Der Ausbau derWindkraft im Land bringe weiträumige Auswirkungen mit sich, die über Gemeindegrenzen hinweg betrachtet werden müssten, sagt die Architektenkammer. Foto: dpa

Die Planer im Land wollen bei der Energiewende mitreden - Gestaltungsspielräume nutzen.

Stuttgart - Traditionell findet der sommerliche Empfang der Architektenkammer im Umfeld des bundesweiten Tages der Architektur statt und ist immer auch ein Rück- und Ausblick.

Für Wolfgang Riehle, den Präsidenten der Architektenkammer Baden-Württemberg, ist die Energiewende ein Thema, in das auch Architekten, Landschaftsarchitekten und Städteplaner ihre Kompetenz einbringen könnten. Vor allem die Diskussion um die Standorte für Windkraftanlagen werde nicht konfliktfrei bleiben. „Wir sind für den Ausbau der Windkraft, aber nicht an jedem Standort”, bekräftigte Riehle.

Da Windkraftanlagen weiträumige Auswirkungen mit sich bringen, gelte es, Landschaftsräume auch über Gemeindegrenzen hinweg im Zusammenhang zu betrachten und vorhandene Gestaltungsspielräume zu nutzen. Hier könnten zum Beispiel mit einer Risikoanalyse unterschiedliche Standortvarianten bewertet und mittels Computersimulation sichtbar gemacht werden, damit kommunale Entscheidungsträger und die Bevölkerung in die Lage versetzt werden, Abwägungen vorzunehmen, so der Präsident.

Ein Dorn im Auge ist ihm auch die zunehmende Verunstaltung vieler Kommunen durch verfahrensfreie Anlagen zur photovoltaischen und thermischen Solarnutzung. Seiner Ansicht nach müssten sich angemessene Gestaltung und der Einsatz ökologischer Technologien nicht ausschließen. Gerade bei großen und aufgeständerten Anlagen auf bestehenden Dachflächen sollte angemessen auf die erhaltenswerten Eigenarten von Gebäuden und auf ihre Umgebung Rücksicht genommen werden, fordert der Präsident mit Blick auf die anstehende Novellierung der Landesbauordnung.

Mittel für Sanierung in der Breite verwenden

Wenig Sinn macht für Riehle indes die Sanierung bestehender Gebäude nach dem Passivhausstandard. „Statt wenige Leuchttürme im Passivhausstandard zu sanieren, sollten die vorhandenen Mittel sinnvoller in der Breite verwendet werden”, so der Kammerpräsident.

Riehle erinnerte den anwesenden Verkehrs- und Infrastrukturminister Winfried Hermann daran, dass im Koalitionsvertrag von Bündnis 90/Die Grünen und SPD die Auslobung von Architektenwettbewerben zur Stärkung der Baukultur ausdrücklich festgeschrieben wurden. Zwar freue ihn sehr, dass das Land als Bauherr mit gutem Beispiel vorangehen wolle.

Konsequenter wäre es allerdings, wenn auch die Mitfinanzierung von Baumaßnahmen mit der Pflicht zur Auslobung eines Wettbewerbs oder zumindest zur Durchführung eines geregelten konkurrierenden Verfahrens verknüpft werde. Viele Kommunen, so der Präsident, hätten aber offensichtlich noch Berührungsängste mit diesem Instrument dieser Qualitätssicherung. Für den baden-württembergischen Verkehrs- und Infrastrukturminister Winfried Hermann ist sein erster Auftritt als Gastredner beim sommerlichen Empfang der Architektenkammer Baden-Württemberg - im letzten Jahr sprach Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid - fast ein Heimspiel. Er verbinde mit diesem Gebäude die „allerbesten Erinnerungen”, wurde hier doch der Koalitionsvertrag von Bündnis 90/Die Grünen und SPD geschmiedet und unterzeichnet, lässt er seine Zuhörer wissen.

Bitter erinnere er sich allerdings noch an jene Nacht, in der der Städtebau, das Baurecht, die Stadtentwicklung- und Planung zerlegt und auf das Finanz- und Wirtschaftsministerium, das Umweltministerium und das Verkehrs- und Infrastrukturministerium aufgeteilt wurden. „Jeder hat etwas zu seinem normalen Ressort dazubekommen. Deshalb werden die Themen auch nicht wirklich wahrgenommen”, so Hermann.

Künftigstaats- oder Landespreis für Baukultur

Er versprach, sich künftig mehr um die städtebaulichen Themen kümmern zu wollen, auch wenn er derzeit in der Öffentlichkeit nur als Straßen- und Tunnelbauminister wahrgenommen werde. Nachdem ihn Kammerpräsident Riehle aufgrund seiner Zuständigkeit für die Baukultur des Landes scherzhaft als Minister für Baukultur bezeichnete, meinte er: „Ich wäre viel lieber ein Minister für neue Mobilität und Baukultur”. Damit zumindest die Baukultur im Land den ihr gebührenden Stellenwert erhält, soll es künftig auch einen Staats- oder Landespreis für Baukultur geben, kündigte er an. Eine Referentenstelle für Baukultur gibt es schon mal. Die sei seit Kurzem auch besetzt, so der Minister.

Übrigens soll laut Hermann Baden-Württemberg eines der letzten Bundesländer gewesen sein, das so eine Stelle noch nicht hatte. Offenbar fehlt aber aufgrund der jüngsten Haushaltseinsparungen bereits das Geld für die Planstelle, so dass sich Hermann woanders bedienen muss. Originalton Hermann: „...Kaum habe ich die Stelle eingerichtet, muss ich schon darum kämpfen, dass ich überhaupt Geld dafür bekomme, um sie zu bewirtschaften. Ich habe vorher zu meinen Mitarbeitern gesagt: Dann ziehe ich lieber diese 200 000 Euro von den paar zehn Millionen Straßenbau ab, als dass ich das wieder aufgebe...”.

Das dürfte die baden-württembergischen Straßenbauer, die sich ohnehin schon von Winfried Hermann und seinen Fraktionskollegen benachteiligt fühlen, nur noch mehr in ihrem Urteil bestätigen, das Verkehrsministerium würde die Straßenbaubetriebe im Land durch ihre Verweigerungspolitik langfristig in den Ruin treiben.

Auf Anfrage teilte ein Sprecher des Verkehrs- und Infrastrukturministers mit, Winfried Hermann habe nichts gegen den Straßenbau. Die Stelle für Baukultur sei ihm aber so wichtig, dass er darum kämpfen werde. Notfalls müsste an anderer Stelle eingespart werden, relativiert der Ministeriumssprecher die Aussagen seines Ministers auf dem Empfang, sichtlich darum bemüht, den verbalen Fauxpas herunterzuspielen.