Mit 55 Jahren arbeitslos -– und dann?

Egenhausen. Motiviert, qualifiziert, erfahren – und trotzdem arbeitslos? Nur weil man älter als 50 Jahre ist? Das muss sich ändern, hat Helmut Steinl aus Egenhausen beschlossen und die Aurelia Holding AG gegründet.

Die Wirtschaft sucht händeringend Fachkräfte. Trotzdem finden ältere, gut ausgebildete Arbeitslose keine Anstellung. Als Hauptgrund wird das Alter ins Feld geführt. Mit der Folge, dass nach der jüngsten Erhebung allein in Baden Württemberg nahezu 80 000 Menschen über 50 ohne Job waren. Tendenz steigend.

Zu ihnen gehörte auch Günter Hartmann aus Calw. Nachdem die Maschinenbaufirma seines Arbeitgebers liquidiert wurde, stand der Diplom-Wirtschaftingenieur mit 55 Jahren auf der Straße. Die Vermittlung durch die Agentur für Arbeit brachte nicht den erhofften Erfolg. In den Stellenanzeigen der Zeitung wurden überwiegend junge Ingenieure gesucht. Wenn der Hinweis fehlte, und er sich bewarb, "habe ich nur Absagen bekommen", beschreibt Hartmann seine damalige Situation.

Bei Wolfram Rösch aus Stuttgart war es ähnlich. Als die Buch- und Offsetdruckerei im Jahr 2001 aufgelöst wurde, musste sich der Industriemeister mit Anfang 50 nach einer anderen Beschäftigung umsehen. Er schrieb nach eigener Aussage "über 300 Bewerbungen". Durch die Blume sei ihm jedes Mal zu verstehen gegeben worden: "Sie sind zu alt, zu teuer und überqualifiziert."

Für Helmut Steinl sind das keine Einzelfälle einer gebrochenen Biografie. Oft bekam der Diplom-Kaufmann aus Egenhausen auch zu hören, dass ältere Arbeitssuchende "nicht mehr so formbar und flexibel und öfter krank sind". Dass die Vorurteile häufig aus der Luft gegriffen seien, "ist mir in meiner über zehnjährigen, erfolgreichen Beratertätigkeit wiederholt von Firmen bestätigt worden". Und auch die Gehaltsvorstellung von Bewerbern über 50 sei kein entscheidendes Kriterium gewesen. "Der Verdienst spielt eine untergeordnete Rolle, die Menschen wollen zuallererst gebraucht werden."

"Die Menschen wollen zuallererst gebraucht werden"

Um die Betroffenen wieder in Lohn und Brot zu bringen, ist Helmut Steinl mit seinem Sohn Steffen in eine Rottweiler Beratungfirma eingestiegen. Dort entwickelten sie staatlich geförderte Weiterbildungsprojekte. Vor elf Jahren haben sie sich mit der Gründung der Aurelia Holding AG in Egenhausen selbständig gemacht und arbeiten eng mit der Deutschen Angestellten Akademie (DAA) zusammen, die zur Durchführung von Lehrgängen in Pforzheim und Böblingen Räumlichkeiten zur Verfügung stellt.

Gemeinsam haben sie mit Unterstützung der Agentur für Arbeit ein Qualifizierungskonzept entwickelt, das sich bei der Gewinnung von Fachkräften für Mittelständler und Handwerksbetriebe speziell an die Altersgruppe 50+ wendet.

In einer knapp einjährigen dualen Ausbildung zum Betriebsmanager Mittelstand (BM.M) werden im Unterricht vielfältige Kompetenzen vermittelt und gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet, in Betrieben ein Projekt durchzuführen, das die Firma keinen Cent kostet, aber für die Geschäftsleitung "wertvolle Erkenntnisse bringen kann". Niemand sei vor einer gewissen Betriebsblindheit geschützt.

Die Aurelia Holding bietet aber auch eigene Lehrgänge an und kann dabei, laut Steinl, auf eine große Zahl von Dozenten zurückgreifen. Sowohl Wolfram Rösch als auch Günter Hartmann haben seinerzeit die Anzeige von Steinl in der Zeitung gelesen, sich angemeldet und den Lehrgang durchlaufen. Rösch ist seit dem 14. Mai dieses Jahres Objektleiter für das Gebäudemanagement einer Firma aus Waiblingen und Hartmann Unternehmungsberater.

Helmut Steinl ist überzeugt: Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen in der Region Pforzheim, Nagold, Böblingen werde auf diesem Wege die Aussicht geboten, aktuell ausgebildete und motivierte Mitarbeiter kennenzulernen. Außerdem ist er überzeugt, dass sich ältere Arbeitssuchende besonders ins Zeug legen würden, weil es unter Umständen ihre letzte Chance sei.

Nähere Auskünfte erteilt die Aurelia Holding AG in Egenhausen, Telefon, 07453/6036.