Entspannung pur: Beim Anfertigen von Gipsmasken ging es eher geruhsam zu. Fotos: EJW Foto: Schwarzwälder-Bote

Freizeit: Landeskirche legt Fonds auf

"Ferien von der Flucht" machten 60 junge Flüchtlinge im Freizeitheim auf dem Egenhäuser Kapf. Das Evangelische Jugendwerk will damit einerseits Abwechslung bieten, andererseits Beziehungen aufbauen.

Egenhausen/Stuttgart. Sie kommen aus elf Ländern und sind zum Teil erst seit wenigen Monaten in Deutschland – 60 Flüchtlinge, die es nach Baden-Württemberg verschlagen hat. Damit sie eine Woche lang ein Stück Normalität und Abwechslung vom oft monotonen Alltag in der Gemeinschaftsunterkunft erleben konnten, hat das Evangelische Jugendwerk in Württemberg (EJW) die jungen Leute unter dem Motto "Ferien von der Flucht" zu "Free Style 2016" ins Sport- und Freizeitheim Kapf bei Egenhausen im Schwarzwald eingeladen. Dieses Urlaubsangebot stand auch für deutsche Teilnehmer offen, aber nur wenige wollten sich darauf einlassen. Die Warteliste bei den Flüchtlingen war hingegen lang und deshalb hat das EJW kurzfristig eine Woche vorher noch eine zweite Freizeit angeboten, an der 20 Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren teilgenommen haben.

Von dem Angebot haben die "Free-Styler" von den vorjährigen Teilnehmern erfahren, die ganz begeistert zurückgekommen waren. "Für die Teilnehmer ist dieses Angebot unschätzbar wertvoll, und das EJW hat in diesem Bereich eine wichtige Aufgaben in der Gesellschaft", ist Yasin Adigüzel überzeugt. Der Landesreferent für Interkulturelle Öffnung im EJW leitete die Freizeit schon zum zweiten Mal und möchte, dass dieses Modell von den Bezirksjugendwerken und CVJMs in Württemberg aufgenommen wird und sie selber ähnliche Freizeitformate entwickeln. "Es braucht Mut und ein Herz für diese Aufgabe", sagte er. Die Verantwortlichen in den Bezirken und Orten lädt er ein, selbst einmal als Mitarbeiter dabei zu sein, um zu sehen, wie eine Freizeit mit so unterschiedlichen Teilnehmern gelingen kann.

Damit es in Zukunft mehr Angebote dieser Art gibt, hat die Evangelische Landeskirche in Württemberg dem EJW für die nächsten drei Jahre einen Fonds in Höhe von 700 000 Euro zur Verfügung gestellt. Interessierte Jugendwerke und CVJM-Ortsgruppen können daraus zum Beispiel die Teilnahme junger Flüchtlinge an Freizeiten finanzieren. "Brücken sind Beziehungen, und über diese Brücke ist es möglich, dass junge Flüchtlinge auch den Weg zu unseren Angeboten in der Jugendarbeit finden", so die Erfahrungen von Adigüzel. "Vielleicht verändert das unsere Jugendarbeit, und vielleicht ist das auch gar nicht so schlimm."

Workshops bestimmen den Vormittag

Ihm gehe es um die Menschen, die alle ihre ganz persönliche Geschichte der Flucht haben. "Wenn manche von ihnen die Botschaft mitnehmen, dass es Hoffnung gibt, dann bin ich glücklich."

Musik mit Trommeln und Gesang drang aus dem Speisesaal des Freizeitheims. Vormittags gab es bei "Free Style" Workshops wie Bogenschießen, Speedminton, Speckstein bearbeiten und vieles mehr. "Wir machen viel in Kleingruppen", sagte Steffen Kaupp, einer von 20 Mitarbeitern. Nachmittags gab es freie Zeit, besondere Aktionen und auch mal eine dreistündige Wanderung. "Eigentlich ist es wie bei jeder anderen Freizeit. Wenn wir gemeinsam unterwegs sind oder abends in Kleingruppen zusammensitzen, kommen die persönlichen Geschichten ans Tageslicht", sagte Henrike Brinkmann, eine ehrenamtliche Mitarbeiterin, die mit ihrer ganzen Familie dabei ist. Sie berichtete von einem jungen Nigerianer, der vor Boko Haram geflüchtet ist und als Zwillingsbruder mit dem Tod bedroht wurde. Jetzt sei er in Deutschland und hoffe, dass es hier für ihn eine Zukunft gibt. "Da sein und zuhören ist wichtig, so wie bei jeder anderen Freizeit auch. Mein Mann und ich wollten uns in der Flüchtlingsarbeit engagieren, und deshalb arbeiten wir hier gerne mit", berichtete sie und widmete sich weiter ihren Workshop mit Gipsmasken.

Adigüzel bemerkte Veränderungen bei den Teilnehmern vom letzten Jahr: "Die Wildesten vom vorherigen Mal sind diejenigen, die jetzt bei Konflikten dazwischen gehen." Er hofft, dass viele Bezirke den Mut haben, eine solche Freizeit in den nächsten Jahren anzubieten, damit Integration der jungen Flüchtlinge in den Gemeinden wirklich gelingen kann.