Die Schuluniform gehört zum nigerianischen Schulalltag. Die Mädchen und Jungs sind an ihren blauen Schuluniformen ganz leicht als Schüler der Christkönigschule zu erkennen. . Fotos: Lachenmaier Foto: Schwarzwälder-Bote

Das Eutinger Ehepaar Martina und Hubert Lachenmaier berichtet von seiner Reise in den Südosten Nigerias / Christkönigschule besucht

Von Martina Lachenmaier Horb. Wie kann man solch ein Land besuchen? Islamistischer Terror ist an der Tagesordnung, die Armut unübersehbar und die Korruption ein wirtschaftsbestimmender Faktor. Man kann. 14 Tage Nigeria reichen nicht für den tiefen Einblick, selbst wenn man sich keinen besseren Reiseführer vorstellen kann, als den Horber Pfarrvikar Charles Okereke, der auf Heimaturlaub war. Aber sie reichen aus um zu erkennen: Nigeria ist mehr als Terror und Armut. Die Menschen sehnen sich nach politischer Stabilität und wirtschaftlichem Aufschwung. Da unterscheidet sie nichts von Europäern. Bildung ist die Zukunft Nigerias, dessen größtes Kapital nach Milliarden von Petroldollars die Jugend ist. In die Christkönigschule zu investieren, wie es der Eutinger Förderverein "Christkönigschule in Ndiakunwanta Uno" tut, ist ein wichtiger, wenngleich kleiner Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung. Ein schmaler Pfad führt zur Schule hinab, vorbei an einem Garten, in dem eine Frau mit einer Machete dem Unkraut zu Leibe rückt. Als sie die Weißen in Begleitung von Father Charles, so nennen die Leute aus Ndiakunwanta den Horber Pfarrvikar Charles Okereke, winkt sie fröhlich herüber: "Welcome, welcome."

So begrüßt man sich in Nigeria. Dieser unvoreingenommenen Herzlichkeit kann und will man sich gar nicht entziehen. Sie steht in einem krassen Gegensatz zu den Terrormeldungen, die zum nigerianischen Nachrichtenalltag gehören. Boko Haram, die islamistische Sekte, für die Bildung Sünde ist und die den Norden das Landes mit Terroranschlägen überzieht, hat im Süden keinen Einfluss. Als Gäste eines Einheimischen kann man sich sicher fühlen. Von Terror keine Spur. Aber der Süden des Landes leidet mit den Landsleuten im Norden. Dort gibt es fast täglich Tote zu beklagen und noch immer ist das Schicksal der von der Sekte entführten über 200 Mädchen ungewiss.

Im Süden scheint die nigerianische Weltin Ordnung zu sein

Im Süden scheint die nigerianische Welt in Ordnung zu sein. Abgesehen davon, dass es kein funktionierendes Strom- oder Wasserleitungsnetz gibt, dass man auf desolaten Straßen die sich aneinanderreihenden Schlaglöcher kunstvoll umfahren muss, und dass die Korruption im Land, darüber spricht man unverhohlen, ein beklagenswerter und scheinbar unveränderbarer Zustand zu sein scheint.

Die Christkönigschule in Ndiakunwanta bringt ein wenig Normalität in den harten Lebensalltag der Nigerianer, bei dem es hauptsächlich darum geht, das Notwendigste für den Tag zu organisieren. Seien es Holz, Wasser, Gas oder Lebensmittel.

130 Mädchen und Jungen gehen auf die Christkönig-schule, das Christ The King College, wie die Secondary School in Ndiakunwanta heißt. Nach sechs Jahren in der Grundschule wollen sie an diesem katholischen College ihren Realschulabschluss oder das Abitur machen.

Eine Schulpflicht gibt es in Nigeria nicht. Ob Kinder die Schule besuchen, hängt von den Eltern ab und nicht zuletzt von deren Geldbeutel. Denn nigerianische Privatschulen müssen Schulgeld erheben, um sich zu finanzieren. Bis vor zwei Jahren taten das auch die staatlichen Schulen. Inzwischen sind diese aber kostenfrei, wodurch den Privatschulen jeglicher Couleur Konkurrenz erwächst. Dennoch ist der Zulauf zu katholischen Schulen ungebrochen. Ihr Unterricht gilt als besser, die Lehrer gelten als motivierter, was nicht zuletzt an einer verlässlichen Trägerschaft und vor allem an regelmäßigen Lohnzahlungen liegt. Nigeria gilt als eines der religiösesten Länder der Welt. Der christliche Glaube und insbesondere der Katholizismus wirken tief in das Leben der Nigerianer hinein und prägen deshalb auch die Schulwahl.

