Bärbel Bussenius radelt mit ihrem Partner bis nach Indien / Jobs gekündigt / Zwangspause wegen Operation

Von Lena Müssigmann Empfingen. Vor zwei Monaten haben Bärbel Bussenius und ihr Partner Johan de Vries mit dem Fahrrad das Ortsschild von Empfingen hinter sich gelassen. 3200 Kilometer später das von Istanbul. Die beiden haben ihre Jobs gekündigt und erradeln sich die Welt."Die Arbeit ist sehr, sehr weit weg." Dieses Gefühl hatte Bärbel Bussenius (44) seit Jahren nicht mehr. Bis vor Kurzem hatte Arbeit für sie oberste Priorität. Sie ist mit dem Blackberry, einem Mini-Computer, eingeschlafen und aufgewacht. Mails und die Nachrichtenlage zu checken war das erste und letzte, das sie jeden Tag getan hat. "Ich musste als Sprecherin eines großen Logistikunternehmens, zuständig für Europa, den Nahen Osten, Afrika und Indien, rund um die Uhr erreichbar sein", sagt sie. Laut ihrem Profil in einem Business-Netzwerk im Internet ist sie jetzt "Weltenbummlerin".

Tour beginnt in Empfingen

Bärbel Bussenius, geborene Gerhardt, stammt aus Empfingen. Hier hat die Tour begonnen, die durch Österreich, die Schweiz, Italien, Slowenien, Kroatien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien in die Türkei geführt hat. Von dort aus ging es am 3. November mit dem Flugzeug nach Indien. Durch weitere asiatische Staaten wollen die beiden bis nach Indonesien gelangen.

"Es ist das Schönste, dass wir jetzt machen, was wir wollen", sagt Bärbel Bussenius. "Wir genießen die Freiheit." Zehn Stunden am Tag im Büro zu sein war zuvor für Bärbel Bussenius normal. Die Arbeit nahm aber immer weiter zu. "Ich habe ein schweres Jahr hinter mir mit großen Projekten, das wurde immer intensiver." Ihren Partner Johan de Vries (49) aus den Niederlanden hat sie bei der Arbeit kennengelernt. Sie hatten Verständnis für die ausartenden Arbeitszeiten des anderen. "Aber nur für die Arbeit zu leben, war nicht das, was wir wollten", sagt Bärbel Bussenius. De Vries fügt hinzu: "Wir haben uns beide ein bisschen gelangweilt."

Die beiden sind leidenschaftliche Radfahrer, waren schon viel in Frankreich unterwegs und wollten gerne einmal die andere Richtung einschlagen. So entstand die Idee zur Tour, für die sie beide ihre Jobs gekündigt und ihre Wohnung in Brüssel aufgegeben haben. Im Gepäck haben sie ein Zelt, immer genug zu essen und sonst nicht viel. Was fehlt, versuchen sie unterwegs zu beschaffen. "Ich habe ein Ohne-Wörter-Buch mit 800 Bildern drin, damit verständigen wir uns im Notfall", sagt Bussenius.

Die Eindrücke entlang der Strecke gleiten vorbei, manche bleiben. "Ich hätte nicht gedacht, dass die Leute in Rumänien leben wie vor 100 Jahren. Der Mais wird von Hand geerntet, alles wird auf Pferdekarren transportiert", erzählt sie. Sie habe sich auch gewundert, "wie man einfach so nett sein kann". In der Türkei habe sie einen Bäcker getroffen, der früher eine Zeit lang in Tübingen gelebt hat, und ihr deshalb ein Brot geschenkt habe. In Rumänien seien sie auf einen Schnaps in die Häuser gebeten worden. "Wir kommen aus einer Kultur, die nicht so offen ist", sagt Bussenius.

Die größte sportliche Herausforderung auf den bislang gut 3200 zurückgelegten Kilometern war die Hügellandschaft in Bulgarien. "Wir sind nur hoch und runter gefahren, 30, 40 Berge am Tag. Das war mental sehr zermürbend."

Zur Zeit sitzen die beiden nicht auf dem Rad. Eine Knieverletzung hat Johan de Vries schon ein ganzes Stück der Strecke geplagt. In Indien hat er sich untersuchen lassen. Die Diagnose lautete: Meniskusriss. De Vries beschloss, sich in einer Klinik in Delhi operieren zu lassen. Drei Monate waren ohnehin für Indien eingeplant. Wegen der Zwangspause fällt der Tourabschnitt durch den Süden des Landes nun weg. Sie nutzen die ruhige Zeit, die weitere Asienroute zu planen und ein Projekt in Indien zu suchen, für das sie auf der Reise Spendengelder sammeln.

An die Blackberry-Abstinenz hat sich Bärbel Bussenius schon fast gewöhnt. "Wir wollen nicht mehr in den Job zurück", so viel steht für sie fest. "Wollen beide was ganz anderes machen." Was genau, sagt sie noch nicht. Zum Überlegen bleibt auch noch Zeit. Das Rückflugticket nach Deutschland ist bisher auch gar nicht gebucht.

Weitere Informationen: Blog über die Reise unter http://myfirstblogeverforcyclists.wordpress.com/