Der frühere Stuttgarter Polizeipräsident Siegfried Stumpf Foto: dpa

2010 leitete Siegfried Stumpf den harten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner im Schlossgarten. Nun geht dem früheren Polizeipräsidenten ein Strafbefehl zu. Nähme er ihn an, wäre er vorbestraft.

Stuttgart - Der harte Wasserwerfer-Einsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten hat nun doch juristische Folgen für Ex-Polizeichef Siegfried Stumpf - er erhielt einen Strafbefehl über 15 600 Euro. Stumpf hätte mit einer Anweisung das rüde Vorgehen seiner Polizisten gegen Protestler im Schlossgarten beenden und womöglich schwere Verletzungen verhindern können. So sieht es das Amtsgericht Stuttgart. Wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt in vier Fällen müsse Stumpf eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 130 Euro zahlen, sagte eine Sprecherin des Stuttgarter Amtsgerichts der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.

Nimmt Stumpf den Strafbefehl an, ist er vorbestraft. Ab Zustellung des Strafbefehls kann Stumpf gegen diesen innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen. Seine Anwältin wollte am Montag nichts dazu sagen.

Die Entscheidung für einen Strafbefehl löste auch Kritik aus: Frank Ulrich Mann, der Rechtsanwalt eines erblindeten Demonstranten von damals, sprach von einem „wahren Schnäppchen“ für Stumpf. Die Höhe des Strafbefehls sei „sehr milde“ - zumal das Landgericht Stuttgart jüngst die Hauptverantwortung beim damaligen Einsatzleiter gesehen hatte.

30. September 2010: Als Polizeichef leitet Stumpf den Polizeieinsatz zur Räumung des Schlossgartens für Baumrodungen auf dem Baufeld des umstrittenen Milliardenprojekts Stuttgart 21. Immer mehr Demonstranten strömen in den Park, blockieren den Konvoi der Polizei. Es gelingt nicht, eine Gitterlinie aufzubauen. Die Beamten setzen Schlagstöcke, Pfefferspray und Wasserwerfer ein. Mehrere Demonstranten werden schwer an den Augen verletzt. Das Innenministerium berichtet später von 160 Verletzten.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Stuttgart die ersten Ermittlungen gegen Stumpf eingestellt hatte, änderte sie ihre Einschätzung im Laufes des Prozesses gegen zwei damalige Polizeiführer im vergangenen Jahr vor dem Stuttgarter Landgericht: Auf Videos war demnach zu sehen, dass Stumpf das gewaltsame Vorgehen seiner Polizei zumindest zeitweise vom sogenannten Feldherrenhügel aus beobachtet hat. Im Januar wurde Strafbefehl gegen den Beamten beantragt. Er habe es unterlassen, darauf hinzuwirken, dass die Wasserwerfer-Besatzungen bei der Abgabe der Wasserstöße keine Köpfe von Demonstranten treffen.

Die Behörde argumentierte, Stumpf habe eine besondere Überwachungs- und Aufsichtspflicht, weil er den Einsatz der Wasserwerfer nach anfänglichem Vorbehalt letztlich freigegeben hatte. Stumpf, der nach dem Einsatz den Dienst quittiert hatte, hatte die Verantwortung für den Einsatz übernommen. Jedoch betonte er stets, von den Verletzten erst „in den Abendstunden“ gehört zu haben.

Im Zusammenhang mit dem Wasserwerfereinsatz waren bereits mehrere Strafbefehle ergangen: So ergingen Geld- und Bewährungsstrafen gegen die Besatzung eines Wasserwerfers. Ein Verfahren des Landgerichts Stuttgart gegen zwei Polizeiführer war gegen Geldauflage von je 3000 Euro eingestellt worden.