An der Freudenstädter Straße in Enzklösterle ist der Bordstein zwar schon abgesenkt. Aber immer noch zu hoch für den Rollstuhl von Helga Liebich, die deshalb keine andere Chance hat, als die Straße zu benützen. Foto: Ziegelbauer

Hindernisse sorgen für harsche Kritik. Diskussion über Barrierefreiheit im Rat. Rathauschefin weist Vorwürfe zurück.

Enzklösterle - In der Bürger-Frage-Viertelstunde der jüngsten Gemeinderatssitzung von Enzklösterle ist es um das Thema Barrierefreiheit gegangen.

Hermann Merkle, Vorsitzender des VdK-Ortsverbandes, und Manfred Liebich, Leiter der Gelsenkirchener Gruppe der Landesvertretung Selbsthilfe Körperbehinderter Nordrhein-Westfalen (BSK) kritisierten die aus ihrer Sicht fehlende Barrierefreiheit im Kurort. Merkle bemängelte wie schon bei früheren Anfragen den immer noch nicht barrierefreien Zugang zum Sitzungsraum im ersten Stock des Feuerwehrhauses, den noch nicht ganz barrierefreien Zustand zum Friedhof an der Freudenstädter Straße und den für Gehbehinderte nur mit Schwierigkeiten zu erreichenden, als Wahlraum dienenden Sitzungssaal des Rathauses. Bürgermeisterin Petra Nych hielt ihm entgegen, dass während der Zeit, in denen die Gemeinderatssitzungen wegen der energetischen Sanierung des Feuerwehrhauses in der barrierefrei erreichbaren Festhalle stattfanden, kein einziger Rollstuhlfahrer präsent gewesen sei.

Das ließ Merkle schon deshalb nicht gelten, weil Personen mit einer Behinderung von mindestens 50 Prozent offiziell als Behinderte gelten. Eine neu eingebaute Türe als Teil eines barrierefreien Zugangs zum jetzigen Sitzungsraum des Gemeinderats sei zwar vorhanden, allerdings fehle noch der behindertengerechte Zugang vom Vorplatz des Feuerwehrhauses aus. Die Frage der weiteren Nutzung des Sitzungssaales im Rathaus als Wahlraum müsse noch erörtert werden, sagte die Rathauschefin auf eine weitere Nachfrage von Merkle. "Ich habe den Eindruck, der VdK wird in Enzklösterle nicht ernst genommen", war dessen Reaktion.

Auf Rollstühle angewiesen

Manfred Liebich verbringt zusammen mit seiner Ehefrau Helga seit etwa zehn Jahren seinen Urlaub in Enzklösterle. Beide sind wegen ihrer Behinderung zur Bewältigung längerer Strecken auf Rollstühle angewiesen. Er verwies auf einige aus seiner Sicht verpasste Chancen, im Rahmen baulicher Maßnahmen Enzklösterle behindertenfreundlicher zu gestalten. Das gelte zum Beispiel für den Zugang zur örtlichen Bank und zur Bäckerei sowie für die behindertengerechte Gestaltung von Straßenübergängen. Als Beispiel verwies er darauf, dass ein vom Rathausweg kommender Rollstuhlfahrer den Gehweg talseits der Freudenstädter Straße wegen der zu hohen Bordkante nicht benützen könne und deshalb auf der Straße fahren müsse. Weitere Kritikpunkte aus der Sicht des Rollstuhlfahrers waren der Schotterbelag auf dem Köhlerweg sowie die für Rollstuhlfahrer schwierige Zufahrt zum Waldklettergarten und zum Rotwildgehege.

Nych zeigt sich überrascht

Nych zeigte sich überrascht von der massiven Kritik und reagierte mit einer Presseerklärung über in den vergangenen Jahren umgesetzten Maßnahmen für mehr Barrierefreiheit wie folgt: "Umbau des Gmelinweges zur einem barrierefreien Weg zwischen evangelischer Kirche und Kurpark, dabei Entfernung der dazwischenliegenden Treppe. Entfernung der Treppe beim Friedhof ›Mittelenzthal‹ und Bau einer Schräge. Die Entscheidung dazu fiel zusammen und auf Anregung mit dem damaligen VdK-Vorsitzenden Günther Arnz.

Der Friedhof am Kirchweg ist komplett barrierefrei gestaltet. Das Schulgebäude ist barrierefrei zu erreichen und außerdem mit einem Behinderten-WC ausgestattet. Der neue Kindergarten ist ganz auf Barrierefreiheit ausgerichtet gebaut worden. Das Feuerwehrhaus ist bewusst mit einem barrierefreien Eingang ausgestattet worden. Noch fehlt der dazugehörige barrierefreie Weg. Dieser ist aber im Plan und wird entsprechend der Finanzierbarkeit gebaut.

Beim Umbau des Kirchwegs wurden die Bürgersteige ganz abgesenkt. An der Freudenstädter Straße wurden sie niedrig gestaltet.

Der geplante Vital-/Aktiv-Park wird ein Bewegungspark. Ausgerichtet auf junge und ältere Menschen und wird vor allem auch Geräte für Rollstuhlfahrer beinhalten. Die meisten Geschäfte in Enzklösterle sind barrierefrei erreichbar. Ansonsten sind die Ladenbesitzer entgegenkommend und nehmen Bestellungen an, die sie ausliefern. Fast alle Gasthäuser sind barrierefrei erreichbar oder werden entsprechend umgebaut. Die evangelische Kirche hat speziell einen rollstuhlgerechten Eingang geschaffen. Die Festhalle ist barrierefrei."