Gerne versah Elfriede Suhr ihre Bücher mit einem Autogramm. Foto: Baiker Foto: Schwarzwälder-Bote

Die 80-jährige Elfriede Suhr stellt ihr Buch "Die Höhle vor" / Dramatische Geschichte in Oberndorf aus der Zeit des 2. Weltkriegs

Empfingen (jb). Hochachtung vor einer Familie, die in schwierigsten Zeiten trotz fast nicht aushaltbarem staatlichen Druck sehr verschwiegen war, aber auch deprimierende Eindrücke in die Zeit des zweiten Weltkrieges vermittelte Elfriede Suhr, heute 80 Jahre alt, mit ihrem Buch "Die Höhle".

Da Suhr selbst fast blind ist, las Helmut Engisch aus ihrem Buch einige Abschnitte vor. Elfriede Suhr selbst kommentierte diese Abschnitte mit sehr beeindruckenden Erzählungen, hatte sie doch alles aus eigener Erfahrung als Kind miterlebt. Ja, sie musste als achtjähriges Kind selbst die für ein Kind sehr schwierige Aufgabe des Schweigens auf sich nehmen, sonst wäre ihre gesamte Familie dem Tod ausgeliefert gewesen.

Margrit Briegel begrüßte für den Kulturkreis "Lebendiges Empfingen". David Gamerdinger umrahmte die Lesung mit seinem Saxofon, für Suhr ein freudiges Erlebnis, ist das Saxofon doch ihr Lieblingsinstrument, wie sie freudig feststellte.

Die Geschichte, die Elfriede Suhr nach Jahrzehnten des Erlebens niederschrieb, hat sie in Oberndorf als Kind erlebt. Es geht hier um ihren Lieblingsonkel Eugen.

Helmut Engisch hat Elfriede Suhr vor vier Jahren kennengelernt. Er habe ihr Büchlein – es war eine erste Fassung – gelesen. Es sei spannend, berührend und menschlich gewesen und wert richtig verlegt zu werden.

Zum Inhalt: In dieser wahren Geschichte geht es um eine Begebenheit zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, die Elfriede Suhr nicht mehr losgelassen hat. Suhr: "Drei unvorstellbar angst- und gefahrvolle Jahre haben mein Lieblingsonkel Eugen Löhrer und wir, die Familie seines Bruders Georg Löhrer, zwischen 1942 und 1945 erlebt und erlitten. Mein Onkel Eugen diente als Soldat in Russland. Er beging Fahnenflucht, flüchtete zu uns nach Oberndorf und lebte in unserer Nähe versteckt in einer Höhle im Wald. Unsere Familie wurde in jenen schrecklichen Jahren ohne Unterlass überwacht, verhört, bespitzelt und mit der Todesstrafe bedroht. Erst nach der Befreiung durch französische Truppen am 19. März 1945 konnten wir ohne Angst und menschenwürdig leben", so Elfriede Suhr in ihrer Erzählung. "Drei Jahre galt es für unsere Familie schweigen oder sterben."

In der Erzählung wurden die Namen einiger Personen verändert, dies aus Rücksicht gegenüber deren Nachkommen.

Elfriede Suhr in ihren beeindruckenden und emotionalen Kommentaren zu einzelnen Passagen des Büchlein: "Zuerst das Gefühl: Hurra, mein lieber Onkel Eugen ist wieder da. Dann, wo und wie kann er sich verstecken, verstecken zuhause ist zu gefährlich. Suche nach schwer zugänglichen Höhlen. Nach dem Finden der Höhle – er darf nur in der Nacht kommen, die Polizei war fast jeden Tag da, um zu fragen, wo Onkel Eugen ist. Nur wenige wussten es. Polizei, SA und SS setzten die Mutter unter Druck. Diphterie in der Familie – hoffentlich wird Onkel Eugen nicht krank. Sonderbar: in den drei Jahren in der Höhle war er nie krank. 1942/1943 strenger Winter. Entfernung Elternhaus zu Höhle ein Kilometer, nach Aichhalden zu einem weitläufig verwandten Bauern 23 Kilometer, alles zu Fuß. Onkel Eugen konnte sich in der Höhle beschäftigen, so zeichnete er Geigen, die er später als Hobby verwirklichen konnte, in der Höhle selbst bastelte er aus allerlei Materialien für Elfriede eine Puppenstube".

Er habe auch ein Tagebuch geführt, das aber verloren ging. Sehr bedrückend: Ein Bürger von Oberndorf hatte wohl gesehen, wie Eugen ins Elternhaus kam, aber diesen nicht erkannt. Schon hieß es, die Mutter habe einen Freund, während der Vater Georg als Soldat in Russland war. Diesem wurde dies berichtet. Nur er allein wusste, wer der "Fremde" wirklich war. Die Mutter musste mit dem Geschwätz leben, denn sie musste schweigen. Ein Bürger aus Oberndorf war ein überzeugter Nazi. Dieser drangsalierte die Familie jeden Tag und ließ auch den Unterhalt für die Mutter streichen. Elfriede Suhr nennt ihn in ihrem Buch nur "Spitzel". Als der Onkel Eugen endlich kommen durfte, war es so emotional, dass man das gar nicht beschreiben kann.

Man könnte Elfriede Suhr stundenlang zuhören, so spannend, lebensnah waren ihre Kommentare, auch ein Zeichen, wie lebendig die Ereignisse in ihrem Inneren noch nach Jahrzehnten sind. Sie selbst erzählte noch, dass sie jedes Jahr zwei oder drei Albträume hatte. Als sie die Geschichte niedergeschrieben hatte, waren diese Albträume weg. Die ganzen Ereignisse im Blick sagte sie auch "Wir hatten so viel Glück, mehr Glück gibt es nicht."

In dem Gedankenaustausch am Ende der Lesung gab es seitens der Gäste noch die Vermutung, dass es viele ähnliche Schicksale gibt, aber die betroffenen Familien sich nicht getrauten damit offen umzugehen, da sie sich heute noch des "Deserteurs" in ihrer Familie schämen würden.