Gebhard Gfrörer (links) erklärt dem spanischen Bauingenieur Marcos Pérez Ortuño, welche Aufgaben auf ihn in den nächsten zwei Monaten zukommen. Fotos: Midinet Foto: Schwarzwälder-Bote

Der junge spanische Bauingenieur Marcos Pérez Ortuño macht zwei Monate ein Praktikum im Büro Gfrörer

Von Judith Midinet

Empfingen. In seiner Heimat war der junge spanische Bauingenieur Marcos Pérez Ortuño arbeitslos. Seit Dienstag macht er über das Programm "AliSchwa" ein zweimonatiges Praktikum im Büro Gfrörer in Empfingen und hat nun eine berufliche Perspektive.

Als Marcos Pérez Ortuño 2004 sein Bauingenieur-Studium an der Universität in Alicante begann, hielt er es nicht für möglich, dass er mal arbeitslos sein könnte. "Die Chancen waren bestens und die Aussichten gut", erzählt der 27-Jährige. In Zeiten des Baubooms brauchte Spanien viele Ingenieure, doch dann kam die Wirtschaftskrise – bauen wollte dann keiner mehr, das Geld fehlte. "Es ist zwischenzeitlich fast unmöglich, auch nur ein Praktikum in Spanien zu finden", weiß Marcos. Oftmals gebe es nicht mal eine Rückmeldung auf die Bewerbung, geschweige denn eine Absage.

Die deutsche Sprache hat der junge Spanier am Gymnasium bereits mit 14 Jahren gelernt – ohne wohl zu ahnen, dass er sie mal so gut brauchen kann. Außerdem studierte er auch an der Technischen Fachhochschule in Berlin. Jetzt sitzt er im Büro Gfrörer in Empfingen und erzählt alles in noch etwas unsicherem, aber solidem Deutsch.

"Marcos ist die Ausnahme. Viele kommen mit dem AliSchwa-Programm zum ersten Mal nach Deutschland und können kein Deutsch", erzählt Heike Bangert-Rohrmoser von der Erlacher Höhe Calw-Nagold. Sie und Ute Albers von der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim betreuen die jungen Menschen aus Spanien, die Berufspraktika im Nordschwarzwald machen – in der aktuellen Gruppe sind neun Spanier aus der Region Alicante, beworben haben sich über 100. Die neun wurden vor ihrer Ankunft in Deutschland auf Sprache und Kultur vorbereitet. Aktuell erhalten sie intensiv Sprachunterricht in der Intensivwoche in Calw.

"Ute Albers von der Agentur für Arbeit hat uns persönlich angesprochen, nachdem wir eine Stellenanzeige geschaltet hatten, ob wir bereit wären, einem spanischen Bauingenieur einen Praktikumsplatz zur Verfügung zu stellen", erzählt Marcos’ neuer Chef Gebhard Gfrörer, "wir waren sofort bereit, ihn in unserem Team mit aufzunehmen." Die Auftragslage im Büro Gfrörer ist "gut", aber anders als in Spanien, sei es schwer Mitarbeiter zu finden. "Ingenieure mit Berufserfahrung findet man keine", erzählt Gfrörer.

Viel gesehen hat Marcos von der Region seit seiner Ankunft nicht, aber "die Landschaft ist sehr schön", sagt er, "ein bisschen anders als Berlin." Schon am Montag darf er mit Gebhard Gfrörer ins Büro nach Überlingen, damit er nach und nach alles kennenlernt und sich einarbeitet. Später wird er im Bereich "Stadtplanung" eigene Aufgaben übernehmen. "Er muss eigenverantwortlich an Projekte ran. Sein Verantwortungsbewusstsein muss sich entwickeln", sagt Gfrörer, der den jungen Spanier in beiden Büros in Empfingen und Überlingen einsetzen möchte, um ihn entsprechend seiner Fähigkeiten auch längerfristig beschäftigen zu können. "Er hat gute Voraussetzungen, sich hier zu entwickeln", erhofft sich auch Gfrörer einen neuen, engagierten Mitarbeiter. Marcos strahlt, als er das hört, denn er hat endlich eine berufliche Perspektive.

u Arbeitsmarktintegration durch Praktikumsaufenthalte im Ausland: Das Projekt "AliSchwa" richtet sich an junge Erwachsene in den Landkreisen Calw und Freudenstadt, die arbeitslos gemeldet sind und ihre Beschäftigungschancen durch ein Praktikum im Ausland verbessern möchten. Die mehrwöchigen Auslandsaufenthalte der Schwarzwälder finden in Alicante (Spanien) oder Östersund/Högsby (Schweden) statt. Daher der Name Ali-Sch-wa. Junge Erwachsene in der Region Alicante/Valencia, die langzeitarbeitslos sind und keinen oder einen stark erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt haben, können ebenfalls teilnehmen.

u Die Teilnehmenden erlangen Berufspraxis im Ausland, erhöhen ihre Sprachkompetenz, üben sich in sozialer Kompetenz und steigern somit ihre Chancen, in eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle vermittelt zu werden.

u Das Projekt wird von einem Projektverbund, der aus Erlacher Höhe Calw-Nagold, Oberlinhaus Freudenstadt und der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim mit den Jobcentern der Landkreise Calw und Freudenstadt, organisiert.

u AliSchwa wird im Rahmen des Programms "Ida – Integration durch Austausch" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Europäischen Sozialfonds gefördert.

u  160 Teilnehmende aus dem Nordschwarzwald konnten bislang nach Spanien und Schweden entsendet werden. Aus Spanien konnten 59 Teilnehmer Praktika im Nordschwarzwald absolvieren. Die Quote derer, die im Nachgang eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle gefunden haben, oder sogar im Praktikumsbetrieb übernommen wurden, liegt in beiden Projektausrichtungen überdurchschnittlich hoch. Von den spanischen Teilnehmern bekamen 78 Prozent ein Angebot zum Verbleib in Deutschland.