Eugenia Jung (Dritte von rechts) im Gespräch mit einer Bürgerin Foto: Ganswind Foto: Schwarzwälder-Bote

Bürgermeister-Wahl: Kandidatin Eugenia Jung begrüßt in Wiesenstetten nur fünf Gäste

Die "Krone" in Wiesenstetten ist gut gefüllt. Das Problem für Eugenia Jung: Die wenigsten davon sind wegen des Bürgergesprächs der Bürgermeister-Kandidatin gekommen.

Empfingen. Eugenia Jung geht zu den anderen Tischen, fragt nach. "Sind Sie wegen des Bürgergesprächs hier?" Kopfschütteln. Doch vom anderen Tisch kommen vier Bürger herüber. Wenige Minuten später kommt noch eine interessierte Bürgerin hinzu. Ein überschaubarer Kreis. Aller Anfang ist für einen kommunalpolitischen Neuling schwer.

Sie stellt sich zunächst vor. Vor ihr liegen mehrere Din-A-4-Seiten. "Ich habe viel aufgeschrieben." Man merkt ihr ein bisschen Nervosität an. Ihre Stimme dringt kaum durch. "Ein Salat bitte" oder "Ich hätte gerne eine Bratwurst" schallt es vom Nebentisch herüber.

38 Jahre alt sei sie, Mutter von zwei Kindern. Schnell rattert sie die wichtigsten Lebensdaten herunter. Ein Akzent unterstreicht das, wovon sie erzählt: 1994 siedelte sie zusammen mit ihrer Familie aus Kasachstan nach Deutschland um, kam damals als 16-Jährige nach Empfingen.

Ihre Biografie ist eine Erfolgsgeschichte der Integration: Nach ihrem Realschulabschluss absolvierte sie eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten bei der Deutschen Rentenversicherung. Ihre Schwerpunkte waren gesetzliche Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Parallel holte sie ihr Abitur nach. Sie setzte noch eins drauf und studierte erfolgreich Mathematik. Schwerpunkte: Finanz- und Versicherungsmathematik, Mathematische Statistik, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre. 2010 erlebte sie einen schweren Schicksalsschlag, als sie ihren damaligen Ehemann verlor. Er starb bei einem Autounfall. "Mittlerweile bin ich wieder glücklich verheiratet", erzählt sie.

Doch warum kandidiert sie nun für den Bürgermeisterposten? "Ich möchte meine Gemeinde aktiv mitgestalten und ihr etwas zurückgeben", erklärt sie ihren Gästen. "Ich möchte eine aufrichtige Partnerin für die Bürger sein, nachhaltige Politik liefern." Zwei Schwerpunkte werden deutlich: Jung weist mehrmals darauf hin, dass sie ihre Erfahrung im Bereich Finanzen einbringen möchte. "Ich möchte als Bürgermeisterin eine frühzeitige Finanzplanung abliefern." Der zweifachen Mutter ist aber auch eine gute Betreuungssituation in der Gemeinde wichtig. Berufstätige Mütter müssten die Chance haben, von früh bis spät eine Betreuung für ihre Kinder in Anspruch nehmen zu können. "Ich habe selbst erlebt, wie schwierig es ist." Auch die Sicherheit der Kinder auf den Schulwegen ist ihr eine Herzensangelegenheit. "Eine Bushaltestelle sollte in Wiesenstetten direkt am Neubaugebiet sein." Für die Ortsdurchfahrt in Empfingen wünscht sie sich ein durchgehendes Tempo 30. Dafür erntet sie ein kritisches Raunen am ansonsten unbeteiligten Nebentisch, der nach und nach aber immer aufmerksamer zuhört. Die für Empfingen angestrebten Nordumfahrung solle weiter weg von Wiesenstetten verlaufen. Überhaupt versucht Jung immer wieder, bei den Wiesenstettern zu punkten. "Ich finde, dass in der Vergangenheit Empfingen bevorzugt und Wiesenstetten und Dommelsberg eher vernachlässigt wurden", sagt sie zum Beispiel.

Für den Wiesenstetter Kindergarten, der in den jüngsten Vergangenheit aufgrund der Kinderzahl um seine Existenz fürchten musste, wünscht sie sich Erneuerung. Das aktuelle Gebäude werde den Ansprüchen nicht gerecht. Eine der wenigen Nachfragen beschäftigt sich mit dem ehemaligen Gasthaus Hirsch. Hier wünscht sich Jung eine Pflegeeinrichtung. "Aber ohne Infrastruktur im Ort möchten alte Menschen auch nicht sein", legt eine Besucherin den Finger in die Wunde.

Eugenia Jung streift noch viele weitere Themen: E-Tankstellen für Kfz und Fahrräder, Spielplatzkonzept, Seniorenteilhabe, Feuerwehr. Man merkt ihr an, dass sie sich mit ihrer Gemeinde beschäftigt hat. Dass sie es mit ihrer Kandidatur ernst meint – was man vielleicht nicht von allen Kandidaten sagen kann. "Lieber mehr Kandidaten als zu wenig", sagt einer der interessierten Bürger, der es gut findet, dass Eugenia Jung den Mut gezeigt hat. "Aber ich glaube, ihr fehlt noch das Netzwerk, damit mehr Leute kommen."

Politisch wolle sie auf alle Fälle aktiv bleiben, sagt Jung noch. "Wenn es mit dem Bürgermeister-Amt nicht klappt, möchte ich mich 2019 für den Gemeinderat bewerben."