Auch Frauen können hinlangen: Susanne Fellner (links) und Nina Kamenik (rechts) gegen Laila Dekmeijere-Trigubova. Foto: Baumann

WM-Stadt kämpft für die Eishockey-Frauen, auch wenn die international nur zweitklassig sind.

Ravensburg - Die deutschen Eishockey-Frauen sind international nur zweitklassig. Bei der B-WM in Ravensburg soll der Wiederaufstieg in die Eliteliga gelingen - dafür kämpft nicht nur Nationalspielerin Susanne Fellner, sondern eigentlich fast die gesamte Stadt in Oberschwaben.

Zwölf Frauen, ein Puck, eine Eisfläche, zwei Tore - bei dieser Kombination können sich selbst Sportfreunde kaum gegen den Zwang wehren, intensiv zu gähnen. In der Bundesliga köpfen die Schatzmeister der sieben Clubs schon eine Pulle Sekt vor Begeisterung, wenn die Zuschauerzahl dreistellig wird, was fast nie der Fall ist. Nicht so in Ravensburg. Dort läuft noch bis Sonntag die B-WM; selbst wenn ein halbes Dutzend Norwegerinnen und ebenso viele Chinesinnen auf dem Eis um eine Hartgummischeibe streiten, wollen das 250 Leute sehen. Und wenn Deutschland spielt, wird die Zuschauerzahl vierstellig - 1600 waren gegen Österreich (4:0) in der Eishalle, 1100 schauten gegen Lettland (2:1) zu. "Wir mögen Ravensburg", sagt Stürmerin Sophie Kratzer, "und Ravensburg mag uns."

Der Satz hätte von Susanne Fellner stammen können. Am 26. Februar 1985 wurde sie in der Kreisstadt geboren, sie lernte dort erst Eiskunstlaufen, dann Eishockey-Spielen, und als sie zwischen 2001 und 2004 mit dem TV Kornwestheim viermal in Folge deutsche Meisterin wurde, reifte sie zur Nationalspielerin. "Ich bin stolz, dass die WM in meiner Heimat stattfindet", sagt die Abwehrspielerin und schaut zu den einige Meter entfernt kickenden Teamkolleginnen. Die Eishockey-Mädels spielen nach dem Training oft Fußball mit zwei Berührungen, weil's erstens das Ballgefühl schärft und zweites Spaß macht. Beides ist wichtig, der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) hat als WM-Ziel klipp und klar postuliert: Aufstieg in die A-Gruppe, also Platz eins in der Fünfergruppe muss es sein - nach zwei Siegen stehen die entscheidenden Spiele gegen China (Samstag) und Norwegen (Sonntag) an. "Es wäre wunderbar", sagt Susanne Fellner, "wenn es ausgerechnet in Ravensburg klappen würde. Andererseits wäre es doppelt bitter, wenn's anders laufen würde."

"Frauen-Eishockey gehört zu Ravensburg wie die Stadttürme"

Die Leitwölfin der Truppe will ihren Teil zum Triumph beitragen, doch sie ist längst nicht die einzige Person, die sich der großen Mission verpflichtet fühlt. Karl-Heinz Fehr sehnt sich mindestens genauso sehr nach dem Aufstieg. Der Mann mit den kurzen grauen Haaren und der schwarz umrandeten Brille ist 57, seit 18 Jahren Vorsitzender des Eislaufvereins und Ravensburger mit Leib und Seele. "Wir haben uns in der Bewerbung gegen die Metropole Schanghai durchgesetzt", sagt der mittelständische Unternehmer, "weil wir bewiesen haben, dass wir das organisieren können." Seit fünf Jahren wird in der Eishalle der Air-Canada-Cup ausgespielt, dabei ist dem DEB-Team 2008 ein historischer Erfolg über Lehrmeister Kanada gelungen - 5:3 siegten die deutschen Damen vor 3180 Fans, was Europarekord beim Fanzuspruch bedeutete. Diese Zuschauer sind ein unschätzbarer Heimvorteil im Kampf um das einzige Ticket ins Oberhaus. "Frauen-Eishockey gehört zu Ravensburg wie die Stadttürme", sagt Fehr, "wir alle arbeiten für den Aufstieg." Mit wir alle meint der Clubchef die über 100 ehrenamtlichen Helfer aus der gesamten Region.

Enthusiasmus und Tatendrang sind wichtig, ohne ein abgesichertes Budget bleibt beides wertlos. 250.000 Euro beträgt der Etat, wie es aussieht dürften unter der Schlussrechnung am Sonntagabend keine roten Zahlen stehen. Eigentlich erstaunlich. Denn Japan sagte zehn Tage vor dem Eröffnungsbully wegen der Erdbeben-Katastrophe ab - die gesamte Organisation, die Infrastruktur, alles war auf sechs Starter ausgelegt, alles musste neu getaktet werden, die Hotelkosten der Japaner mussten aufgrund des kurzfristigen Stornos zu 100 Prozent beglichen werden. Der Veranstalter musste zudem auf die Ticketeinnahmen von fünf Partien verzichten - vorsichtig geschätzt knapp 10.000 Euro. "Bei Deutschland gegen Japan wäre die Halle sehr gut besucht gewesen", sagt Dieter Reinartz, WM-Generalsekretär des Internationalen Eishockey-Verbandes IIHF. Ein schmerzhafter Bodycheck.

Sponsoren schätzen solche Einschnitte im Marketingkonzept wie eine Spielerin einen unerlaubten Körperangriff an der Bande - doch die WM-Finanzpartner gerieten nicht in Panik. Keines der 20 Unternehmen hat seine Summe gekürzt, keiner der zugesagten sechs Audi A8 für die VIP-Fahrten, keiner der drei Mercedes-Vans für den Transport der Spielerinnen und der Offiziellen wurden zurückbeordert - was mit großer Wahrscheinlichkeit daran lag, dass es sich fast ausschließlich um regional ansässige Firmen handelt. "Die Verbindungen der Eishockey-Familie um Ravensburg", sagt Reinartz, "hat dabei zusammengehalten. Alle sind eben mit dem Herzen dabei."

Auch die Stadt hat sich aufs WM-Eis gewagt

Selbst wenn der EV Ravensburg als WM-Ausrichter doch mehr ausgibt als er einnimmt, müsste Clubchef Fehr nicht sofort in die Taschen der Mitglieder greifen. Denn auch die Stadt hat sich aufs WM-Eis gewagt und per Gemeinderatsbeschluss unterstrichen, dass die Kommune einen Fehlbetrag von bis zu 20.000 Euro übernimmt. "Diese WM ist ein Aushängeschild für unsere Stadt", sagt Pressesprecher Alfred Oswald und zeigt zum Fenster hinaus, wo vor dem Rathaus WM-Fahnen an den Masten flattern. "Und auf unserer Homepage prangt ganz groß das WM-Logo", schiebt der Mann mit dem kleinen Brilli am Ohr hinterher.

Veranstalter, Sponsoren, Kommune und Fans - es scheint, ganz Ravensburg hat in dieser Aprilwoche nur ein einziges Ziel: die Eishockey-Mädchen mit vollem Einsatz, mit allem, was man geben kann, in die A-Gruppe zu befördern. Sollte das bis Sonntag gelingen, wäre es garantiert nicht nur für Susanne Fellner und Karl-Heinz Fehr die Erfüllung eines Traumes.