Holger Dopp freut sich noch heute an den Kakteen, die ihm vor 25 Jahren für eine Zeit lang abhanden gekommen waren. Auf dem Foto sind zu sehen: Aztekium ritteri (rechts), Ariocarpus trigonus (hinten) und Lophophora williamsii. Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

KuriosesHinweis führt den Sammler auf die Spur eines 17-Jährigen / Fall nach 25 Jahren nicht vergessen

Er nutzt die Hilfsbereitschaft von Kakteensammler Holger Dopp aus, um einen dreisten Diebstahl zu begehen: Ein 17-jähriger Gärtner-Lehrling hat es auf teils über 100 Jahre alte Kakteen in den Gewächshäusern Dopps abgesehen.

Von Daniel Begemann

Empfingen. Die Geschichte hat sich vor 25 Jahren in Empfingen abgespielt. Doch noch heute ist die spektakuläre Lösung des Falls Gesprächsthema in der Kakteen-Kenner-Szene.

Holger Dopp erinnert sich noch genau an das Treffen mit dem damals 17-Jährigen, der ihm später 25 extrem seltene und teilweise sehr alte Kakteen aus dem Gewächshaus stehlen würde. Er sagt: "Der junge Mann erzählte mir, dass er in einer Kakteengärtnerei in Stuttgart arbeitet und sich sehr für Kakteen interessiere." Natürlich hat Dopp nichts dagegen, dem angeblichen Kakteenfreund seine Sammlung zu zeigen. "Ich war richtig stolz darauf, dass ich jemandem etwas zeigen konnte", sagt Dopp.

Einige Tage später erlebt Dopp ein böses Erwachen. Er sagt: "Ich bin durch meine Sammlung gegangen und stellte plötzlich fest: ›Da fehlt doch etwas!‹". Dieser Sache musste er nachgehen. Das Resultat: "25 Kakteen, ausnahmslos seltene Pflanzen, waren weg", erzählt er. Dopp zeigt den Diebstahl bei der Polizei an. "Ich erstellte eine Liste der fehlenden Pflanzen. Die Polizei wollte auch wissen, wie die Kakteen aussehen. Also habe ich Vergleichspflanzen aus der Literatur heraus", sagt der passionierte Sammler.

Doch die Polizei bleibt mit ihrer Suche nach dem Kakteendieb erfolglos. Dopp erzählt: "Zwei oder drei Monate lang tat sich nichts. An einem Sonntag, ich saß gerade am Mittagstisch, klingelt das Telefon. Es waren die Stuttgarter Kakteenfreunde." Die Sammler hatten in einer Fachzeitschrift von dem Diebstahl aus Dopps Sammlung gelesen. Sie geben ihm den entscheidenden Hinweis: "Sie sagten mir: ›Wir kennen da jemanden, der sich uns vor kurzer Zeit angeschlossen hat und sehr engagiert ist.‹" Der junge Mann sei im Besitz von Kakteen, die denen von Dopp sehr ähnlich seien.

Die Stuttgarter Kakteenfreunde teilen Dopp die Adresse des Verdächtigen mit, der in der Nähe von Göppingen wohnt. Er fährt zur angegebenen Anschrift. Als er dort eintrifft, kann er seinen Augen kaum trauen: "70 bis 80 Mitglieder der Stuttgarter Kakteenfreunde standen vor dem Haus." Dopp erlaubt es sich, das Grundstück zu betreten und einen Blick in das Gewächshaus zu werfen. Tatsächlich: Dort stehen seine Kakteen. Die Hausbewohner sind nicht anwesend. Also wartet die vereinte Kakteensammler-Mannschaft.

Für den Gärtner-Lehrling nimmt die Geschichte kein gutes Ende

Kurze Zeit später trifft der junge Mann gemeinsam mit seinen Eltern ein. Dopp kann nicht mehr an sich halten: Er stürmt auf den Jungen zu, packt ihn am Kragen und ruft: "Ich bin gekommen, um meine Pflanzen zu holen!" Die Reaktion des enttarnten Diebes kommt einem Geständnis gleich. Er sagt nur: "Moment, ich hole nur noch kurz eine Kiste für die Pflanzen." Als der Vater des 17-Jährigen seinen zitternden Sohn unterstützen möchte, weist Dopp auch diesen in seine Schranken: "Sie sind auch noch dran!", ruft er.

Was Dopp erst im Nachhinein erfährt: Der Vater des Jungen war aktiv an dem Diebstahl beteiligt. Er tritt bei der Aktion seines Sohnes als Chauffeur in Aktion. Nachbarn hatten den jungen Mann sogar auf Dopps Grundstück beobachtet. "Sie dachten aber, er sei ein Bekannter von mir", sagt Dopp.

Damit geht der Fall für Dopp und zumindest die meisten seiner Kakteen gerade noch einmal gut aus. Auch die Kakteen, die er beim Termin mit unserer Zeitung präsentiert, gehören zu den Pflanzen, die 1990 gestohlen wurden. Ein paar Kakteen haben die Diebesaktion aber nicht überlebt. Dopp sagt: "Weil sie keine Stacheln haben, hat der junge Mann sie aus der Erde gezogen. Dadurch wurden die Wurzeln beschädigt."

Nicht gut geht die Geschichte hingegen für den jungen Kakteendieb aus. Wegen des Diebstahls bei Dopp nimmt die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Und es stellt sich heraus: Dopp ist nicht sein einziges Opfer. Auch in der Kakteengärtnerei hatte der damalige Lehrling Pflanzen gestohlen. Soweit Dopp weiß, hat der Kakteendieb danach nie wieder einen Job in einer Gärtnerei bekommen.

Holger Dopp berät Menschen, die sich Kakteen anschaffen möchten. Dabei sei es laut Dopp ratsam, sich erst einmal Kakteen für Anfänger zuzulegen, und nicht, wie es damals der 17-jährige Kakteen-Dieb vor hatte, gleich mit sehr seltenen und teuren Pflanzen zu beginnen. Denn die Pflege von Kakteen wie beispielsweise die vor 25 Jahren von Dopp gestohlenen Pflanzen der Art Aztekium ritteri aus Mexiko erfordere sehr viel Fachwissen. Dopp sagt: "Ich komme gerne zu den Leuten nach Hause, schaue mir die Voraussetzungen an dem gewünschten Kakteenstandort an und empfehle entsprechende Kakteen."