Empfinger erfahren in einem Vortrag, wie die Fasnet in ihrem Ort in den Jahren 1894 und 1904 gefeiert wurde

Von Jürgen Baiker

Empfingen. Dass die Empfinger Fasnet schon sehr alt ist, eine sehr lange Tradition hat, zeigt sich immer wieder durch auch zufällige Funde in Archiven. Mehr über die traditionelle Fasnet erfuhren die Besucher eines Vortrags im "Café zum Kehlhof".

Fastnachtsforscher Werner Baiker, auch bekannt als Fasnetsprofessor, entdeckte wenige Tage vor Weihnachten im Stadtarchiv in Marbach eine Geschichte, die ihm zunächst die Sprache verschlug, erzählte sie doch vom Fastnachtstreiben im Empfinger Flecken in den Jahren 1894 und 1904.

Geschrieben, dies handschriftlich, wurde sie von Wilhelm Schenk. Er wurde 1879 in Empfingen geboren, starb 1953 in Ludwigsburg. Da er ein SPD-ler war, wurde er im 3. Reich im Konzentrationslager auf dem Heuberg in Schutzhaft genommen. Nach dem Krieg wurde er in Marbach Bürgermeister, dies von 1946 bis 1948. Einen Monat vor seinem Tod erhielt er noch das Bundesverdienstkreuz für seine Verdienste um den Wiederaufbau der Stadverwaltung nach dem Zusammenbruch. In Schramberg lernte er den Beruf des Bildhauers.

"Die Vergeltung" – eine Empfinger Fasnetsgeschichte ist eine Jugenderinnerung von Schenk, die er um die Zeit des 1. Weltkrieges niedergeschrieben hat und die 1894 und 1904 spielt. Diese Erinnerung wurde nicht im Stil eines Historikers geschrieben, sondern als Beteiligter in der damaligen Fasnetszeit, also mit viel Herzblut.

Für Werner Baiker, der diese Niederschrift gefunden hat, wurde damit auch vieles bestätigt, was er im Buch "Oh Latschaboo-oh Schaluschee – ein bunter Streifzug durch die historische Empfinger Fasnet" nach mündlichen Überlieferungen festgehalten hat. Herausgeber ist die Narrenzunft und Trachtengruppe Empfingen und der Heimatkreis Empfingen im Dezember 2000.

In der Fasnetsgeschichte von Wilhelm Schenk wird das Leben in dieser Zeit sehr präzise widergespiegelt, auch das schwierige Verhältnis von Obrigkeit und Fasnet. Auch die Fleckenfasnet wurde beschrieben, sowohl für die ländliche Bevölkerung, insbesondere für die schon damals existierenden Kameradschaften ein wichtiger Zeitabschnitt. Wilhelm Schenk selbst gehörte der Kameradschaft Matrosen an.

Kurz zum Inhalt: Wilhelm Schenk war schon als Jugendlicher ein Experte im Peitschenknallen. Dazu fehlte nur eine eigene Peitsche. Um diese käuflich zu erwerben, hatte er alle möglichen Einfälle, um an das notwendige Geld zu kommen, die aber nicht zum Erfolg führten. In der Niederschrift wird auch das schwierige Verhältnis zwischen Fastnacht und Obrigkeit beschrieben.

"Zur Fasnetszeit war in Empfingen seit jeher bewegtes, mit viel Geräusch verbundenes Leben. Die Fastnachtsbräuche waren seit altersher genau geregelt und wurden jedes Jahr wiederkehrend eingehalten. Die männliche Jugend vom 15. bis zum 20. Lebensjahr beteiligte sich, in einzelne Jahrgangskameradschaften zusammengezogen, am sogenannten Butzenspringen. Am Donnerstag vor dem Fastnachtssonntag, dem rußigen- oder auch schmotzigen Donnerstag genannt, begann die Fastnacht.

Lehrersfrau brachte auch empfindliche Nerven mit in die Ehe

Weiter ist festgehalten: "Einer unserer Lehrer, (vermutlich Paul Gauggel, er heiratete eine Nordstetterin) hatte eine reiche Bauerstochter von auswärts geheiratet. Die Lehrersfrau brachte auch empfindliche Nerven mit in die Ehe. Das Peitschenknallen verursachte ihr Migräne. Sie beschwerte sich beim Bürgermeister (Max Gaus Bürgermeister von 1877 bis 1898). Und es gab am Samstag der Amtsbote, der gleichzeitig Polizeidiener war, mit klingender Schelle und überlautem Ausruf den horchenden Bürgern kund und zu wissen: Das abscheuliche Butzenspringen, Peitschenknallen und rußig machen ist verboten und wird von jetzt an um drei Mark bestraft. Dieses Verbot galt auch noch 1904, als Schenk einen Besuch in der Heimat machte. Diese Bekanntmachung ergab einen Aufruhr im Dorf. Und so gab es Überlegungen und Aktionen, bei denen die Kameradschaften engagiert beteiligt waren, dieses Verbot zu kontern – daher auch der Titel der Geschichte ›Die Vergeltung‹."