Ein paar überlebende Tauben sitzen verängstigt auf einem Dach nahe ihres Taubenschlags, in dem ihre Artgenossen brutal getötet wurden. Foto: Begemann

Kriminalpsychologin Lydia Benecke spricht über mögliches Täterprofil. Aufgestauter Frust oder Rache?

Empfingen - Das Tauben-Massaker beschäftigt noch immer viele Menschen in Empfingen und Umgebung. Immer wieder hört man die Frage: Was ist das für ein Täter? Geht von ihm weitere Gefahr aus?

"Es gibt mehrere Hypothesen", sagt die bekannte deutsche Kriminalpsychologin Lydia Benecke. "Zunächst kommt ein persönliches Motiv in Frage." Der Täter könne einen persönlichen Grund haben, sich an der Eigentümerin der Tauben rächen zu wollen. Allerdings hatte die Taubenhalterin gegenüber der Polizei erklärt, dass es keinen persönlichen Konflikt gebe. Auch eine allgemeine Wut auf Tauben, die jemanden zu lästig sein könnten, wäre im Bereich des Möglichen. "Das ist vergleichbar mit Hundehassern, die Hunde vergiften", sagt Benecke.

Ein weiteres Motiv könne sein, dass der Täter seine Aggressivität, aufgestauten Frust und Lust auf Gewalt an schwächeren Lebewesen ausleben wollte. "Das kommt leider immer wieder vor, dass Tiere dazu benutzt werden, weil die Gewaltschwelle dort geringer ist." Auch sexuelle Gewaltfantasien können ein Auslöser sein, so Benecke. Ist dann die Gefahr da, dass ein Mensch mit solchen Gewaltfantasien irgendwann auch Menschen als Ziel nimmt? Ist der Täter eine tickende Zeitbombe? "Obwohl auch in Biografien von beispielsweise Serienmördern manchmal Tierquälereien zu finden sind, werden andererseits nur wenige Tierquäler auch zu schweren Gewalttätern gegenüber Menschen." Hier sei dann doch die Hemmschwelle oft zu groß. Dass die getöteten Tiere vom Taubenmörder fein säuberlich auf die Wiese gelegt wurden, sei ein Zeichen, dass der Täter noch einmal besonders auf sich aufmerksam machen wollte. Aber auch ein sehr dummer Jungenstreich sei nicht auszuschließen, so die Kriminalpsychologin. "Es könnte sich auch um mehrere Täter handeln, denn bis zu 60 Tauben eigenhändig zu töten, ist ein enormer Kraftakt, der für eine Person alleine nur schwer durchzuführen ist." Nicht zwangsläufig müsste der oder müssten die Täter männlich sein. Auch müsse es nicht automatisch zu Wiederholungstaten kommen. "Kurz gesagt: Es gibt unterschiedliche Tätertypen bei Tierquälern und solange nicht mehr Informationen öffentlich bekannt gegeben werden, lässt sich ein bestimmter Tätertyp hier nicht klar eingrenzen. Die Polizei wird wahrscheinlich genauere Erkenntnisse haben, sodass diese in ihrer Ermittlungsarbeit eine konkretere Eingrenzung vornehmen kann."

Für den Verband Deutscher Brieftaubenzüchter ist es ein Fall, den es in dieser Dimension noch nicht gegeben hat, so Christopf Schulte, Redakteur der Verbandszeitung. "So etwas ist zum Glück nicht an der Tagesordnung. Es kommt immer mal wieder vor, dass Tauben gestohlen werden." Allerdings findet man in der Medienberichterstattung der vergangenen Jahre ähnliche Fälle wie in Empfingen, doch nicht in dieser Größenordnung. Schulte hält ein persönliches Rache- oder Neidmotiv für am ehesten möglich. "Das ist so, als wenn einem die Reifen zerstochen werden."