Werden auf dem Cannstatter Marktplatz sogar alle Fahrzeuge verbannt? Die Stadtverwaltung scheut einen Vorschlag, der Einzelhandel spricht von einer Schicksalsfrage. Foto: Kraufmann

Die Einzelhändler rund um den Cannstatter Marktplatz sehen eine Schicksalsfrage darin: Werden die Autos komplett von diesem Platz verbannt? Bis Anfang April soll im Rathaus die Entscheidung fallen. Die Verwaltung traut sich offenbar keine Meinung zu.

Stuttgart - Am Dienstag soll der Startschuss für die Beratungen über die Zukunft des Cannstatter Marktplatzes fallen. Die Stadtverwaltung hat dafür eine ungewöhnliche „Beschlussvorlage“ verschickt. Darin wird den Bezirks- und Stadtbeiräten nicht ein bestimmter Beschluss vorgeschlagen, wie es üblich ist, vielmehr werden drei Möglichkeiten gleichberechtigt offeriert. Das bedeutet: Der Verwaltung ist das Eisen offenbar zu heiß.

Der Gemeinderat, meint die Verwaltung, kann entweder die bisher 50 Parkplätze auf dem Marktplatz komplett beseitigen oder sie auf 30 reduzieren. Oder er könne sich für einen „saisonal autofreien Marktplatz“ entscheiden: In den wärmeren Jahreszeiten, wenn draußen mehr Leben ist, bleibt der Platz völlig autofrei. In den kälteren Jahreszeiten ist nur der nördliche Teil – zwischen historischem Rathaus und modernem Verwaltungsgebäude – den Fußgängern vorbehalten. 30 Parkplätze bleiben übrig.

Eines scheint jetzt schon klar zu sein: Die Beratungen werden kontrovers, die Mehrheiten in sämtlichen Gremien, die bis zum finalen Gemeinderatsbeschluss tagen werden, knapp. Der Gewerbe- und Handelsverein/Bund der Selbstständigen möchte auf keinen Fall einen völlig autofreien Marktplatz, wie die Vorsitzende Angelika Grupp jetzt erneut bestätigt hat. Der Verein Die Altstadt Bad Cannstatt, dessen rund 40 Mitglieder im Bereich Marktplatz geschäftlich tätig sind, tickt ähnlich. Der Vorsitzende Dirk Strohm könnte sich mit einer Zweiteilung in einen autofreien und einen autofreundlichen Marktplatz gut abfinden. Er fürchtet aber, „dass die Lösung autofreier Marktplatz durchgedrückt wird“ und sonst nichts passiert.

Mehrheit im Gemeinderat für autofreien Marktplatz sehr wahrscheinlich

Wenn der Platz mit seinem „Hinterhofcharakter“ anschließend sich selbst überlassen würde und niemand ihn mit Veranstaltungen „bespielt“, wäre das nach Strohms Überzeugung das Todesurteil für den Einzelhandel am Platz. Solange die Räumung des Marktplatzes nicht mit Investitionen in das Parkleitsystem und ein Platzmanagement einhergehe, dürfe es keinen autofreien Marktplatz geben. Zu oft habe man Versprechungen erlebt, die nicht erfüllt wurden.

Zumindest einigen Wünschen wird in der sogenannten Beschlussvorlage ansatzweise Rechnung getragen. Die Verwaltung will sich nämlich auch beauftragen lassen, die Konzeption und die Kosten für die Einsetzung eines „Altstadtmanagers“ zu ermitteln. Außerdem für ein taugliches Parkleitsystem, das die Autofahrer zum Parkhaus Mühlgrün am Neckar umlenkt, wo es noch genügend Platz gebe. Doch ob dafür ausreichend Geld eingesetzt wird, entscheidet sich erst bei den Etatberatungen im Herbst.

Im Gemeinderat ist eine Mehrheit für einen autofreien Marktplatz ziemlich wahrscheinlich. Die Grünen, die SPD und die SÖS/Linke haben ja früher schon entschieden, dass die Verwaltung auf dieses Ziel hinarbeiten soll. Bezirksvorsteher Thomas Jakob (CDU) glaubt, dass es für die völlige Autofreiheit auch im Bezirksbeirat eine Mehrheit geben kann, für einen teilweise autofreien Marktplatz auf jeden Fall. Er persönlich könnte sich auch mit dem Komplettlösung arrangieren. Er kenne keine Städte vergleichbarer Größe in der Region, wo man auf dem Marktplatz mit dem Auto fahren könnte, sagt er. Wenn man den Parksuchverkehr wirklich aus Cannstatts Gassen verbannen wolle, der immer wieder auf den Marktplatz zurolle, „dann muss man konsequent sein“, glaubt Jakob.

Die Furcht der Einzelhändler relativiert er. Das Geschäft im Zentrum gehe am Samstag am besten – und da sei der Marktplatz wie an zwei anderen Wochentagen wegen des Wochenmarkts für Autofahrer unerreichbar. Für die drei anderen relevanten Wochentage könnte sich Jakob „kreative Ideen“ wie einen regelmäßigen Flohmarkt vorstellen. Solche Kreativität zu entfalten wäre auf Dauer der Job des Altstadtmanagers oder Cannstatter Citymanagers. Im Stadtbezirk redet man darüber schon länger. Dass der Einzelhandel dafür zur Kasse gebeten wird, ist Dirk Strohm klar. Ein wesentlicher Teil des nötigen Geldes müsse aber von der Stadt kommen, sagt er.