines Kassenarztes abklären. Jenseits der rein rechnerischen Bedarfszahlen warfen Bürgermeisterin Petra Nych, Annemarie Knaus, Claudia Ollenhauer und Martin Kohnle nachhaltige Argumente in die Diskussion: rund 75 000 Touristen pro Jahr, leicht positive Bevölkerungsentwicklung, überdurchschnittliches Alter der Hausärzte in der Region, lange Wartezeiten auf Termine und im Wartezimmer, langwierige Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Beeindruckt zeigte sich Metke von den rund 2000 Scheinen, die die Praxis des 2016 verstorbenen Allgemeinarztes Peter Hildebrand pro Quartal abrechnete – ab 1200 Scheinen gilt eine Praxis wirtschaftlich tragfähig. Die mehr als 1000 Unterschriften "Für eine kassenärztliche Versorgung in Enzklösterle" der Unterschriftenaktion unterstrichen, dass die Praxis nicht nur von den Einwohnern Enzklösterles leben muss, sondern neben den Touristen unter anderem Patienten aus Aichelberg, Nonnenmiss und Sprollenhaus anziehe. Betont wurde auch, dass das Fehlen des Arztes auch die Umsätze von Apotheke, Krankengymnasten, Einzelhandel sowie Poststelle und Banken beeinträchtige und die Daseinsvorsorge infrage stelle.

Metke zeigte drei Möglichkeiten auf, wie Enzklösterle wieder zu einer kassenärztlichen Praxis kommen kann.

Der einfachste Weg: Ein niedergelassener Arzt aus der Region stellt den Antrag auf Errichtung einer Zweigpraxis und besetzt diese mit einem oder mehreren angestellten Ärzten. Mit diesem Anliegen sei die KVBW bereits an die Hausärzte in Bad Wildbad herangetreten – die Rückmeldungen müssen noch ausgewertet werden.

Komplizierter werde es, wenn ein Arzt eine eigene Praxis in Enzklösterle eröffnen wolle. Dies erfordere aktuell – da die Bedarfszahlen "Überversorgung" signalisierten – die Feststellung des Sonderbedarfs durch den Zulassungsausschuss der KVBW.

Der dritte Weg sei der eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) mit mindestens zwei Ärzten, das durch eine Klinik etabliert wird, sozusagen eine Außenstelle der Klinik. Dieses Konzept wurde bereits mit der Sana-Klinik Bad Wildbad erarbeitet.

Die KVBW, allen voran Norbert Metke und sein Stellvertreter Joachim Fechner, sei bereit, alle drei Wege mit Enzklösterle zu gehen. Ganz aktuell werde am 12. Oktober der Zulassungsausschuss tagen, der die Weichen für die positive Feststellung des Sonderbedarfs stellen könnte.

"Die Wege sind frei geräumt"

"Die Wege sind frei geräumt. Der rote Teppich ist ausgerollt. Es kann funktionieren. Wir brauchen ›nur‹ noch die Person selbst", zeigt sich die Bürgermeisterin "hoffnungsfroh". Alles sei schon weit vorbereitet, die Praxis sei da, auch Wohnmöglichkeiten gebe es – außerdem sei nun auch klar, dass alle Sscheine mit der KV abgerechnet werden könnten, so Nych weiter, die seit einem Jahr "ununterbrochen mit Ärzten" gesprochen habe. Ein ausdrückliches Lob sprach sie der KVBW aus, die sich richtig "ins Zeug gelegt" habe. Die Unterschriften seien jetzt noch das "I-Tüpfele" gewesen.

Trotz aller Hoffnung – eine Prognose, wann die Praxis wieder besetzt ist, will Nych nicht abgeben. Denn hier gibt es noch eine ganz andere Problematik, erklärte Kai Sonntag, zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der KVBW: Derzeit würden allein in Baden-Württemberg rund 530 Hausärzte gesucht werden. Es fehle schlicht an Bewerbern, auch aus dem europäischen Ausland.