Das Christ The King College in Ndiakunwanta hat einen guten Ruf. Nicht nur im Dorf, sondern weit darüber hinaus gilt das College als vorbildliche Schule. Der Bischof von Orlu, Augustine Tochukwu Ukwuoma, in dessen Diözese die Schule liegt, hat die Schule schon besucht. Er gewährte der deutschen Vereinsdelegation eine Audienz – aber die erhofften zusätzlichen Geldmittel konnte er nicht bereitstellen. Zu viele finanzbedürftige Schulen gebe es schon in seiner Diözese. Bischöfliche Unterstützung gibt es dennoch. Er macht eine Ausnahme und wird den diözesanen Schul-Supervisor nun regelmäßig an die Christkönigschule schicken. Statt der erhofften Finanzspritze gibt es wenigstens fachliches Know-how und ein Qualitätsaudit.

Mit deutschem Standard kann die Schulausstattung freilich nicht mithalten. Das muss sie auch nicht. Die deutsche Brille taugt zur Beurteilung des Landes wenig. Für nigerianische Verhältnisse ist die Christkönigschule vorbildlich. Andernfalls hätte das nigerianische Kultusministerium den Betrieb nicht genehmigt. Es gibt sechs Klassenzimmer, Labore für Chemie, Physik und Biologie und weitere Fachräume. Dank der zahlreichen Spenden aus Deutschland konnte einheitliches Schulmobiliar angeschafft werden. In den Klassenräumen hängen moderne Schultafeln. Die Tafelaufschriebe zeigen, dass nigerianische Lehrer wie ihre deutschem Kollegen die Schüler mit mathematischen Gleichungen, chemischen Formeln oder französischen Vokabeln traktieren. Die jüngste Errungenschaft ist der Bau einer Wasserleitung, die die Schule mit Trinkwasser aus dem kircheneigenen Brunnen versorgt. Das Kindermissionswerk hat für den Leitungsbau Sternsingergelder zur Verfügung gestellt. Es sind die kleinen Schritte, die den Erfolg des Schulprojekts begründen. Sie richten sich nach der Finanzkraft des Fördervereins, der nicht nur für den laufenden Unterhalt sorgt, sondern auch Rücklagen für den Erhalt der Schule sichern muss.

Nigerianische Schüler tragen Uniform. Es ist ein Relikt aus englischer Kolonialzeit, aber identitätsstiftend und von Vorteil, wenn die sozialen Schichten an Schulen so weit auseinanderklaffen, wie es in Nigeria der Fall ist. Nicht alle nigerianischen Familien können das notwendige Schulgeld aufbringen.

Deswegen vermittelt der Verein Schulpatenschaften an arme Familien. Bildung, davon ist man beim Eutinger Förderverein überzeugt, ermöglicht den Kindern einen guten Start in ein selbstbestimmtes Leben. 32 Kinder können schon jetzt dank der großzügigen Unterstützung ihrer deutschen Paten sorglos die Schule besuchen. Und dem Verein liegt eine lange Warteliste mit neuen Bittstellern vor. 150 Euro im Jahr ermöglichen einem Kind den Schulbesuch. Spender können sich auch zu einer Patenschaft zusammenschließen.

Schulleiter der Christkönigschule ist Father Oliver, der Pfarrer der örtlichen Kirche. Er verwaltet den Schuletat. Ihm steht ein Ausbildungskomitee zur Seite, in dem auch Lehrer und Eltern vertreten sind. Und zu Charles Okereke in Horb besteht ein enger Telefonkontakt. Das Geld der deutschen Paten wird separat verwaltet. Das übernimmt Ifi Okereke. Im Auftrag der deutschen Paten bezahlt sie Schulgeld, Uniform oder Prüfungsgebühren. Was aber noch viel wichtiger ist: Selbst aus dem Dorf stammend kennt sie alle Schüler. Sie berät sie in allen schulischen Fragen und bei der Berufswahl. Wenn es um ein Studium geht, ist sie als Hochschulprofessorin eine gute Ratgeberin.

Ohne die hochmotivierten Lehrer wäre die Christkönigschule nicht so erfolgreich. Pfarrer Charles Okereke hat dies beim Treffen mit allen Schülern in der Aula betont. Er dankte den 19 Lehrerinnen und Lehrern für ihren Einsatz, den der Förderverein dieses Jahr sogar mit einer Sonder-Gehaltszahlung belohnen kann. Als Vertreter des deutschen Fördervereins sprach Hubert Lachenmaier. Zu den Schülern sagte er: "At the very end, people make the difference." Die Leistungen jedes Einzelnen machten den ausschlaggebenden Unterschied, so Lachenmaier. Die Erwartungen des deutschen Fördervereins seien nicht nur gute schulische Leistungen. Mit ihrem guten Benehmen, ihrem vom Geist der Christkönigschule geprägten Denken und Tun, könnten die Schülerinnen und Schüler den entscheidenden Unterschied machen. Den Ruf der Schule mehren, aber auch ihre Familien, ihr Dorf und ihr Land voranbringen.

Zu tun gibt es jede Menge in diesem reichen Ölförderland, das gleichzeitig so arm ist, dass der Großteil der Bevölkerung mit zwei Euro täglich über die Runden kommen muss. Da sind kluge Köpfe gefragt. Bildung, wie sie die Christkönigschule bietet, trägt einen großen Teil dazu bei.