Gericht: Jugendgerichtshelferin bescheinigt Empfinger Fußball-Schläger eine "Reifeverzögerung"

Empfingen/Sulz/Horb - Aus drei Metern Entfernung soll ein 16-Jähriger aus Sulz einem 19-Jährigen absichtlich einen Fußball genau ins Gesicht geschossen haben. Super-Fußballer oder alles nur erfunden? Der Getroffene jedenfalls rastete aus. Und das Horber Amtsgericht versuchte, die Frage aufzulösen.

Eine gebrochene Nase und eine Platzwunde über dem Auge sind für einen 16-Jährigen am 3. April die Folgen einer Konfrontation mit einem damals 19-jährigen Empfinger auf einem Fußballplatz in Sulz.

Der Angeklagte schildert Richter Albrecht Trick am Horber Amtsgericht, wie es aus seiner Sicht zu dem Vorfall gekommen sein soll: "Ich stand im Tor und dann hat er sich vor mich gestellt. Ich habe zu ihm gesagt, er solle aus dem Weg gehen, doch er hat mich provoziert und meine Mutter beleidigt. Dann schießt er mir den Ball direkt ins Gesicht. Da hab ich die Kontrolle verloren." Der Angeklagte erzählt, er sei mit einer Gruppe von "Kollegen" auf dem Platz gewesen, als plötzlich die andere Gruppe, unter ihnen der Geschädigte, auftauchte, und das Tor in Anspruch nehmen wollte. Nachdem er den Ball aus etwa drei Metern Entfernung von dem 16-Jährigen direkt ins Gesicht bekommen haben will, sei er ausgerastet. Mehrmals habe er ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Nach der Attacke sei er zu seinem Auto gegangen und nach Hause gefahren, um sich die blutigen Hände zu waschen.

Der Verteidiger des Geschädigten merkte daraufhin an: "Dann muss er ja ein Super-Fußballer sein, wenn er Sie aus drei Metern Entfernung genau ins Gesicht trifft." Er denke dabei an das Torwandschießen mit Fußballprofis, das manchmal in Fernsehsendungen zu sehen ist.

Die Hauptschule hat er nicht erfolgreich abgeschlossen

Der 16-jährige Sulzer erzählt eine etwas andere Version der Geschichte: "Die andere Gruppe ist zu uns gekommen und hat gesagt, wir sollten entweder mit ihnen mitspielen oder den Platz verlassen. Wir lehnten das Angebot ab und spielten weiter." Als sie wenige Minuten später die Aufforderung mitzuspielen oder zu gehen erneut ablehnten, habe der Angeklagte sich einfach in ihr Tor gestellt. Irgendwann habe dann der jetzt Geschädigte den Ball aus rund zehn Metern Entfernung ins Tor geschossen. Der Empfinger habe nur durch eine Handbewegung verhindern können, dass ihn der Ball im Gesicht trifft. Daraufhin sei es zu der Prügelattacke gekommen.

Der Anwalt des Geschädigten wirft dem Angeklagten vor: "Bis heute sind Sie komplett uneinsichtig. Sie sitzen auf der Anklagebank und grinsen. Das ergibt ein bedenkliches Bild Ihrer Persönlichkeit." Richter Trick befragt den Angeklagten zu seiner Schul- und Berufsausbildung: Die Hauptschule habe er besucht, aber nicht abgeschlossen. Nach einem Förderabschluss habe er eine Ausbildung angefangen. Bei der Firma arbeite er aber mittlerweile nicht mehr. Er lebe bei seinem Vater und beziehe Arbeitslosengeld I.

Aufgrund seiner schulischen und beruflichen Schwierigkeiten bescheinigte die Jugendgerichtshelferin dem Angeklagten "Probleme im sozialen und kognitiven Bereich". Sie gehe auch in Anbetracht der Tatsache, dass er über die eigenen Schulden und Rechnungen nicht richtig bescheid wisse, von einer "Reifeverzögerung" aus und schlage deswegen die Anwendung des Jugendstrafrechts vor. Auch die Staatsanwältin sieht das Jugendstrafrecht als passend an. Ihr Vorschlag: 40 Stunden gemeinnützige Arbeit und ein Kurs für soziales Training für die von ihm begangene Körperverletzung. Dem Vorschlag schließt sich auch Richter Trick in seinem Urteil an. Auch Schmerzensgeldforderungen würden auf den Empfinger nun zukommen, sagt Trick.